Was ist eigentlich Kunst? Ich will zunächst des Lesers Denken auf eine solche „Kunst“ beschränken, wie sie bei Kennern „bildend“ heißt. Sie „bildet“ gegenständlich meist mithilfe Pinsel oder Hammer. (Auch Zeichenbrett und Dunkelkammer sind Orte, denen sie entspringt.) Die Frage ist, ob sie gelingt, ob also, wenn die „Künstler“ schaffen und nach getanem Werk erschlaffen am Ende wirklich „Kunst“ entsteht, von echtem Schöpfergeist durchweht, sodass Betrachter ehrlich staunen und Kritiker „Das ist es!“ raunen. - Was aber macht die Kunst zur Kunst? Und ist nicht manches blauer Dunst, mit dem sich falsche Künstler tarnen um uns als Käufer zu umgarnen, der, was an Schrott man hämmert, malt, dann teuer noch als Kunst bezahlt? Doch was ist Kunst und was nur Trödel? - Ich meine, jeder, der kein Blödel, kein „Kunst“-Mäzen, kein Galerist und selbst kein falscher Künstler ist, hat einen Maßstab in den Händen und kann zur Klärung ihn verwenden: Die Kunst, das sagt uns der Verstand, ist stets dem Können eng verwandt und umgekehrt: Fehlt jedes Können, dann ist dem „Künstler“ nicht zu gönnen, dass er mit dem, was ohne Wert, sein Konto füllt und sich ernährt. - Bis hierhin war’s nur theoretisch. Jetzt wird es praktisch, denn poetisch soll hier von dem die Rede sein, womit man scheidet Kunst und Schein: Fehlt einem Werk der kleinste Schimmer von Können oder - was noch schlimmer! - ist dieses Werk ein Gegenstand des Alltags, irgendwelcher Tand*, den „Künstler“ uns zur Kunst erklären, dann gilt, auch wenn wir Krösus wären, wir lassen unsre Börse zu! Ein Butterstück* wird nicht im Nu ein Kunstwerk, nur weil irgendeiner es dafür hält. Auch glaube keiner, dass nur ein bloßer Name reicht, dass Kritzelei schon Rembrandt gleicht! Ein drittes Beispiel, ziemlich übel: Ein Affe leert den Farbenkübel auf eine Leinwand, setzt sich drauf und wälzt sich drin und steht dann auf - und hat ein großes Werk geschaffen!? Ich frage mich, wer sind die Affen?: Das Tier, das hier der Pinsel war, der „Künstler“, dem ganz offenbar im Hirn die grünen Männchen laufen, die Käufer, die das Bild dann kaufen? - Wie dem auch sei, man halte fest, dass echte Kunst erkennen lässt, wenn einer sich mit Fleiß geschunden, bis er am Ende vieler Stunden das wirklich große Werk vollbracht, das uns bewegt, betroffen macht, berührt bis in die tiefsten Tiefen, Gedanken weckt, die lange schliefen, mit einem Wort: das uns ergreift ... Wenn das geschieht, ist Kunst gereift, der Ehre, Achtung auch gebühren! - Ein Wort zum Schluss: Man wird es spüren, indem man seine Seele fragt. Wenn ihr ein Kunstwerk etwas sagt, dann werden wir ihr Echo hören! Man lasse niemals sich betören von Namen, Geltung vor der Welt. Ob einer mich zum Narren hält, ist nicht an seinem Ruhm zu merken! Man sieht und spürt es an den Werken: Wenn sie uns treffen, rühren, dann geschieht, was echte Kunst nur kann! Manfred Günther * Andy Warhol, +1987 hat eine Konservendose zur Kunst erklärt, Joseph Beuys, +1986 ein Butterstück. Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 17