Moderne Kommunikation (Eine Beobachtung) Das Leben selbst schreibt oft Geschichten, unglaublicher als alles Dichten, das jemals hinter einer Stirn, von Menschen mittels Geist und Hirn durch Einfall und Idee geboren - und wär’n sie Dichter und Autoren! - Hier kommt nun gleich auf kurzem Weg für die Behauptung der Beleg; hört, was mir neulich widerfahren: Ich bin (den Ort kann ich mir sparen) auf einem Marktplatz und ich steh’ beim Eisverkauf vorm Eiscafé und muss wie viele andre warten. Mein Blick durchstreift den kleinen Garten, in dem schon Stühle aufgebaut und Tische auch mit Plastikhaut ... Die Luft noch kühl, doch ist es trocken. An einigen der Tische hocken, die ersten Gäste, die’s nicht schreckt, wenn man bei Kälte Kaltes schleckt. Zwei Rentner haben Schokobohnen auf ihren Riesen-Eisportionen. Ein Pärchen knutscht ganz ungeniert, derweil ihr Eis die Form verliert. Ein kleines Kind mit einem Kater auf seinem T-Schört nervt den Vater, indem es nicht, wie er’s bestimmt, zum Rühren seinen Löffel nimmt, vielmehr den linken Zeigerfinger. Am Nachbartisch zwei junge Dinger verschlingen ein Spaghetti-Eis. Sie schwätzen laut und kichern leis’ und drehen ihren Kopf soeben ... und schauen nach dem Tisch daneben, an den sich grade jemand setzt: Fünf Jungs, die Jacken abgewetzt, verschlissen ebenso die Hosen. Die Schuhe „adidas“ mit losen und nicht gebund’nen Senkeln dran. (Ein Anblick, der uns sagen kann: Man sucht das Individuelle!) Schon ist das Fräulein auch zur Stelle und nimmt der Jungs Bestellung auf und kehrt nur zwei Minuten drauf mit einer Lage Licher wieder. Schon fasst das Fräulein unters Mieder und holt das Portmonnai heraus - seh’n ihr die Jungs verdächtig aus? -, na jedenfalls, sie lässt sie zahlen! - Das Weitere jetzt auszumalen, ich sag’ es klar, macht wenig Spaß! - Erwartet ihr schon dies und das: Ob sich die Jungs wohl unterhalten, beim Meinungsaustausch sich entfalten? Gab’s etwa eine Schlägerei und kam dann Polizei herbei? - Nein, was geschah, noch weiß es keiner! Hier kommt es jetzt: Der Jungen einer holt lässig was ans Tageslicht: Sein Handy! Dann, man glaubt es nicht, beginnt er ohne Zeitverlieren auf dessen Tasten zu hantieren ..., schon hat er dann das Ding am Ohr. Jetzt holt der zweite was hervor ..., genau: sein Handy, er betätigt die Tastatur und dann bestätigt: „Hallo!“, Verbindung hergestellt mit irgendjemand in der Welt. Doch jetzt, fast sah man’s ja schon kommen, ist Handy drei herausgenommen, am rechten Ohr und in Gebrauch. Inzwischen ahnt der Leser auch, wohin sie wohl noch läuft, die Sache ... Die Ahnung stimmt! Darum auch mache ich die Beschreibung nicht mehr lang: Der Rest der Jungs verspürt den Drang nach Spielen an den Handyknöpfen. Dann sind sie alle an den Köpfen, die kleinen „Diener des Kontakts“: Die Nähe nicht, das Handy packt’s die Menschen sprechend zu vernetzen. - Vielleicht versteht ihr mein Entsetzen, das mich vor diesem Bild befiel? War das modernen Fortschritts Ziel und Nutzen wohl der Handy-Segnung? Ist das die menschliche Begegnung, die wärmt und uns zufrieden macht? War Kommunikation gedacht als Reden nur noch auf die Ferne? - Da sitzen Fünf, sie reden gerne, sie kennen sich und haben Zeit, doch nutzen die Gelegenheit nur dazu, wirklich „fern“ zu sprechen. Statt in der Nähe aufzubrechen, was trennend zwischen Menschen steht, ist man zusammen, kommt und geht und hat einander nicht gesprochen. - Der Leser hat es schon gerochen, hier ist ein Fazit noch zu zieh’n (ein wenig heut’ mit Moralin!): Ist das, von dem ich hier berichtet, nicht etwas, das uns wie verdichtet, Entfremdung, die ein jeder spürt, vor Augen und vor Herzen führt? Und wo denn wäre anzufangen, wenn größ’re Nähe wir verlangen, als dass wir, wo das Handy stört, es lassen, wo es hingehört: Am Gürtel! Sonderlich in Zeiten, in denen Menschen uns begleiten. Die nämlich sind es immer wert, dass man persönlich, „nah“-verkehrt mit Sprechen, aber auch mit Hören! Die Zeit, da Handys nicht mehr stören, bricht dann und wirklich dann erst an, wenn ich direkt nicht reden kann! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 01