Rücktritt Der Papst - ein Vorbild! Der Papst ist völlig ungebeten ganz unverhofft zurückgetreten und hinterlässt nun, wenn er geht, die halbe Welt, die’s nicht versteht. Wie viele sind es, die jetzt klagen! So viele ungelöste Fragen, sehr wichtig und bedeutungsvoll: Wie man den Alten grüßen soll? Muss man ihn „Papst in Ruhe“ nennen? Wird, um vom Alten klar zu trennen, der Neue „Papst im Dienst“ genannt? Noch ist auch gänzlich unbekannt, wie wohl die beiden sich begrüßen? Fällt dann der Alte dem zu Füßen, der jetzt sein früh’res Amt versieht? Und kann es sein, der Neue zieht den Alten hie und da zu Rate, der nach dem Abgang ins Private, doch „heilig“ und „unfehlbar“ bleibt? Und wenn der Alte unterschreibt, wie nennt er sich, was ist sein Titel? Wer zahlt ihm finanzielle Mittel, sofern er noch recht lange lebt? Er hat doch sicher nie geklebt! - Noch viele solcher Fragen wären, sofern man kleinlich ist, zu klären. Doch sollte man nicht kleinlich sein! Bei diesem Rücktritt zählt allein, warum ihn dieser Papst vollzogen (ich bin ihm deshalb sehr gewogen!): Er hat gesagt: „Ich kann nicht mehr! Des Amtes Bürde drückt mich schwer, ich kann es länger nicht erfüllen!“ Er scheut sich nicht, uns zu enthüllen, dass er zu schwach für dieses Amt. Wie sehen da fast allesamt die andern aus mit Macht in Händen? Oft wär’ es gut, wenn sie verschwänden, doch kleben sie am Sessel fest. In Süd und Nord, in Ost und West, sind alte Kerls an der Regierung (mit jungen Frauen als Verzierung!), die meistens nicht von selber geh’n und allem Wandel widersteh’n. Und scheint’s mal so, es ist nicht häufig, als wäre es dem gegenläufig, dass einer jung ist und nicht alt, dann ist er’s nur nach der Gestalt, dem Ausseh’n und dem Lebensalter. Im Innern alt, sind sie Verwalter von dem, was ihnen selber nützt und eigene Int’ressen schützt. Dient was dem Volk, dann ist’s verdächtig! Sie sind ideenlos, doch mächtig, sie machen Zeit zur Ewigkeit und sind zum Abtritt nicht bereit. Nie würden sie mal Schwäche zeigen. Doch endet jäh ihr Lebensreigen, steht lange schon ein andrer an: meist wiederum ein alter Mann! - Jetzt hat ein Papst, das muss man loben, sich selbst des hohen Amts enthoben und hat gesagt, ganz kurz und knapp: „Ich kann nicht mehr, ich trete ab!“ Ein Vorgang, der die Welt verwundert! Ich zweifle, dass in dem Jahrhundert in Welt und kirchlichem Gebiet, das gleiche noch einmal geschieht! Manfred Günther Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 96 Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 96