Das Christtagsessen Ann-Kathrine erzählt vom vergangenen Jahr Mir schrieb aus Gießen-Petersweiher* die Hausfrau Ann-Kathrine Meier*: „Es war genau vor einem Jahr... Ich koche gern, drum war mir klar, ich würde auch zum Christtag kochen. Ich hatte in den letzten Wochen schon manches Festtagsmahl bedacht und hätte gerne Gans gemacht, vielleicht auch Wildschwein oder Ente. Mein Mann Hans-Karl ist schon in Rente und hasst das Kochen wie die Pest. Er ist seit unserm Hochzeitsfest, es sei denn, dass ich ihn gebeten, an keinen Küchenherd getreten und wenn, nur für ein Spiegelei! Er stellt sich dusslig an dabei und so, als könne er nicht lesen. (Wobei das stets nur Schau gewesen! Denn tut mann so, als wär’ man dumm, fragt frau schon bald nicht mehr: warum macht Männe nicht mal Mittagessen?) - Ganz kurz vor Weihnacht unterdessen, befragte ich den lieben Sohn, Hans-Peter, an die dreißig schon, ob er mit Gans denn einverstanden? Doch konnte ich damit nicht landen, auch nicht mit Ente oder Schwein. ‘Es soll mal was Besond’res sein!’, so meinte er. ‘Vielleicht mal Sushi’**? Er hätte das mit Freundin Uschi schon einmal neulich ausprobiert. ‘Ich bin doch längst emanzipiert und mit der Uschi wird’s gelingen, was Tolles auf den Tisch zu bringen!’ So sagte er. Mir wurde flau! Denn eines weiß ich ganz genau: Geht’s hinterher um solche Sachen wie spülen oder Saubermachen, dann macht sich gern die Jugend rar. Ich würde, so wie’s immer war, wenn unsre Jungen heimwärts gehen, noch Stunden in der Küche stehen und Töpfe schrubben, bis sie blank, Besteck und Schüsseln... Und als Dank gäb’s sicher, eh’ sie sich verdrücken, für ihre „Mutti“, oh Entzücken!, wie jedes Jahr, da wett’ ich drauf, ‘nen Schal vom Winterschlussverkauf, natürlich saisonal verbilligt! Nun ja, ich habe eingewilligt, weil ich ja gar nicht anders kann! - Am Morgen kam Hans-Peter an und brachte Vater frohe Kunde: ‘Am Weihnachtstag zur Mittagsstunde, da koch’ ich, es wird wunderbar, mit Uschi Sushi dieses Jahr!’ - Was dann geschah? Ich konnt’ es hören (- doch ohne Lauschen, ich kann’s schwören!). Den Vater traf es wie ein Schlag: ‘Das geht nicht, denn am Weihnachtstag, so ist’s mein Plan seit vielen Wochen, da will ich Gans mit Klößen kochen, das ist für Mutti mein Geschenk!’ Darauf Hans-Peter: ‘Du, ich denk’, du kannst noch nicht mal Tee bereiten!’ Mein Mann dazu: ‘Wir woll’n nicht streiten. Die ält’ren Rechte habe ich und Gans gelingt mir sicherlich! Am Christtag gibt’s bei uns kein Sushi! Da koche ich. Sag’s deiner Uschi!’ - Der Heiligabend ging ins Land. Am Morgen dann war ich gespannt, wer wohl zuerst zur Küche ginge? Doch Sohn und Mann war’n guter Dinge und als um Zwölf noch Uschi kam, war’n beide mir dann sichtlich gram und fragten mich: ‘Wo bleibt das Essen? Hast du zu kochen denn vergessen?’ - (Die Frage war ein starkes Stück!) Wir hatten aber, welch ein Glück, noch Nudelsoße und Spaghetti. So war doch alles ganz paletti. Es hat geschmeckt, weil Pasta fast, an jeden Tag des Jahres passt.“ - Bei Meiers ging’s, man kann sich’s denken, nach den Spaghetti noch ans Schenken. Für Mutti gab’s wie jedes Mal vom Winterschlussverkauf den Schal. Manfred Günther * Eigennamen und Ortsnamen sind reimtechnisch angepasst ** japanische Speise aus erkaltetem Reis mit Zutaten wie rohem Fisch, Meeresfrüchten und Seetang Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 90