Wie man’s macht... (Teil 11) ...wenn das Gedächtnis schlechter wird Im Blick aufs Thema denke keiner, der anderen Problem sei kleiner! War’n einst die Köpfe hell und klar, so wird doch schlechter Jahr um Jahr das Sich-erinnern und das Denken. Kein noch so tiefes Sich-versenken bringt das Gedächtnis dann zurück. Da ist es doch schon fast ein Glück, dass niemand lebt, an dem dies Leiden vorbeigeht. Keiner kann’s vermeiden, dass ihm der Arzttermin entfällt und wird ihm jemand vorgestellt, ihm gleich entfleucht des Jemands Name. Auch ist’s egal, ob Herr, ob Dame, ob älter oder richtig alt. Geht’s heute noch, so kann schon bald das Hirn die Dienste uns versagen. Doch dann zu jammern und zu klagen, vergällt uns nur die Lebenszeit und wirkt nicht der Vergesslichkeit und dem Gedächtnisschwund entgegen. Statt sich darüber aufzuregen, geht Alt und Älter, Frau und Mann, die Sache lieber anders an. - Zwei Episoden aus dem Leben, woll’n hierzu Rat und Hilfe geben: Zunächst die Episode eins, „Versuch der Wahrung falschen Scheins“ bestimmt das Handeln und Verhalten: Wir seh’n den sechzig Jahre alten Hans-Dieter Fuchs aus Brauerschwend, den grüßen, den er gar nicht kennt, er weiß nur, dass vielleicht vor Jahren, sie irgendwo zusammen waren. War das im Urlaubsort am Strand, in Bangkok oder Griechenland? Traf man sich auf der Einzugsfeier der Nachbarin Liesette Meier? Wir denken’s uns, er kommt nicht drauf. So nimmt das Schicksal seinen Lauf: Der andre kann es kaum erwarten, mit einem Redeschwall zu starten: Ob sich Hans-Dieter noch besinnt auf Babs und Uwe und ihr Kind? Und dann das Ehepaar aus Gießen..., war’n die nicht witzig, ja, zum Schießen! Und wie doch auch in jenem Jahr, das Wetter wirklich herrlich war... Zu alledem, was soll er machen, sieht man Hans-Dieter nickend lachen, wobei er besser selbst nicht spricht. Denn Babs und Uwe kennt er nicht, auch nicht das Ehepaar aus Gießen. Nichts, wirklich nichts kann ihm erschließen, wer das wohl ist, der vor ihm steht. Er schweigt, denn sein Gedächtnis geht so wie ein alter Mann an Krücken. Es will und will ihm nicht mehr glücken, dass er den anderen erkennt und ihn bei seinem Namen nennt, wie’s der Begegnung angemessen. Es ist entschwunden und vergessen. Klaus-Dieters Ängste werden groß: „Was nur, was mache ich denn bloß, falls mich der Fremde fragen sollte, ob man sich nicht mal treffen wollte..., am besten noch bei ihm zu Haus?“ Wie kommt er da jetzt wieder raus und ohne klar zu offenbaren, dass Ja und Nicken Lügen waren? - Hier kommt die Episode zwei, ganz kurz nur und noch wahr dabei. Man könnte sie wohl überschreiben: „Es geht auch, wenn wir ehrlich bleiben!“ Der Fall ist ganz dem ersten gleich: Ein Fremder redet gestenreich auf einen ein (der heißt jetzt Walter und ist wohl in Klaus-Dieters Alter!). Wobei es Walter ähnlich geht: Er weiß nicht, wer da vor ihm steht. Nur er bekennt es, ohne Zaudern: „Bevor wir hier noch länger plaudern, wär’s nett, wenn du so freundlich bist, weil mein Gedächtnis träge ist, mir deinen Namen kurz zu nennen und auch, woher wir uns denn kennen!“ - Das war schon des Gedichtes Schluss, zu dem man nichts mehr sagen muss. Vielleicht noch dies, Ihr denkt wahrscheinlich: „Ist Walters Frage denn nicht peinlich? Gewiss, das, was er sagt, ist wahr! Doch macht’s dem Fremden offenbar, bei Walter ist das Hirn im Schwinden!“ - Ihr Leser mögt das peinlich finden, doch peinlicher ist allemal Klaus-Dieter Fuchsens Lügenqual! Und noch etwas: Wer kann denn sagen, ob nicht, wenn wir den „Fremden“ fragen, herauskommt, dass er nur verhehlt, dass ihm ja auch mein Name fehlt!? Manfred Günther Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 85