Gebärstation Zwei Opas wollen den Enkel sehen! Bevor die Leser wieder fragen: „Hat sich das wirklich zugetragen?“, kommt hier die Antwort, kurz und klar: Ihr lest es jetzt, so wie es war, nur wenig ist hinzu erfunden! - Frau Leni Scharrer* hat entbunden, in Lich*, ein Sohn mit Namen Tim*. Zwar Steißgeburt, doch war’s nicht schlimm, das Kind kam schnell, wie’s Mütter lieben. Das Stillen klappte, triebgetrieben. Am Abend kam dann Hans*, der Mann, sah sich den Kleinen gründlich an und meinte dann: „Der ist gelungen!“ (Man(n) kennt das ja, die eignen Jungen sind stets die schönsten von der Welt!) Nachdem die Eltern vorgestellt, geht’s mit der Eltern Väter weiter, denn schließlich war’n sie Wegbereiter für Tims Geburt...vor langer Zeit. So also ist es jetzt soweit, die beiden Opas vorzustellen: Sie sind - das gilt in beiden Fällen - im hochverdienten Ruhestand, doch noch dem Leben zugewandt; Bernhard* war Arzt, der Manfred* Pfarrer. Man denkt es sich: Die Leni Scharrer ist Manfreds Tochter. Bernhards Sohn ist Hans, wir kennen ihn ja schon. - Ich denke, dass ihr jetzt erwartet, dass endlich die Geschichte startet... Das tut sie auch: Die Opas sind im Krankenhaus und woll’n zum Kind, dem kleinen Tim, der grad geboren. Sie haben keine Zeit verloren, er ist erst zwanzig Stunden alt. Vor Zimmer sieben macht man Halt und schickt sich an, auch einzutreten... Da naht ganz plötzlich, ungebeten, die Oberschwester Herta Schrick*, ruft laut: „Die Herren, Augenblick!“ Sie hebt bedrohlich ihre Brauen. „Hier haben Eintritt nur die Frauen und Sie sind Männer, wie man sieht! Für Sie ist das hier Sperrgebiet, in das wir keine Männer lassen!“ Wir seh’n zuerst sich Bernhard fassen: „Ich bin doch Arzt, ja, Doktor gar! Da scheint es mir doch wohl nicht wahr, dass Sie mir den Besuch verwehren! Falls doch, dann muss ich mich beschweren, so was ist mir noch nie passiert!“ Der Oberschwester Blick gefriert: „Sie bleiben Mann, zumindest leiblich! Hier aber sind auch Ärzte weiblich, nur Kindesväter dürfen rein und Sie, Sie dürften keiner sein!“ Dem Bernhard, als die Schwester endet, scheint jedes weit’re Wort verschwendet. Er dreht sich, will gerade geh’n... doch Opa Manfred bleibt noch steh’n und fragt: „Darf ich wohl zu Frau Scharrer, ich bin ihr Vater und bin Pfarrer!“ Was jetzt geschieht, erstaunt uns sehr, denn Schwester Herta blockt nicht mehr. Im Gegenteil, sie scheint zu schmunzeln, kein Eisesblick, kein Stirnerunzeln. Sie lächelt Manfred an und spricht: „Für Sie als Pfarrer gilt sie nicht, die Ordnung, die hier vorgeschrieben. Das wär’ ja wohl auch übertrieben“, sie lacht, „und was nicht bleiben kann. Ein Pfarrer ist ja doch kein Mann!“ Manfred Günther * Eigennamen und Ortsnamen sind verändert! Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 83