Auf dem Flohmarkt Oma auf Klamottenjagd Herr Wilfried und Frau Gerda Schenkel*, sind Opa, Oma zweier Enkel. Elvira heißt die Enkelin, der Junge nennt sich Lukas-Finn*. Wenn Leute nach dem Alter fragen (der Enkel!) würde Wilfried sagen: „Acht Wochen ist der Enkelsohn, bald dreie ist Elvira schon!“ Ganz anders klänge, was sie sagte, wenn einer Oma Gerda fragte: „Der Lukas-Finn“, so hörten wir, ist zweiundsechzig! Hundertvier ist Klein-Elvira schon dagegen!“ - Die Leser sind am Überlegen, was Gerda damit sagen will? Schickt sie uns wohl in den April? Hat Gerda eine Schraube lose? Besteht bei ihr die Diagnose Dyskalkulie** mit Zahlenschwund? I wo, es hat nur diesen Grund: Das, was sie sagt, betrifft die Kleider und meint dazu die Größen beider, wobei die ganz gewöhnlich sind! (So ähnlich ist’s bei jedem Kind von um die drei und ab acht Wochen.) Doch ist bei Gerda ausgebrochen, was keineswegs ‘gewöhnlich’ ist: Du nennst es, wenn du höflich bist, vielleicht „gesteigerte Int’ressen an Kinderkleidung“. Oberhessen ist Oma Gerdas Suchgebiet. Ein Kindergarten-Flohmarkt zieht sie magisch an. Das Wochenende ist Jagdsaison und bringt die Wende: Die Oma wird zur Jägerin! Nach Kindersachen steht ihr Sinn, gebraucht und billig. Wär’ sie ehrlich, sie gäbe zu, sie wird begehrlich, sieht so ein Strampler aus wie neu. Auch weicht bei ihr die Fremdenscheu, erblickt sie was besonders Nettes (am liebsten etwas Violettes!), dann wird sie fast sich selber fremd. Sie feilscht und handelt ungehemmt, kennt alle großen Markennamen (daher auch den Verhandlungsrahmen!), sieht jeden Mangel, jeden Fleck (weiß insgeheim: den krieg’ ich weg!), bekommt auf diese Art und Weise nebst schönen Sachen, beste Preise und ist im Oberhessenland an jedem Flohmarktstand bekannt. - Ihr fragt, wo Opa ist inzwischen? Den sieht man nicht an Kleidertischen, der Wilfried weilt dort, wo’s anstatt Klamotten guten Kuchen hat und Waffeln, eben zubereitet... Er ist Chauffeur nur, der begleitet und hinterher die Sachen trägt. Wobei sich das aufs Rückgrat schlägt (wenn Oma jagt, dann jagt sie richtig und ihre Beute ist gewichtig!), doch hält es Opa Wilfried fit! Der nimmt die sechzig Höschen mit, die vierzig Strampler, sieben Jacken, die siebzehn Hemdchen (eins hat Macken, doch Oma näht ein Kleeblatt drauf!), er schließt den Lieferwagen auf, verstaut das Zeug und fährt’s nach Hause. Von dort, nach einer kurzen Pause, geht’s eilig zu den Eltern hin vom Enkel und der Enkelin, die sehnlich auf die Sachen warten. Wenn Oma, Opa wieder starten, geschieht, was nur der Opa weiß: Ein kleines Schildchen mit dem Preis wird aufgeklebt auf alle Sachen. Und dann, was soll man andres machen (die eig’nen Schränke platzen fast!), geht man daran, ganz ohne Hast die Kleider aus dem Haus zu tragen, belädt damit den eig’nen Wagen und fährt, dass Gerda sie nicht sieht, die Sachen südlich ins Gebiet, in dem nur andre Omas jagen! - Zum Schluss noch dies (ich muss es sagen!), ich hege lang schon den Verdacht: So wird es allgemein gemacht! Die Omas kaufen wie besessen, derweil die Opas Kuchen essen. Der Abtransport braucht einen Mann, dabei sind dann die Opas dran. Im Haus der Enkel geht es weiter, dem ersten Akt folgt hier ein zweiter: Sind neu die Sachen ausgepreist, fährt man zum Flohmarkt, wo es heißt: Die Omas kaufen wie besessen, derweil die Opas Kuchen essen. Der Abtransport braucht einen Mann, dabei sind dann die Opas dran. So läuft es manchmal viele Stunden. Ein dritter Markt ist schnell gefunden, ein vierter, fünfter, sechster auch... Ein wirklich schöner Freizeitbrauch, bei dem doch alle profitieren, und selbst die Omas nicht verlieren: Sie haben günstig eingekauft und wenn beim Tragen Opa schnauft, dann ist das gut für seine Lungen. Hauptprofiteure sind die Jungen, sie kriegen Geld durch den Verkauf. - Noch was zum Schluss: Bei diesem Lauf ist eins genial, das muss man sagen! Die Sachen werden kaum getragen, drum halten sie nicht nur für Zeit, nein, für die ganze Ewigkeit! Manfred Günther * Alle Namen sind frei erfunden! ** Dyskalkulie = Beeinträchtigung des arithmetischen Denkens Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 80 Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 80