Der neue Klingelbeutel Erfahrungen mit einem Test Am Dienstag war’s, vor vierzehn Tagen, da schrieb - er müsse mir was sagen! - ein junger Pfarrer namens Brand*, aus einem Ort im Schlitzer Land, mir einen Brief. Er sei begeistert und wisse, was die Krise meistert, die unsre Kirchgemeinden traf, weil mit der Zeit so manches Schaf sich von der Christenherde trennte. Die Lösung sei die „konsequente und optimale Steigerung“, ja, möglichst „die Verdoppelung der gottesdienstlichen Kollekte“. Dazu sei eines der Projekte vergang’nen Sonntag beim Beginn schon gleich mit riesigem Gewinn aus einem Test hervorgegangen! - Ich fasse jetzt die ziemlich langen Beschreibungen, die Brand mir schrieb, zusammen. Hier ist, was dann blieb: Herr Pfarrer Brand liebt das Moderne, die Elektronik, bastelt gerne und hat, was er sich ausgedacht, im Klingelbeutel angebracht: Ein Chip - wie auf Geburtstagskarten, die mündlich einen Glückwunsch starten - doch hört, wer hier den Beutel füllt, ein Wort, das jedem laut enthüllt, was Spender, Spenderinnen eben gerade in den Beutel geben. Ein Wiegemechanismus wiegt, was schon im Klingelbeutel liegt und prüft aufs Mikrogramm im Nu, was gibt der Spender jetzt hinzu? Dann löst ein Euro „Geizhals!“ aus! Bei fünfzig Cent tönt „Buh!“ heraus und wenn es gar nur Rote waren, dann heißt’s: „Die können Sie sich sparen!“ Dagegen hört man „Recht viel Glück!“ für Scheine und Zwei-Euro-Stück! - Es wäre, kann man weiter lesen, beim ersten Mal schon so gewesen: Der Klingelbeutel proppenvoll und das Ergebnis wirklich toll! Weil keiner, der noch spenden sollte, sich „Geizhals“ nennen lassen wollte, entnahm er schnell - es musste sein - der Börse einen kleinen Schein, ihn dann im Beutel zu verstauen. Der wünschte brav dann beim „Verdauen“ dem edlen Spender „Recht viel Glück!“. - Soweit Herr Brand. Wir geh’n zurück zur Gegenwart und diesen Tagen. Der Leser wird nun sicher fragen, wie’s weiterging mit diesem Test? Hielt die Gemeinde daran fest, den neuen Beutel zu verwenden? - Ich halte jetzt in meinen Händen, den zweiten Brief von Pfarrer Brand. Er schreibt: „Der Start war fulminant, doch ist der Test nach nur zwei Wochen, für alle Zeiten abgebrochen! Ein Beutel, der auch sprechen kann, kommt scheinbar nicht bei jedem an. Zwar ließ der erste Sonntag hoffen, der zweite machte dann betroffen: Es kamen keine Leute mehr, drum blieb der Klingelbeutel leer.“ - Zum Schluss: Was will die Sache lehren? Kann Zwang und Druck Kollekten mehren? Hier spricht für sich der Testbericht: Wer sich bedrängt fühlt, spendet nicht! Viel besser wär‘ es, wenn die Frommen, „verdoppelt“ in die Kirche kommen, dann würde nebenbei auch leicht die Spendensteigerung erreicht! Manfred Günther * Der Pfarrer aus dem Schlitzer Land, heißt nur des Reimes wegen „Brand“! Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 75 Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 75