Bei Bauer Franz Die Fabel von den zwei Hähnen Die Verse heute sind zwar kritisch, doch keinesfalls parteipolitisch, vielmehr, ob Schwarze, Rote, Gelbe... selbst bei den Grünen ist’s dasselbe! Auch steh’n Parteien nicht alleine, betroffen sind auch die Vereine: Sei’s Hasenzucht, sei’s Chorgesang... Gib einem Macht, so währt’s nicht lang, dann zeigt als „Boss“ er ein Verhalten, so wie die Oberaffen walten im Urwald oder auch im Zoo. Und schließlich gibt’s noch anderswo die gleichen Macht- und Starallüren: Ob sie den Kirchenvorstand führen, ein Unternehmen, ein Hotel... ihr Stil ist wenig or’ginell. Wie sie regieren, führ’n und leiten, erinnert sehr an früh’re Zeiten, mir fällt dazu die Steinzeit ein. - Doch will ich jetzt ganz deutlich sein, ein Tier mit Federn, Kamm und Schnabel, hilft mir dabei. Hört eine Fabel: Wir steh’n bei Bauer Franz und schau’n zu seinen Hühnern übern Zaun. Zwei Hähne sind’s die dort regieren. Den ersten sehen wir stolzieren, den Kopf erhoben, Brust geschwellt, wir spür’n, dass er sich selbst gefällt. Um ihn herum ist ein Gedränge. Zehn Hühner kratzen in der Enge des Raumes, den der Hahn bestimmt. Wenn sich ein Huhn die Freiheit nimmt, des Hahnes Nähe zu verlassen, dann kriegt’s der Hahn am Kamm zu fassen und zaust das Huhn und zwickt und zwackt, dann dreht er sich herum und hackt noch auf es ein mit seinen Sporen. Schnell hat das Huhn den Schneid verloren und kehrt zurück in Reih und Glied in „seines“ Hahnes Staatsgebiet, um dort das brave Huhn zu geben. Doch ist’s fürwahr kein gutes Leben. Und wenn die Bäu’rin Futter bringt, versucht der Hahn, wie’s ihm gelingt, die größten Brocken zu verschlingen. Man denkt sich’s schon: Die Hühner bringen beim Eierlegen nicht sehr viel! Zwar ist der Hahn als „Mann“ agil, doch muss, wer legen soll, auch fressen. - Der zweite Hahn lebt unterdessen, mit seinen Hühnern nebenan. Er sorgt für sie, so gut er kann und weiß, dass sie die Freiheit lieben. Ihm liegt, fast scheint es übertrieben, daran, dass jedes glücklich ist, genügend trinkt, genügend frisst und Raum hat, selbst sich zu entfalten, ein Hühnerleben zu gestalten, an dem es Freude hat und Lust. Wär’n einem Huhn die Eier Frust, sodass es lieber Würfel legte, wär’s nichts, was diesen Hahn erregte, er kennt kein Meinungsmonopol, ihm geht’s um seiner Hühner Wohl, er lässt sie geh’n auf eig’nen Wegen. In seinem Stall herrscht Eiersegen, die Hennen legen im Akkord, tagein, tagaus in einem fort und mögen sich nicht mal bequemen, am Sonntag legefrei zu nehmen, das ist in Bauer Franzens Sinn und freut auch seine Bäuerin. - Soweit die Fabel von den Hähnen. Zwei Dinge will ich noch erwähnen: Die „Hähne“, die wie Bosse tun, sind manchesmal wohl auch ein „Huhn“, doch ist das - zugegeben! - selten. - Bevor wir nun die Hähne schelten, sei eines hier noch klargestellt: Es gibt in der modernen Welt solch Bosse auch bei andren Tieren, bei Hirschen etwa und bei Stieren, beim Erpel und dem Pavian, der Chef sein will im Affenclan. Sagt einer: „Die sind halt wie Tiere!“, ist das ein Satz, den ich kapiere, „wie Tiere“ ist auch meine Sicht, denn menschlich, menschlich sind sie nicht! Manfred Günther Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 68