Graue Haare Was ist zu tun? Mir schreibt Franz K. aus Mittelseemen*, er suche Rat bei Haarproblemen. Nichts wär’ mehr so, wie’s immer war: Er fand das erste graue Haar gleich oberhalb der linken Schläfe. Weil dies sonst Ält’re nur beträfe (knapp sechsundzwanzig ist der Mann!), dacht’ er an mich und frage an, wie zu ergrauen er verhindert, beziehungsweise so vermindert, dass niemand es so bald entdeckt. Die Frage hieße: Wie versteckt ein Mann gekonnt den grauen Schädel? Er hätte nämlich da ein Mädel, in das er neulich sich verschaut. Er fürchte, wenn er jetzt ergraut, sie könnte ihm den Laufpass geben! Wer will mit einem „Grauen“ leben? - zumal sie doch erst achtzehn ist! Er bitte mich in kurzer Frist um Tipps und Räte, ihm zu raten. Er sei bereit zu allen Taten, sofern sie wirklich wirksam sind. Er traue meinem Ratschlag blind, weil er von mir ein Bild gesehen, auf dem im Wind die Haar wehen und alle wären saftig braun, voll Glanz und herrlich anzuschau’n und das im fortgeschritt’nen Alter! (O weh, mich traf ein Schreck, ein kalter: Er hat im Internet geschaut! Dort sieht man mich - noch nicht ergraut - recht flott auf einer Vespa fahren... Jedoch, das war vor vierzig Jahren!) Bevor ich das nun lang erklärt, schrieb ich Franz K., was sich bewährt, wenn Haare langsam sich entfärben: „Als erstes will ich dafür werben, Herr K., man rege sich nicht auf! Ergrauen lässt sich im Verlauf zwar nur verzögern, nicht vermeiden, doch gibt es Tipps, die dieses Leiden gut bremsen und uns manches Jahr der Farbe schenken für das Haar, bis irgendwann, doch sehr viel später (oft erst als Groß- und Urgroßväter!) der Kopf ja eh sein Haar verliert und uns die nackte Platte ziert! Hier kommt, was ich Betroff’nen rate: Tipp eins ist eine leicht rabiate, doch immer sehr bewährte Art (lang schon erprobt bei Damenbart und bei Befall mit Läusenissen**): Das graue Haar wird ausgerissen! Das freilich geht nur eine Zeit, dann ist es irgendwann soweit: Statt Haare reißen, Schmerz und Tränen greift nun der zweite Tipp: die Strähnen! Dafür macht mann im Eigenbau, wer eine hat, dem hilft die Frau, ein Ding, vergleichbar einer Kappe mit Löchern drin und Ohrenklappe, damit man seine Lauscher schützt. Die Löcher werden nun benützt, um je ein Büschel Haar zu ziehen. Ist’s überall soweit gediehen, dann sieht, man mache sich nichts draus, ein alter Mopp noch besser aus, doch ist’s für die Behandlung wichtig! Jetzt färbt man grau - ja, grau ist richtig! - die Büschel - nur die Büschel! - ein. Am Ende dann entsteht der Schein, das Grau wär’ eig’ner Wunsch und Wille, denn nicht einmal die Lesebrille erkennt jetzt noch den Grund der List. Tipp drei, der wohl der beste ist, kommt hier zuletzt. Er hilft in Zeiten, da sich die Zwischenräume weiten auf unserm Kopf von Haar zu Haar. Wird überdies noch offenbar, dass sich im Schopf das Grau verbreitet, wird der Rasierer vorbereitet, der dann, wobei man Schaum benutzt, das ganze Haar zur Glatze stutzt. Jetzt sieht kein Mensch mehr auf der Platte, dass man schon graue Haare hatte und Haarausfall, wen schreckt er nicht, verliert an Drohung und Gewicht und außerdem erspart Rasieren Frisöre, Kämme, Shampoonieren...“ Soweit, mein Ratschlag für Herrn K.. Noch ist kein Antwortschreiben da, doch schrieb ich erst vor sechzehn Wochen! Ist die Beziehung wohl zerbrochen? Sah sie nun doch das graue Haar? Ob sie dann wohl die rechte war, mit ihren grade achtzehn Jahren? - Nun, jedenfalls mit grauen Haaren (besonders trägt man einen Hut) lebt sich’s, ich schwör’s, genauso gut! Manfred Günther * Eigen- und Ortsnamen verändert ** Nissen = Eiform der Kopfläuse Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 52