Advent 3 Suche nach dem Kern Von selbst erhebt sich doch die Frage nach Ursprung, Sinn und Zweck der Tage, die jeder, seit er Kind war, kennt: die milden Tage im Advent, mit ihrem Glanz von Licht und Kerzen und ihrer Wärme für die Herzen... So hab’ ich einmal rumgefragt, dass Hinz und Kunz mir offen sagt, was denn für ihn die Mitte wäre, der tiefste Grund der Atmosphäre, die jedermann im Innern spürt und die so zart die Seele rührt? - Karl-Friedrich R. aus Rinderbügen* besinnt sich kurz: „Mein Hauptvergnügen ist wohl das Bäumchen vor dem Haus, das macht mir die Adventszeit aus! Wenn abends seine Lichter strahlen, und alles rings mit Glanz bemalen, zieht Freude, Glück und Frieden ein.“ - Matthilde F. aus Weickartshain dagegen meint: „Schon im September freu’ ich mich riesig auf Dezember! Dann endlich, endlich ist’s soweit: Advent ist für mich Plätzchenzeit, Ich backe nämlich gar zu gerne! Makronen, Kipferl, Mandelsterne und Spritzgebäck mit Schokoguss sowie aus Wal- und Haselnuss die Taler, die so köstlich munden. Advent - das sind für mich die Stunden mit Rumaroma, Plätzchenduft und dem von Nelken in der Luft.“ - Das meint der Lutz aus Kilianstädten: „Ach, wenn wir das doch länger hätten, und wirklich überall im Land: Den Weihnachtsmarkt mit Glühweinstand! Ich muss es nämlich frei bekennen, man kann mich einen Junkie** nennen, ich hänge an dem roten Trank! An Tagen ohne, bin ich krank und fühl’ mich so, als müsst’ ich sterben. Mir würde man Advent verderben, gäb’s diese Glühweinzeit nicht mehr!“ - Jetzt spricht die Twiggy, bitte sehr, ein junges Ding aus Odenhausen: „Was soll’n denn diese Glühweinflausen, der Quatsch um Bäumchen und Gebäck? Der Zeit auf Weihnacht höchster Zweck und das, woran ich ständig denke, ist Weihnachtsgeld für die Geschenke, die man sich gerne selber macht! Drum zieh’ ich bis zur Heil’gen Nacht am liebsten täglich durch die schicken Geschäfte, Läden und Boutiquen.“ - Hier kommt nun noch ein fünfter dran: Heinz B., ein ält’rer Mann aus Tann, ein Ort, der in der Rhön gelegen: „Die Zeit bis Weihnacht ist ein Segen und müsste, gäb’ es sie noch nicht, verordnet werden per Gericht... vielleicht als ‘Körperaufbau-Wochen’? Ist der Advent erst angebrochen, erlaubt mir meine liebe Frau, warum, das weiß ich nicht genau, sonst streng Verbotenes zu essen: Wie Eisbein schmeckt, fast schon vergessen, jetzt darf ich - und es schmeckt so toll! Auch Gänsefett, wie wundervoll, gibt’s jetzt zum Brot, sogar mit Grieben! Noch anderes, was Männer lieben, zum Beispiel Weihnachtsbock ganz frisch, steht neben Nüssen auf dem Tisch. Und immer hör’ ich Frauchen sagen: ‘Du darfst - bis zu den Feiertagen! - dann machen wir ‘ne Hungerkur!’ (Doch blieb das stets ein Vorsatz nur!) Für mich, das ist nicht zu bestreiten, sind kulinarisch diese Zeiten bis hin zur Weihnacht wunderbar!“ - Am Schluss ist eines hier ganz klar: Advent wird noch bei Jungen, Alten in Ehren hoch- und eingehalten. Nur frag’ ich mich und frage Sie: War’s früh’r nicht anders irgendwie? Besinnlicher und voll Erwarten, ganz ohne Lichterbaum im Garten und ohne Glühwein, Völlerei... Auch Weihnachtsgeld gab’s nicht dabei und Plätzchen kaum in solchen Massen. Das alles will so recht nicht passen! Dient der Advent nur unserm Spaß? Ist da denn nicht auch sonst noch was? Manfred Günther * Eigen- und Ortsnamen sind geändert - nicht aber die Antworten! ** Junkie = ein von Drogen und Suchtmitteln Abhängiger Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 50