Guste wütend Es ist beim letzten Mal gewesen, da gab’s hier ein Gedicht zu lesen, das „Klage alter Männer“ hieß und wie ich meine, klar bewies: Es gibt viel Anlass für Beschwerden, wenn Männer erst die sechzig werden! Und sind sie einundsechzig gar, dann wird es deutlich offenbar: Nicht sie (!), die Frau ist dann verwandelt und Männe wird nicht gut behandelt, nicht jedenfalls, wie frau es soll: lieb, freundlich und verständnisvoll! Von einer „Guste“ war die Rede, doch stand ihr Name klar für jede, so wie für jeden Mann ihr „Fritz“! Nun kam ein Brief (es ist kein Witz!), von einer Frau, auch sie heißt Guste. Sie schreibt, dass sie sich setzen musste, nachdem sie neulich mein Gedicht gelesen hat, denn meine Sicht von alten Männern und den Frauen, wär’ sicher nicht nur ihr ein Grauen, sie wäre wütend und verletzt und fühle sich herabgesetzt! Ich solle drum an dieser Stelle, nicht nebenbei und auf die Schnelle, mal schreiben, wie es wirklich ist, wenn du von „Fritz“ die Gattin bist, denn darin wäre sie seit Jahren fast bis zum Überdruss erfahren! Lest also hier, was sie mir schrieb: „Was mir von meinem Heiner blieb, wenn ich die früh’re Zeit bedenke, das sind die Knochen und Gelenke, die ständig schmerzen, wie er sagt. Doch ist’s nicht so, wie er’s beklagt! Er will Bewegung nur vermeiden. Denn Tanzen kann er gar nicht leiden Spazieren, Wandern sind ihm Last, ja, jeder Schritt ist ihm verhasst, genauso wie das Schwimmengehen. Das, was er mag, ist fernzusehen, die Sportschau, Wetten dass..? und so. Und manchmal bin ich ja schon froh, wenn er die morsch geword’nen Glieder auch nur bewegt, um hin und wieder mal für ein Licher aufzusteh’n! Da kann er dann fünf Meter geh’n und wenn er meint, es sieht ihn keiner, geht er auch ziemlich flott, mein Heiner. Auch sieht den Schmerz ihm niemand an, wenn er gefallen will - als Mann! So dauert’s höchstens drei Sekunden vom kranken Knacker zum gesunden und nichts hält ihn im Hause drin, sieht er die junge Nachbarin in ihrem Hof den Müll entsorgen, das tut sie gegen neun am Morgen. Und immer, tritt sie aus dem Haus, geht auch mein lieber Mann hinaus mit unserm Müll in seiner Linken (die Rechte braucht er, um zu winken), er wirkt ganz frisch, der Bauch gestrafft, wie einst im Mai so voller Kraft. Auch lässt er, um sie zu betören, ein lautes „Guten Morgen“ hören, sie gibt’s, für ihn das größte Glück, dann sanft allmorgendlich zurück... Doch kaum ist sie im Haus verschwunden, dann dauert’s wieder nur Sekunden bis Heiner neuerlich erschlafft. - Hier noch ein Wort zur „Geisteskraft“ die neulich Gustes Fritz beschworen: ‘Ein klüg’rer Mensch wär’ nie geboren, sympathisch wär’ er, ein Genie, energisch, voller Phantasie, in seinem Herzen jung geblieben...’ Mein Mann ist damit nicht beschrieben! Doch wenn er’s wäre, wär’s ein Traum! Mein Heiner aber redet kaum und wenn, dann ist es nicht persönlich. Auf jeden Vorschlag kommt gewöhnlich zuerst ein ‘Nein, hab’ keine Lust!’. Auf Dauer schafft das Zorn und Frust und so wie mir geht’s vielen Frauen! Doch nützt’s nichts, auf den Tisch zu hauen, wenn jede Einsicht „Fritzens“ fehlt! Wie wär’ das schön, wenn wie beseelt, sich die Beziehung neu belebte! Wenn er mit mir beim Tanzen schwebte, mit mir, ich bin doch seine Frau, auch wieder redet, statt TV. Wie wär’ das schön, mit ihm zu wandern, und wenn er mir, statt einer andern, den schönen Gruß am Morgen schenkte! Ich glaube fest daran, das renkte bei uns so manches wieder ein und Freude macht es obendrein! Das war’s, was ich mal sagen musste. - Soweit die Frau mit Namen Guste. Nun fragt man sich als ält’rer Mann, ist an den Worten etwas dran? Wie soll man, bitte, reagieren? Mit Schulterzucken, Ignorieren, mit Ärger gar und mit Verachtung? Lohnt sich genauere Betrachtung? - Ich denke, man probiert’s mal aus, und findet’s für sich selbst heraus. Manfred Günther Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 47