Im Kaufhaus Ich hab’, das war vor zwei, drei Wochen, mit Friedrich Kurz aus Langd* gesprochen. Bei Karstadt, Gießen, zweiter Stock. Frau Kurz steht grad im langen Rock vorm Spiegel, nah bei den Kabinen, die uns beim Anprobieren dienen und fragt den Friedrich, ihren Mann, ob der ihr nicht mal raten kann: „Rock ‘elf’ und ‘zwölf’, das sind die beiden! Doch kann ich mich noch nicht entscheiden, ob nicht doch ‘zehn’ der rechte wär’! Auch ‘fünf’ war gut, doch ordinär und zwickte etwas um die Mitte.“ Nun sagt der Friedrich: „Martha, bitte, nimm doch die ‘zehn’ und lass uns geh’n, ich kann schon langsam nicht mehr steh’n!“ „Dann setz’ dich doch! Dort stehen Stühle! Ich suche weiter, denn ich fühle, ich bin ganz nah am rechten Kauf, da wär’s doch blöd, ich gäbe auf!“ So spricht sie. Friedrich unterdessen setzt sich, wo ich schon lang gesessen, gleich neben mich und es entspinnt sich ein Gespräch, das er beginnt: „Sie sind wohl auch nur ein Begleiter?“ Als ich bejahe, spricht er weiter: „Ein Kaufhaus ist für Frauen nur, für Männer aber Horror pur! Wir leiden schlimme Seelenqualen und müssen schließlich auch noch zahlen. Dabei wär’ doch so schnell und leicht auch für uns Männer was erreicht!“ Ich horche auf, hab’ angebissen! Wie das denn ginge, will ich wissen. „Nun“, meint der Friedrich, „erst einmal, in jedem Stockwerk ein Lokal! Da mögen beim Klamotten wählen, die Frauen gern sich lange quälen, statt mitzuleiden säßen wir beim Wirt bei Currywurst und Bier! Der zweite Punkt: Weg mit der Trennung nach der Abteilung und Benennung in ‘Damen-’ und in ‘Herrn-Bereich’. In jedem Stock ist eines gleich: Rechts was für Männer, links für Frauen! Sie kann nach einem Hütchen schauen, derweil ihr Mann nach Schrauben sieht. Und wenn es sie zu Kleidern zieht, geht er noch zu den Bohrmaschinen. Im zweiten Stock gibt’s links Gardinen und rechts, jawohl, auch das muss sein!, kauft er sich was fürs Auto ein, vielleicht fürs Heck die Flatterbänder? Vielleicht am Autokartenständer, die Straßenkarte ‘Florida’. In jedem Stock bleibt man sich nah, hat Sichtkontakt und kann doch Sachen im eigenen Int’resse machen. Und dauert’s bei der Frau zu lang, dann ist es nur ein kurzer Gang zum nächsten Wirt und seinem Tresen! Dort kann man trinken, Kicker** lesen, isst Pommes ‘Majo’, macht mal blau... Dann ist sie fertig, deine Frau, um in den dritten Stock zu gehen. Wo rechts die Automaten stehen, gibt’s Flipper, Glücks- und Billiardspiel. Links ist das Frauendomizil für Make-up, Nägel und Massage, für Haare, Haut und Lymphdrainage und Wellness für die Traumfigur, nebst Styling für die Haarfrisur. Hier können Frauen lang verweilen und Männer müssen sich nicht eilen: Sie flippern, spielen Tischfußball, probier’n beim Pool*** den rechten Drall und haben schnell für zwei, drei Stunden Spaß und Beschäftigung gefunden. Doch freut sich jeder schon darauf: bald geht’s zum vierten Stock hinauf, dem Höhepunkt ganz ohne Frage, der Krönung aller Einkaufstage, der Gipfelpunkt, das sei betont, für den sich jedes Warten lohnt...“ - Jetzt ruft Frau Kurz von den Kabinen, die uns zum Anprobieren dienen, nach ihrem Mann - der plötzlich schweigt. Er scheint durchaus nicht mehr geneigt, die Traumbeschreibung zu beenden. Schon steht sie, einen Rock in Händen, vor ihrem Mann: „Es ist Rock ‘zehn’! Was hast du’s gut, ich musste steh’n, du konntest hier gemütlich sitzen und hattest Zeit - ich musste schwitzen. Nunja, ich hab’s schon oft gedacht: Ein Kaufhaus ist für euch gemacht, ihr Männer könnt’ hier friedlich rasten, wir Frauen müssen hetzen, hasten, sind zwar begleitet - doch allein!“ - Das soll’s für heut’ gewesen sein, mir fällt nichts ein, dazu zu sagen. Ich denke mir, mann wird noch fragen, wie’s weiterging in Friedrichs Traum? Wie sieht er aus, der schöne Raum, wie ist der vierte Stock gestaltet? Herr Kurz hat’s weiter nicht entfaltet! Kaum kam die Frau - verstummte er. Sie nahm das Wort - er sprach nicht mehr! Manfred Günther * Langd = Stadtteil von Hungen ** Kicker = Fußballzeitschrift *** Pool = Variante des Billardspiels Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 37 Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 37