Wie man’s macht... (Tipp 1) ...dass man im Feinschmeckerlokal satt wird Im Abstand von so drei, vier Wochen wird hier verdichtet und besprochen, was Karl und Frieda, Ruth und Fritz und andere mit Mutterwitz, mit Pfiffigkeit und Geistesgaben und etwas Mut gedeichselt haben, auch wenn erst, wen sie auch gefragt, „da kann man halt nichts machen!“ sagt. Ihr werdet seh’n, wie Sachen gehen, sofern wir richtig daran drehen, mit andern Worten: Wie man’s macht, dass Dinge laufen wie gedacht, nach unserm Wunsch, so wie sie sollen. - Tipp 1, den wir besprechen wollen, beschrieb mir Karl am Telefon: „Ich bin“, so sagt er, „lange schon auf gutes Essen wie versessen und habe indisch schon gegessen, auch griechisch und hab’ das probiert, wovor ein Deutscher sich sonst ziert, womit ich Kost aus China meine. Doch will ich das besonders Feine, dann geh’ ich stets ins ‘Chez Nicole’*, dort sind die Tische immer voll, drum muss man vorher reservieren. Doch ist’s für die, die dort dinieren, Genuss und Gaumenfreude pur! Das einzige, was stört, ist nur: Die Essportionen sind nicht eben sehr groß und müsst’ man davon leben, dann wär’ man nach drei Tagen tot. So also hieß hier das Gebot der Stunde: wie den Wirt zu zwingen, dem Gast das Doppelte zu bringen, dass der zufrieden ist und statt Kohldampf zu schieben richtig satt. Der Tipp, hier Bess’rung zu verbuchen, ist meist am Ziel nach drei Besuchen: Wenn einer fragt beim ersten Mal, ob’s gut war, ruft man durchs Lokal: ‘Ja, der Geschmack war ganz erlesen, nur leider viel zu kurz gewesen!’ Ein Hinweis, der jedoch nicht reicht. Beim nächsten Mal - wir steigern leicht - gilt’s deutlich - während wir noch speisen - auf die Portionen hinzuweisen und dass die viel zu winzig sind: ‘Herr Ober, wo ist denn das Kind, für das sie diesen Teller brachten?’ Und wieder muss man darauf achten, so laut zu sprechen, dass man’s hört und rings die Tischgespräche stört - nur so erreicht man aller Ohren und lässt die andern auch rumoren. Das dritte Mal setzt dann den Schluss, nach dem der Wirt sich fügen muss: Man sagt ganz laut schon beim Betreten des Restaurants: ‘Wir wollen beten, dass unser Essen nicht nur schmeckt, vielmehr den Teller ganz bedeckt, sodass uns in den nächsten Tagen nicht wieder Fressattacken plagen und unser Magen weiter schrumpft.’ Kein Gastwirt ist so abgestumpft, nicht endlich jetzt zu reagieren. Er wird uns künftig das servieren, was doppelt, dreifach dem entspricht, womit wir früher leider nicht gesättigt und zufrieden waren.“ Soweit der Karl. So zu verfahren wie er, geb’ heut’ auch ich euch mit. Viel Glück! - und guten Appetit! Manfred Günther * „Chez Nicole“ = „Bei Nicole“ - erfundener Name eines Feinschmeckerlokals Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 32