Rache stinkt - Teil 2 Protokoll einer Trennung Hier ist Teil zwei. Um anzufangen, dient der Begriff „Gardinenstangen“: Sie war’n von Ruth mit Shrimps gefüllt, danach vom Vorhang gut verhüllt, sodass dem Blick auf die Gardinen sie harmlos und normal erschienen und nichts ihr Inneres verriet. Nach drei, vier Tagen aber zieht ein scharfer Duft durch alle Zimmer und lässt nicht nach, wird schlimm und schlimmer und wächst sich bald zur Plage aus: Gestank erfüllt das ganze Haus und macht beim Sitzen, Gehen, Liegen es fast unmöglich Luft zu kriegen, was Franz’ und Gabis Stimmung drückt. Schon werden Schränke abgerückt, auch unterm Bett auf allen Vieren schaut Gabi aus nach toten Tieren, denn wie ein Hauch aus Leichengruft und nach Verwesung riecht die Luft - doch nichts, rein gar nichts wird gefunden! Danach - der Aufwand: vierzig Stunden! - wird jeder Teppich abgesaugt, der Dielenboden abgelaugt, und dann für Tage nicht betreten. Jetzt werden Lampen und Tapeten geprüft, ob nicht ein Riss sich zeigt, dem jener Pestgeruch entsteigt, jedoch auch dort ist nichts zu finden. Dann geh’n die zwei mit Augenbinden wie Blinde nur der Nase nach vom Keller bis zum Schlafgemach, um alles, wie ein Schwein nach Trüffeln nach Leichenteilen durchzuschnüffeln - doch löst das nicht den Rätselfall: Der Duft ist stark - und überall! - Inzwischen sind, das muss man sagen, soziale Folgen zu beklagen: Es stockt der Publikumsverkehr, denn Gäste kommen längst nicht mehr. Und will man selber wen besuchen, ist wenig Freude zu verbuchen: Man wimmelt Franz und Gabi knapp, doch deutlich an der Türe ab, um dann, wie bei verschwitzten Strümpfen, die Nasenflügel noch zu rümpfen, ein Zeichen, dass der Aasgeruch, als trügen sie ein Leichentuch, schon längst an ihren Kleidern haftet. - Man fragt sich schon, wer das verkraftet: Ein Leben, so als wär’ man tot? Und wirklich: Gabi scheint bedroht, dem nackten Wahnsinn zu verfallen! Ihr Blick ist starr. Die Lippen lallen! Den Kopf bewegt sie wie ein Huhn. Doch weiß auch Franz nicht, was zu tun. Da kommt, o welche Gunst der Stunde, per Telefon als frohe Kunde von Ruth, der Frau, die er verließ, die Rettung, denn sie fragt ihn dies: „Mein lieber Franz, ich will nicht stören, doch möcht’ ich eines von dir hören, ob du in absehbarer Zeit dein Haus verkaufst? Ich wär’ bereit in kurzer Frist dort einzuziehen? Das Geld dazu ist schnell geliehen. Ich hörte nämlich über dich, die neue Frau beschwerte sich und wolle dort nicht länger bleiben.“ Wie soll man Franzens Glück beschreiben? Wie freundlich kann das Schicksal sein! Er willigt schnell und gerne ein, verspricht, schon gleich am nächsten Morgen die Unterlagen zu besorgen ... Dann trifft man sich am Nachmittag. Man einigt sich im Kaufvertrag, den Kaufpreis stark zu reduzieren. Ruth hat dafür zu akzeptieren, dass Franz, weil’s Gabi so gefällt, das ganze Mobiliar erhält - vom Eichenschrank bis zur Gardine! Ruth willigt ein mit ernster Miene, die nichts verrät, doch viel verschweigt. Als sich der Tag zum Abend neigt, wird alles beim Notar besprochen. (Auch dass sich Ruth die nächsten Wochen in Franzens Haus nicht sehen lässt!) Die Unterschriften machen fest, was alles Ruth und Franz beschlossen. Voll Freude wird der Kauf begossen, man ist zufrieden - beiderseits! - Nach vierzehn Tagen kommt bereits der Spediteur mit seinen Leuten. Franz steht vorm Haus. Nicht schwer zu deuten ist, was er fühlt: O welch ein Glück! Die Packer holen Stück um Stück, ums in den Wagen dann zu heben. Wie freut er sich! Ein neues Leben im neuen Haus erwartet ihn! Man wird in eine Bleibe zieh’n, die sauber ist und schön und luftig, so wie der Frühling, frisch und duftig vor allem aber, Ruth sei Dank, frei von dem schrecklichen Gestank! Jetzt kommen Packer, die was tragen, es sind Gardinen und sie fragen, wie das denn mit den Stangen wär’? Es sei ja eigentlich nicht fair die Stangen, die doch hier nur passen, nicht hier auch an der Wand zu lassen! „Was also soll damit gescheh’n? “ - (Der Franz denkt nach. Man meint zu seh’n, was seine grauen Zellen denken: Warum soll ich der Ruth was schenken, sie macht beim Haus den bess’ren Schnitt!) „Es gehen auch die Stangen mit!“ Manfred Günther Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 24