Zwei Veilchen Kein Frühlingsgedicht Bei Aldi neulich gab’s ein Treffen: Der Müller, Fritz mit Meyers Steffen, zwei Männer aus dem selben Ort. Man grüßt und Steffen sieht sofort, der Fritz trägt eine dunkle Brille. Was ist ihr Sinn? Der Fritz bleibt stille, nimmt nur die Brille vom Gesicht. Jetzt unbedeckt und ganz im Licht, zeigt sich der Grund für die Verkleidung: Die Brille diente der Vermeidung, dass jeder gleich die Augen sieht. Die nämlich sind bis ins Gebiet der Brauen dunkelblau gehauen und wirklich schrecklich anzuschauen: Vom Nasenrücken scharf getrennt, zwei Kreise, die man „Veilchen“ nennt. Doch warum zwei? Das muss man fragen! Und Steffen fragt: „Kannst du mir sagen, wer dir die blauen Augen hieb und warum’s nicht bei einem blieb?” Der Fritz - man spürt sein Widerstreben - beginnt: „Ich will dir Antwort geben! Bei Horten war’s, beim Kleiderkauf. Ich ging zum zweiten Stock hinauf und war dabei nicht ganz alleine; zwei Stufen vor mir lief noch eine, ein blondes Ding im kurzen Rock. Wir war’n schon fast im zweiten Stock, da fiel mein Blick - nicht dass ich’s wollte! - dorthin, wo man nicht blicken sollte: auf der Blondine Hinterbau! Und dort, ich sah es ganz genau, war eine von des Rockes Falten vom Po geklemmt und festgehalten, was so ganz sicher nicht gehört und irgendwie den Anblick stört und jeder denkt, hier musst du handeln! Beileibe nicht, um anzubandeln zog ich die Falte rasch heraus ... Das war der Grund des ersten Blaus am linken Auge. Die Blondine schlug kräftig zu mit Zornesmiene und nahm dann ihren Treppenlauf zum dritten Stockwerk wieder auf und ich verfolgte ihre Schritte.” Jetzt fragt der Steffen wieder: „Bitte, erklär’ mir, was ich nicht versteh’: dass ich zwei blaue Augen seh’, wenn sie nur einmal zugeschlagen? Was hat sich weiter zugetragen?“ Der Fritz, es fällt ihm sichtlich schwer, fährt fort: „Ich weiß es selbst nicht mehr, warum ich tat, was dann geschehen: Nun, jedenfalls beim Weitergehen fiel wiederum - ich schwör’s: nur so! - mein Blick auf der Blondine Po, wo jetzt die Falte nicht mehr klemmte und nichts den Faltenfall mehr hemmte. Da kam mir plötzlich in den Sinn: Vielleicht ist, wie es war vorhin, der Mode letzter Schrei gewesen? Ein Trick der Frau, dazu erlesen, dass er, weil’s Männern gut gefällt, ihr Auge fest auf Stellen hält, die Männern leicht die Ruhe rauben. Wie nur, wie konnte ich denn glauben, der Blonden wäre aus Verseh’n dies Kleidungs-Missgeschick gescheh’n, war meine Blödheit nicht zum Lachen? - So hab’ ich, alles gut zu machen, die Falte dann mit Klemmeffekt an ihren alten Platz gesteckt ... So ist das zweite Blau entstanden, wobei mir fast die Sinne schwanden, so heftig schlug es bei mir ein! Da wollte ich mal freundlich sein, um dann nur Schläge zu bekommen! - Ich hab’ mir eines vorgenommen: Ich fahr’ beim nächsten Kleiderkauf bei Horten mit dem Lift hinauf!” Manfred Günther Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 20