Der Beipackzettel Schon den zu lesen, hilft! Dem Waldemar ist nicht zum Lachen, weil Schmerzen ihm Beschwerden machen. Es drückt und zwickt im Oberbauch und links vom Nabel zwackt es auch. Ein starker Druck sitzt auf den Nieren, der Darm, der Magen rebellieren durch Winde und durch Unwohlsein ... Dem Waldemar fällt eins nur ein: „Ich muss den Apotheker fragen, vielleicht kann der ein Mittel sagen, das von Beschwerden mich befreit.“ - Man sieht ihn nach nur kurzer Zeit (wer Schmerzen hat, mag nicht verweilen!) zum Apotheker Boll enteilen, der Waldemar schon lange kennt, damit der ihm ein Mittel nennt, den Druck, das Zwick und Zwack zu lindern und weit’re Schmerzen zu verhindern. - Jetzt tritt bei Apotheker Boll er ein. Dort ist es ziemlich voll und schwierig auch vor allen Dingen, zum Apotheker vorzudringen, der nämlich ist heut’ nicht zu seh’n. Soll Waldemar nun wieder geh’n ... mit Schmerzen - aber ohne Mittel? Ein Fräulein naht im weißen Kittel, grüßt Waldemar und fragt ihn nun: „Mein Herr, was kann ich für Sie tun?“ - „Ich hätte gerne ein paar Pillen, die schnell und sicher Schmerzen stillen, doch was ich brauche, weiß ich nicht.“ (Jetzt zeigt auch Waldemars Gesicht, wie sehr ihn seine Schmerzen plagen.) Das Fräulein, ohne rückzufragen, macht sich davon in raschem Lauf, steigt schnell ein Leiterchen hinauf, entnimmt ein Schächtelchen dort oben (ein Mittel, das die Ärzte loben!), steigt leichten Fußes jetzt hinab und eilt zurück (die Zeit ist knapp!) zu Waldemar nach zehn Sekunden und meint „ Sie werden bald gesunden, sofern sie tun, was hier konkret auf beigepacktem Zettel steht!“ Schon lässt sie Waldemar alleine. Der zahlt und macht sich auf die Beine, ist schnell zu Haus und setzt sich dann und schaut den Beipackzettel an ..., das heißt, er muss ihn erst entfalten. Dann - um ihn vor den Kopf zu halten - macht er die Arme lang und weit und wie ein Scheunentor so breit ... und staunt: Wo sonst der Text gewesen, ist auch mit Brille nichts zu lesen! Die Schrift ist mikroskopisch klein! Das kann doch wohl nicht Absicht sein!? Den Zettel lesbar zu bekommen, wird eine Lupe hergenommen. Die Lupe in der Hand bedingt, dass man den Beipackzettel zwingt, sich flach jetzt auf den Tisch zu legen. Der aber lässt sich schwer bewegen, er hat durch Faltung Eigensinn und misst drei Meter immerhin. Doch schließlich ist er ausgebreitet und endlich alles vorbereitet, dass Waldemar das Wann und Wie erfährt für seine Therapie ... Er sucht und liest das Fettgedruckte: „Der Nachteil anderer Produkte. Das Mittel in der Schwangerschaft. Die Folgen für die Lendenkraft.“ Dann dringt er vor zu Untertiteln, des Mittels Wirkung zu ermitteln und liest von Brennen auf der Haut, von Lymphe, die sich manchmal staut, von Reaktionen und von Dauer, von Nachtschweiß und von Fieberschauer, von Schwindel und Benommenheit, von Magenweh und Übelkeit. Auch hat man manchmal Seitenstechen und häufig Durchfall und Erbrechen. Gefahren gibt es für ein Kind. Wer dazu neigt, wird farbenblind. Und so geht’s weiter, immer weiter. Es stimmt den Waldemar nicht heiter, der fasst vielmehr jetzt den Entschluss, dass er das Mittel meiden muss: Wer wird, Beschwerden zu verlieren, so schlimme Wirkungen riskieren? Nein, nein, für Waldemar steht fest, dass er die Finger davon lässt. Schon faltet er den Zettel wieder, legt Brille und die Lupe nieder und merkt jetzt so wie nebenbei: Er ist ja ganz beschwerdefrei! Kein Druck mehr sitzt ihm auf den Nieren, kein Darm- und Magenrebellieren. Das Zwicken schwand im Oberbauch, von Winden spürt er keinen Hauch. Mit einem Wort: Er ist vom Lesen des Beipackzettels schon genesen! - Es bleibt für uns, die Leserschar, die Frage, ob das Zufall war? Wenn nein, dann sollten wir es wagen, demnächst mal bei „Herrn Boll“ zu fragen, ob statt des Mittels uns der Mann auch nur den Zettel geben kann?! Manfred Günther Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 15 Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 15