Kai isst gern Nüsse ... ... bis gestern jedenfalls! Hört heute eine Bus-Geschichte, in der ich euch von Kai berichte, dem Fahrer auf der Linie neun. Von Gießen über Solms und Leun, mit Halts an einigen Stationen, die für den Busbetrieb sich lohnen. Danach geht’s auf die Autobahn bis Endstation in Limburg/Lahn - und das seit reichlich sieben Jahren. Wie Kai genauso lange fahren auch manche Passagiere mit. Hier ist als klarer Favorit die nette Rentnerin zu nennen. Kai und die alte Dame kennen inzwischen sich recht lange schon. In Beselich ist die Station, an der die Alte täglich wartet. Und wenn der Bus dann wieder startet, dann sitzt sie vorn (er hielt ihr frei!) auf Fahrerseite hinter Kai. Das Ziel der Alten: Limburg/Mitte, Seniorenpflege „Haus Brigitte“, sie wird dort über Tag betreut. - Was ist der Grund, dass Kai sich freut, hockt hinter ihm die alte Dame (Frau Götz ist übrigens ihr Name!)? Das hat mit einem Brauch zu tun, den auf der Fahrt nach Limburg nun Kai und die Alte täglich pflegen. Doch um kein Aufseh’n zu erregen, geht’s ganz diskret und leise zu: Kaum sitzt Frau Götz, greift sie im Nu in ihre Tasche, zieht ein Päckchen (genau: ein kleines Plastiksäckchen) aus ihr ans Tageslicht herauf. Jetzt macht sie sacht das Säckchen auf und lässt in ihre Hand den vollen für Kai bestimmten Inhalt rollen, worauf, wenn nun der Brauch beginnt, sich folgendes Gespräch entspinnt: Frau Götz: Sie hätte eine Gabe ... ob Kai wohl Lust auf Nüsse habe? Kais Einsatz lautet: „Wunderbar! ich ... Lust auf Nüsse? ... aber klar!“ Man sieht Frau Götz die Arme recken, sich weit nach vorn zum Fahrer strecken, denn weil der Kai ja fahren muss, reicht sie zum Mund ihm Nuss um Nuss und füttert ihn, was sehr possierlich! Kai schnappt und kaut und schluckt manierlich und immer wenn der Schnabel leer, kommt noch was mehr von hinten her, bis alle Nüsse aufgegessen. Zum Abschluss dann vom Nüsseessen, sagt Kai: „Genug für dieses Mal!“, so schließt das Nüsse-Ritual! Das heißt, so hat’s bisher geschlossen! Doch gestern kam, sie war verdrossen, Frau Götz nun ohne Nüsse an, fragt, ob sie Kai mal sprechen kann, sie hätte ihm ein Wort zu sagen: Zwar stelle er ja keine Fragen, woher das Nüssesäckchen stammt, doch heute, glaubt sie, wär’s ihr Amt, der Nüsse Herkunft zu erhellen: Es wär’ nicht schwer, sich vorzustellen, dass auch ein alter Mensch noch nascht. Auch wär’ man wohl nicht überrascht, von einer alten Frau zu hören, dass Nüsse Zähne leicht zerstören, besonders wenn’s die „Dritten“ sind ... Es wisse daher jedes Kind, dass grade Haselnusspralinen der Zahngesundheit wenig dienen, doch grade diese sind für sie der Essenslust, der Energie und letzter Daseinsfreude Quelle! So kam’s, dass sie die ganz spezielle Idee der Nussverwertung fand: Gut abgelutscht, dann in die Hand, getrocknet, dann ins Nüssesäckchen für Fahrer Kai als Frühstückspäckchen. Doch gestern, fährt die Alte fort, sie war beim Arzt in ihrem Ort, hätt’ der, ob ihrer Zuckerquoten, ihr alles Süße strikt verboten, drum fällt, sie wär’ nicht schuld daran, in Zukunft keine Nuss mehr an. Drum kaufe Kai Ferrero Küsschen, dann hätt’ er beides, nicht nur Nüsschen, vielmehr auch das, was um die Nuss und was sie selbst jetzt missen muss ... - Jetzt schweigt Frau Götz. Man kann es sehen, wie ihr die Dinge nahe gehen. Doch schaut man hin, sieht man’s genau: Auch Kai fühlt sich jetzt ziemlich flau! Manfred Günther Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 13 Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 13