Schluss mit den Vorsätzen! Karl rät: Nichts vornehmen - schweigen! Der Karl als eine der Personen die meine Fantasie bewohnen und hin und wieder mein Gedicht, erklärt euch heute seine Sicht zu Vorsatz und zum Pläne machen, die mancher - mit noch andern Sachen - am Wechsel eines Jahres treibt. Hört also, was der Karl euch schreibt: „Mein Rat für euch ist, umzudenken, jetzt an Silvester umzuschwenken und keinesfalls in diesem Jahr, so wie es all die Jahre war, konkrete Pläne zu verfassen und andre das gar hören lassen, dem Muster nach: ‘Nur dass ihr’s wisst, was dieses Jahr mein Vorsatz ist: Ich fange an, gesund zu leben! Die Völlerei wird aufgegeben. Statt Autofahren wird spaziert, die Muskeln werden aktiviert und Süßigkeiten strikt gemieden. Auch habe ich mich heut’ entschieden zu lebenslangem Lebewohl dem Rauchen und dem Alkohol, dazu noch manchen andren Dingen!’ Seid ganz gewiss, so wird’s misslingen! Ich sag’ euch deutlich auch warum: Es ist schon ungeschickt und dumm, davon zu reden, was wir planen! Das, was wir schon beim Vorsatz ahnen, tritt schneller ein, als wir gedacht: Kaum ist der erste Schritt gemacht, ein halbes Pfund ist abgenommen, da wirst du heftig überkommen von Fresslust und von heißer Gier, du schlingst und würgst grad wie ein Tier. Warn’s oben noch nur Gramm im Munde, sind’s auf des Gürtels Höhe Pfunde. Du sitzt auf prallem Po bequem, doch ist es wenig angenehm, wenn Hemd und Hosen nicht mehr passen. Statt süße Sachen auszulassen, wächst auch nach ihnen deine Lust! Aktiv zu sein, verschafft dir Frust, weil neue Lasten dich beschweren. Dem Laster Alkohol zu wehren, geht wie die Rauchentwöhnung schief! Der Pfahl im Fleisch sitzt viel zu tief: Du wolltest, doch du kannst nicht siegen und wünschst, du hättest erst geschwiegen, statt, was du planst, hinauszuschrein! - Hier setzt mein Gegenvorschlag ein: Ihr sollt an Jahreswechseltagen niemals ‘ich will’, ‘ich werde’ sagen! Am besten bleibt der Schnabel zu! Wenn einer fragt, verweigerst du die Antwort, lässt die andern reden. (Befragst dann freilich selber jeden: ‘Was nimmst du dir als Vorsatz vor?’) Dann wirst du seh’n, manch armer Tor wird ohne Hemmung, ohne Zaudern von allem, was er vorhat, plaudern - du nimmst es auf und merkst es dir! Nach ein, zwei Wochen, glaube mir, erweist es sich als überzogen. Des andern Wille ist verflogen und die Enttäuschung macht sich breit. - Jetzt, liebe Leute, kommt die Zeit, um vor den andern hell zu glänzen: Ihr Vorsatz kam an seine Grenzen, doch ihr habt euren nicht enthüllt. So also hat es sich erfüllt, was immer euer Plan gewesen: Von eurer Fresssucht zu genesen ..., ach was, das wolltet ihr doch nicht! Zehn Gramm schon weniger Gewicht sind so als großer Sieg zu buchen! Statt drei, zwei Stück vom Sonntagskuchen sind ein Erfolg, der richtig zählt! Wo andre jetzt ihr Vorsatz quält, da hüllt euch schützend euer Schweigen. Wer schwieg muss jetzt nicht Schwäche zeigen, weil niemand sein Versagen weiß. Wer plauderte, zahlt nun den Preis in Form von Spott und blöden Blicken. Noch einmal: Lasst euch nicht verstricken in Vorsatzwahn und Zukunftsplan ... Ihr wisst es doch, die schiefe Bahn hat guten Vorsatz als ihr Pflaster! Sagt lieber ja zu einem Laster, versucht es nicht, was ihr nicht schafft! Geht’s langsam an und spart die Kraft, die’s kostet, kläglich zu versagen. Ein Pfund zuviel, an dem wir tragen, ist die geringere Gefahr! - In diesem Sinn: ein gutes Jahr!“ Manfred Günther P.S.: Der Dichter hat sich vorgenommen, für nächste Woche kein Gedicht zu schreiben. - Aber er schweigt davon! Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 12 Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 12