Ein Witz ... ... wird erst schön, wenn Eheleute ihn gemeinsam erzählen! Bei Karl und Frieda sitzen Gäste, man aß und trank, nun kommt das Beste: Man setzt sich (als Verdauungskur) jetzt auf die Sofagarnitur, um dort ein wenig noch zu plauschen, sich in Gesprächen auszutauschen. Auch hört man vom bequemen Sitz im Hin und Her so manchen Witz, auch solche, die auf Dinge zielen, die etwas unterm Gürtel spielen. Doch Bier und Wein hat schon enthemmt und überhaupt gilt als verklemmt, wer Anstoß nimmt in solcher Runde. So geht das eine halbe Stunde, da hebt der Karl die rechte Hand und schnell hat jeder Gast erkannt, er will ein Wort zu allen sagen. Das tut er auch: „Ich möchte fragen, ob ihr den schönen Witz schon kennt, der sich ‘Die Chefvisite’ nennt? Ich hörte ihn beim Zahnarzt neulich!“ Die Frieda meldet sich: „Abscheulich ist dieser Witz, nicht stubenrein!“ Die Gäste alle aber schrei’n: „Nicht stubenrein, das kann nicht stören, Karl, lass sofort den Witz uns hören!“ Karl räuspert sich, dann legt er los: „Der Chefarzt Dr. Wolfgang Groß in Gießen ...“ - „Falsch, der Mann heißt Peter! Auch ist er nur der Stellvertreter von Chefarzt Dr. Helmut Mai“, trägt ungefragt jetzt Frieda bei, worauf die Augen ihres Gatten mit Ärgerfalten sich beschatten. Er sagt: „Dem Witz ist das egal! Ich starte also noch einmal: Ein Arzt betritt ein Krankenzimmer und geht von Bett zu Bett wie immer, wenn auf Station Visite ist ...“ - „Mein lieber Karl, das ist doch Mist, ‘wie immer’ ist es nicht gegangen! Ich glaube, noch mal anzufangen, wär’ sicher fürs Verständnis gut!“ Die Frieda schweigt, doch Karl hat Wut und schickt sich an zu explodieren und die Beherrschung zu verlieren. Doch fängt er sich: „Ich bin so frei, hier ist der Anfang Nummer drei: Ein Arzt betritt ein Krankenzimmer, um dort, ganz anders als sonst immer, heut’ nicht von Bett zu Bett zu geh’n, nein, gleich beim ersten bleibt er steh’n und fragt: Sie schau’n ja ganz zufrieden, geht’s besser mit den Hämorrh’iden?“ - „Schon wieder falsch, mein lieber Mann, als erster kam der Fußpilz dran!“, lässt Frieda wieder sich vernehmen. „Der Arzt fragt erst nach den Problemen, wie sie der Mann mit Fußpilz hat!“ Man sieht, es finden Kämpfe statt, im Herzen Karls, der Seele innen ... Doch weder Wut noch Zorn gewinnen, er greift nach seinem Weizenbier und sagt: „Dann Prost, auf Anfang vier: Ein Arzt betritt ein Krankenzimmer um dort, ganz anders als sonst immer, heut’ nicht von Bett zu Bett zu geh’n, nein, gleich beim ersten bleibt er steh’n und sagt: „Ich hörte, was mich freute, ihr Fußpilz ist schon besser heute!“ Worauf im Bett der Pilz-Patient, dem Doktor auch die Gründe nennt: Der Pilz ist deshalb wohl gewichen, weil Schwester Ruth ihn eingestrichen mit Heiltinktur in Pinselung. Nun hab’ ich deutlich Linderung und kann mit Ballen und den Zehen schon wieder zur Toilette gehen, was nicht nur meinem Fuß gefällt. Der Doktor nickt und geht und stellt sich grüßend drüben vor das zweite der Betten auf der andern Seite, in dem - was schon viel schwerer wiegt - ein Mann mit ‘Hämorrh’iden’ liegt und fragt: Sie schau’n ja ganz zufrieden, geht’s besser mit den Hämorrh’iden?“ - Karl ist für eine Weile stumm, schaut prüfend sich nach Frieda um, zu seh’n, was ihre Blicke senden? Die aber hat nichts einzuwenden. So also fährt ihr Gatte fort: „Der zweite Kranke nimmt das Wort: Die Schwester Ruth kommt mit dem Pinsel und pinselt mir mein Blutgerinnsel mit grad derselben Heiltinktur. Das heilt nicht das Gerinnsel nur, es tut auch gut tief in der Seele! Darauf der Doktor: Ich empfehle mich nun und geht zum dritten Bett. Der Mann darin blickt gar nicht nett, im Gegenteil, er scheint verdrossen und fragt den Doktor jetzt entschlossen ...“ Da ist die Frieda wieder dran: „Nicht er, der Doktor fragt den Mann!“ (Nun müsste Karl sich doch erregen, doch bleibt er still und scheint verlegen, denn eine Sache quält ihn sehr: er weiß des Witzes Rest nicht mehr - das hat die Frieda schon erwartet!) Mit einem Lächeln also startet nun Frieda durch: „Der Doktor fragt, da schon der Blick des Kranken klagt, ist denn ihr Hals noch sehr entzündet? Der kranke Mann im Bett verkündet den Satz, den man Pointe nennt, was man als Witz des Witzes kennt: Ich möchte mich ja nicht beklagen, doch Sie, Herr Doktor, etwas fragen: Auch mich bepinselt Schwester Ruth, das tut auch meinem Hals recht gut, doch wär’s nicht möglich beim Bestreichen, die Reihenfolge anzugleichen: Ich würde gern - mein Wunsch ist klein! - beim Pinseln mal der erste sein! Manfred Günther Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 06