Landleben (2.Teil) Manche Fensterläden lügen! Von Hans war neulich hier zu lesen, der Bürger einer Stadt gewesen und dann als Rentner auf dem Land ein neues Glück und Heimat fand. Hier ist der zweite Teil der Dichtung mit einem Fall in gleicher Richtung wie der, den ich schon angeführt: Wir hatten hier dem nachgespürt, dass auf dem Land so manche Sachen, sehr seltsam sind, die Menschen machen. So eine Sache war zuletzt: Dass niemand sich auf Bänke setzt, die vorne vor den Häusern stehen. Man sitzt nicht da, wo’s alle sehen! Zum Ruhen geht man hinters Haus! - Der zweite Fall sieht ähnlich aus, doch spielt er mehr im Hause innen! Wenn Tage auf dem Land beginnen, dann zeigt der Fensterladen an, ob man mich wohl besuchen kann: Zog ich den Laden schon nach oben, dann hab’ ich mich vom Schlaf erhoben. Hingegen zeigt er, ist er zu, ich pflege - noch am Tag! - der Ruh’ und habe mich - und das nach sieben! - nutzlosem Müßiggang verschrieben, wofür man zwar in einer Stadt, doch nicht im Dorf Verständnis hat. Nun kann’s ja sein, dass Läden trügen und wenn auch hochgezogen, lügen: Vielleicht liegt einer doch im Schlaf, auch wo man meint, er hätte brav des Tages Arbeit schon gestartet. Und umgekehrt: Es wird erwartet, sofern dein Laden unten ist, dass auch du selbst noch „unten“ bist, im Bettchen ... waagerecht ... in Träumen ... Doch bist du früh schon ohne Säumen zum Arzt gefahren, zum Termin, nur hast, den Laden hochzuzieh’n, du in der Eile glatt vergessen! - Wir seh’n, es ist nicht angemessen, zu schauen, was ein Laden sagt. Und doch, der Durchschnittsnachbar fragt per Augenschein den Fensterladen und traut dem Zeugnis der Fassaden! - Zurück zu Hans, der schnell verstand, dass anders als er’s früh’r gekannt, im Dorf die Fensterläden sprechen. Was tat er, um dies aufzubrechen? Er stand schon früh um sieben auf, um vorn am Haus im Dauerlauf drei Läden mittels Gurt zu heben, um dann zurück sich zu begeben - nach kurzem Umweg zum Klosett - ins weiche, warme Daunenbett, wo stets er dann für ein, zwei Stunden, gesunden Schlummer noch gefunden, den Hans als Rentner gern genießt! - Nun fragt sich jeder, der hier liest, ob solche Täuschung denn verbreitet und ob sie uns wohl auch verleitet, zu denken, was nur Lug und Trug? Ist wohl der Nachbar klug genug, es morgens so wie Hans zu machen? Ach nein, der muss nicht mal erwachen! Es geht auch, wenn er liegen bleibt, weil ein Motor die Gurte treibt, um automatisch früh um sieben die Fensterläden hochzuschieben - am Sonntag erst um acht nach Plan. Schon ist dem Dorf genug getan und gut, was Menschen von uns halten. - Um noch die Lehre zu entfalten: So manches ist nur äuß’rer Schein! Doch will der Mensch betrogen sein! - Der Rentner Hans ist gut beraten, er kaufe sich drei Automaten. So spart er Kräfte sich und Müh’ und schläft auch besser in der Früh’! Manfred Günther Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 04