Landleben (1.Teil) Die Bank vor dem Haus Für Hans aus Frankfurt ist vor Wochen das Rentnerdasein angebrochen. Dafür - ein langgehegter Traum - hat Hans im Vogelsberger Raum ein altes Bauernhaus erworben. Der Vorbesitzer war gestorben, die Erben hatten ausgeräumt und Hans hat gar nicht lang gesäumt, der lauten Großstadt zu entfliehen, mit Sack und Pack aufs Land zu ziehen ins kleine Haus im kleinen Ort ... Und wirklich, es gefällt ihm dort: Die Luft ist rein, die Wiesen saftig. So manches Rindvieh grast leibhaftig gleich auf der Weide hinterm Haus und sieht dabei so glücklich aus wie Glücksklee- oder Milka-Kühe. Der Dorfkontakt macht keine Mühe, man scheint recht offen, int’ressiert und hat den Städter akzeptiert. Hans fühlt sich wohl und kann nicht klagen - zumindest in den ersten Tagen nach seinem Einzug. - Aber dann nach gut drei Wochen fing es an und war für Hans nur schwer verständlich! - Doch ganz konkret: Es gilt als ländlich, steht vor dem Haus die kleine Bank ... Jedoch, dem Brauch im Ort sei Dank, es darf sich keiner darauf setzen! Das Leben dient dem Schaffen, Hetzen und nicht einmal im Rentnerstand der Ruhe! Wer nicht eingespannt in immer neue Tätigkeiten (und das zu allen Tageszeiten!), der gilt als müßig und als faul, ist wie ein alter Ackergaul - nur dass man dem, sofern er’s könnte, gern auf der Bank zu sitzen gönnte, selbst Rentner dürfen’s leider nicht! (Dem Leser aber wirft’s ein Licht auf die schon oft gestellte Frage: Warum am Ende schöner Tage, wenn rot die Sonne untergeht, die Bank vorm Haus alleine steht und nicht zum Beispiel von den Alten besetzt, ein Schwätzchen dort zu halten. Auch nicht von Jungen, die dort ruh’n, um einfach einmal nichts zu tun.) Die Bank vorm Haus dient nur zur Zierde, und nicht der Lust, nicht der Begierde, dass einer dort der Ruhe pflegt! - Was tut man also? Man verlegt die Bank nach hinten in den Garten! Dann muss man auf den Abend warten, hat dann getarnt von Dunkelheit für seine Muße kurze Zeit (bevor die Schnaken auf uns fliegen) dort mal zu sitzen oder liegen, so zwischen Dämmerung und Nacht. - Genauso hat es Hans gemacht, doch ist mit sich hier nicht im Reinen: Warum dies Blenden, Täuschen, Scheinen, mit einer Bank, die optisch putzt, die aber keiner so benutzt, wie sich’s gehört bei Ruhe-Bänken? - Hans meint, hier lohnt sich’s nachzudenken: Wird wirklich guter Brauch verletzt, wenn man auf Bänke sich auch setzt? - Hier heute noch am Schluss der Dichtung, ein Hinweis: In der selben Richtung gibt’s andres noch in großer Zahl! Doch davon mehr beim nächsten Mal. Manfred Günther Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 03