Grad ihr Armen, ihr sollt es sehen... Ein (un-)weihnachtliches Krippenspiel für Kinder und die Gemeinde von Manfred Günther 1. Teil: (Im 1. Teil treten die Figuren nacheinander in herkömmlichen hübschen, vornehmen Gewändern auf.) Sprecher: Wenn wir an 'Krippenspiel' denken, wir Kinder und ihr, Frau und Mann, und ganz uns in 'Weihnacht' versenken - sagt an, woran denken wir dann? 1. Hirte: Vielleicht an den Hirten, den kleinen, der die Flöte bläst vor dem Kind, und der mit den Fingern, den reinen so liebliche Töne erfindt? 2. Hirte: Vielleicht auch an den mit der Bürde, der in jener hochheiligen Nacht, das vortrefflichste Tier seiner Hürde dem Herrn als Geschenk dargebracht? 3. Hirte: Oder habt ihr im Sinne den Frommen, der sich zaghaft der Krippe nur näh'rt, und kaum ist er zum Kindlein gekommen sich hinwirft und betend verehrt? 4. Hirte: Mancher denkt sich wohl auch einen Alten, der so gütig lacht und verschmitzt; der dann zieht aus des Hirtenrocks Falten ein Spielzeug für's Kind - selbstgeschnitzt. 5. Hirte: Und einer wie ich darf nicht fehlen, der dem Kind etwas Wärmendes schenkt, denn das Hirtenvolk hat gute Seelen. Denkt ihr so, wenn an Hirten ihr denkt? Sprecher: Sie alle nun sehn wir recht heiter: Eine gute und fröhliche Schar. Doch wir gehen jetzt noch etwas weiter: Wie seht ihr das heilige Paar? Maria I: Bin recht ich als Mutter des Knaben? Eine Jungfrau so schön, zart und rein. Wollt ihr mich als Maria auch haben oder soll's eine andere sein? Josef I: Gefall ich als Josef euch allen oder hab zuviel Ernst ich im Blick? Kann denn auch meine Kleidung gefallen und paßt euch zum Krippenspiel-Stück? Sprecher: Da gibt es auch noch die drei Weisen, sie folgen dem strahlenden Stern, die von weither nach Bethlehem reisen; als Könige sehn wir sie gern. 1. König: Mir geziemt eine goldene Krone und natürlich ein Pferd vor dem Haus, und ich packe dem göttlichen Sohne viele goldene Spielsachen aus. 2. König: (schwarz) Auch ich bin von hohem Geblüte, kam mit großem Gefolge hier an; bin ein Herrscher, ein Mann voller Güte, schenk dem Kind, was ein König nur kann. 3. König: Auch mit mir kommt viel Glanz in das Zimmer, denn den Prunk ist ein König gewöhnt. Ich vertreibe den ärmlichen Schimmer aus dem Stall, da der Engelssang tönt. Sprecher: Jetzt sind alle ja endlich beisammen: die Hirten und Könige all, wie sie unseren Köpfen entstammen, doch gewiß nicht aus Bethlehems Stall! Sprecher: Denn die Schönheit am Heiligen Abend, die uns Auge und Sinn fasziniert, für's Gemüt zwar erquickend und labend, ist ein Bild nur auf Hochglanz poliert. Sprecher: Die Wirklichkeit damals war ärmer, was wir zeigten war Vorstellung nur; Phantasie macht die Herzen zwar wärmer, doch da wärmt nur die Goldpolitur. Sprecher: Seht nun heute das Krippenstück echter. Ihr Traumspiel-Figuren, beiseit! (die Könige und Hirten treten ab!) Denn die Wirklichkeit damals war schlechter! Es geht los, ihr Leut, seid ihr bereit? 2. Teil: (Im 2. Teil treten die Figuren in abgerissenen, zerlumpten Gewändern auf.) 6. Hirte: Ich bin einer von Bethlehems Armen, aus der Hirten elender Schar. Mit solchen hat niemand Erbarmen, daß ich Flöte blas, das ist, nicht wahr. Doch denkt nur, was vorhin geschehen, da erschien uns ein Engel und spricht: Grad ihr Armen, ihr sollt es sehen, geht zum Stalle hin, folgt seinem Licht! 7. Hirte: Auch mir ist der Engel erschienen und noch hab ich die Worte im Sinn: Dem die himmlischen Heerscharen dienen, wird ein Kind, liegt im Futtertrog drin. Ei, was glaubt ihr, kann da einer eilen, wenn er solche Kunde vernimmt. Da gab's auch für mich kein Verweilen: Mir ist dieser zum Retter bestimmt! 8. Hirte: Wir gehören nicht zu den Besten, und zum Tempel gehen wir nie. Wir dachten: Gott wohnt in Palästen, und jetzt liegt er hier neben dem Vieh. Wie doch Gott so tief sich kann bücken! Ist sich selbst gar für mich nicht zu gut. Nimmt die Last und die Schuld mir vom Rücken, gibt mir neuen Beginn, schenkt mir Mut. 9. Hirte: Gestern sahn wir uns nur als die Schlechten, von Gott und den Menschen verdammt, heute macht uns der Herr zu Gerechten, durch sein Kind, das vom Himmel her stammt. Darum dürfen auch wir wieder hoffen. Keiner ist diesem Gott zu gering, auch für uns ist das Himmelreich offen, weil sein Sohn hier im Stalle anfing. 10. Hirte: Gestern war ich mit Sünden beladen, frei aufzuschaun hätt ich gescheut; heut befreien mich himmlische Gnaden, heute weiß ich, ihr Leut, was mich freut! Ja, ich weiß es und will es verkünden, was der Heiland an mir heute tat: Er nimmt weg unsre Schulden und Sünden, der so arm als ein Mensch zu uns trat. Sprecher: Dieses Kind liebt, wie's scheint, die Geringen, deren Armut und Freude ist echt, solchen will es Gerechtigkeit bringen: Was uns schlecht, ist dem Heiland nicht schlecht! Sprecher: Diese ärmlichen Hirtenfiguren warn die ersten beim göttlichen Kind und die ersten von uns, die erfuhren, daß wir nun nicht mehr hoffnungslos sind. Sprecher: Doch wir dürfen den Stall nicht verlassen, ohne auch nach den Eltern zu sehn, (Maria II und Josef II treten im Hintergrund auf) ob die auch zu der Ärmlichkeit passen? Wir sehn sie im Dunkel dort stehn. Maria II: Der Herhergswirt hat uns hetrachtet vom Kragen herab bis zum Saum. Dann meinte er: Ihr übernachtet im Viehstall, dort ist für euch Raum. Und so hab ich das Kind hier geboren, bei Ochs und Esel im Stroh. Daß Gott sich die Armut erkoren, macht mich Arme glücklich und froh! Josef II: Wir gehörn zu den ganz kleinen Leuten, ein Zimmermann steht sich nicht gut, doch ich frag mich, was mag das bedeuten, daß der Retter im Krippelein ruht. Alles reimt sich so schwer nur zusammen: Warum sind so viel Hirten im Stall? Will denn Gott arme Herzen entflammen? Gilt sein Heil denn den Elenden all? Sprecher: Schaut! Dort nahn sich der Weisen Gestalten! Ob die auch keine Vornehmen sind? Was wohl diese von alledem halten?: Der Heiland bei Esel und Rind! 1. Weiser: Ich versteh mich drauf Sterne zu messen, der Planeten Größe und Bahn, deshalb gelt ich als schlecht und besessen. Meine Kunst gilt als Trug nur und Wahn. Dieses Kind, dessen Stern ich gesehen, muß der König der Könige sein, niemals sah einen hell'ren ich stehen, niemals gab's einen größeren Schein. 2. Weiser: Ich erforsche die Zeichen und Kräfte, was das Himmelsgewölbe bewegt; doch sie nennen's nur Teufelsgeschäfte, weil mein Wissen ihr Mißtraun erregt. Hier nun such ich den Herrn aller Herren und ich wünscht, er könnt einem wie mir auch die Türen zum Himmel aufsperren, denn ich bin ein Verachteter hier. 3. Weiser: Nicht Könige sind wir - nur Weise, nicht Vornehme - Suchende bloß. Hier ist endlich das Ziel unsrer Reise bei dem Herrn, den die Armut macht groß! Endlich ist auch vorbei unser Warten: Denn mit diesem bricht an Gottes Reich! Endlich kam der, auf welchen wir harrten: Der Herr - schwach und mächtig zugleich. 3. Teil: (Nach und nach kommen die Figuren des 1. Teils wieder auf die Spielfläche.) Sprecher: Ihr Hirten und Herrn, ihr erdachten, wie gefällt euch die Wirklichkeit jetzt, die wir eben ins Krippenspiel brachten? Spielt ihr mit oder seid ihr entsetzt? 1. Hirte: Wenn wir diesen den Gottessohn nennen, ist dann Gott einem Schwachen noch fern? Nein, ich will mich zu diesem bekennen: Ist er schwach, bin auch ich schwach recht gern! 2. Hirte: Muß nun einer wie ich sich noch grämen, wenn er ohne Geschenk zu ihm tritt? Ist Gott arm, muß sich Armut nicht schämen, er wird arm und beschenkt mich damit. 3. Hirte: Bisher dacht ich mir Gott als den Großen, der mit Macht alle Herzen bezwingt, heute wird er zum Schwachen und Bloßen, der mit Liebe ins Innre mir dringt. 4. Hirte: Ich begreife heut nacht Gottes Gabe, und ich fasse sein Weihnachtsgeschenk: Ist nicht Gott ohne Reichtum und Habe noch viel größer, als ich ihn mir denk? 5. Hirte: Ich nun wollt etwas Warmes ihm bringen und ich spür, dieses Kind macht uns warm! Gänzlich nackt will's die Herzen bezwingen: Wir sind reich, denn der Heiland, ist arm. Maria I: Wievielmehr wird die Mutter des Kleinen nun ihr feines Gewand von sich tun; (legt den schönen Mantel ab, darunter ein Lumpenkleid) soll denn ich hier noch blenden und scheinen und mein Kind muß im Futtertrog ruhn? Josef I: Ein Armer zu sein unter Armen, erscheint mir so schändlich nicht mehr. Laßt uns reich sein an Gottes Erbarmen; dieses Kind bringt's vom Himmel uns her. 1. König: Vor dem Kind nehm die Kron ich vom Haupte, ist der Herr Knecht, bin ich auch ein Knecht. Wer bis heut Gott dort oben nur glaubte, der bring heut seinen Glauben zurecht! 2. König: Was soll hier denn noch Purpur und Gaben, wenn der Höchste zum Bettler sich macht, will denn Gott etwas anderes haben, als dein Herz - in der Heiligen Nacht? 3. König: Auch ich will dem Glanz seiner Krippen nicht mehr länger im Wege noch sein. Gottes Lob komm von jeglichen Lippen, alles fall in den Jubel mit ein! Alle: Freut euch alle, was heut ist geschehen, laßt das Grämen und fürchtet euch nicht! Grad ihr Armen, ihr sollt es sehen, geht zum Stalle hin, folgt seinem Licht! Hinweis: Man braucht mindestens 18 SpielerInnen und kann - indem die Sprecher- rollen aufgeteilt werden - bis zu 24 SpielerInnen einsetzen. Die Requisite und die szenische Ausgestaltung ist weitgehend der Phantasie der Regie überlassen. Viel Freude mit dem Spiel! Manfred Günther