Sonntags immer! Ein Christ - an einem Sonntagmorgen beschreitet fromm den Kirchenpfad. Er trägt des Alltags Last und Sorgen in Pfarrer Meiers Seelenbad. (Jawohl! Wie frischem Quell entstiegen, fühlt sich die Seele später an! Das „alte Kleid“, der Schmutz bleibt liegen ein Bad, das man empfehlen kann!) Doch liegt zunächst vor unserm Christen der lange Weg zum Gotteshaus: Dort ist der Bauer Kunz am Misten; er fährt der Woche Dung heraus. Und drüben hängt des Müllers Liese des letzten Monats Wäsche auf: Die Hemden flattern auf der Wiese, die Leibchen und Korsetts zuhauf. „O Schreck!“ Fast wär er ausgeglitten! Vor Hinzes Haus wird frisch geteert! Bei Köhlers wird der Baum geschnitten, derweil die Oma Straße kehrt. Am nächsten Haus mit ernster Miene sieht unser Christ die Leute baun: Es ächzt beim Drehn die Mischmaschine die Webers setzen ihren Zaun! Nun klingen dumpfe Hammerschläge von oben durch die „Sonntagsruh“; von Gegenüber kreischt die Säge, die Kirchenglocke klingt dazu. Jetzt ist er endlich angekommen: Der Christ taucht in die Stille ein. Jedoch, wo sind die andern Frommen? Er wird doch nicht der Einzge sein? Die Glocke schweigt, da naht ein zweiter: Zur Arbeit kommt der Organist; mit Pfarrer Meier geht es weiter. „Na, Gott sei Dank!“, denkt unser Christ. Manfred Günther 23. Juli