Eingefleischte Vegetarier* Ein Christ trifft grad drei andre Christen, die auf dem Markt beim Einkauf sind. Sie schleppen schwer an Grünzeugkisten, die Mutter, Vater und das Kind. Man kennt sich, grüßt und bleibt auch stehen und nimmt sich für ein Schwätzchen Zeit. Man hat sich länger nicht gesehen, drum herrscht zunächst Verlegenheit... Dann hört man stolz die Mutter sagen, sie äßen vegetarisch nur, weshalb sie auch die Kisten tragen. Das sei für sie die beste Kur für Leib und Seele, schmecke besser, auch sei der Mensch, zumal der Christ, kein Fleisch-, vielmehr ein Pflanzenfresser, weil fleischlich doch auch sündig ist! - Jetzt wills der Christ genauer wissen: „Sie essen weder Rind noch Schwein ganz ohne etwas zu vermissen?“ Die Mutter drauf: „Wir sagen nein zum Fleisch von Tieren aller Arten! Ernähren uns von Kopfsalat, und andren Dinge aus dem Garten vom Broccoli bis zum Spinat, von Gelben Rüben bis zur Kresse, und von Kartoffeln bis zum Kohl. Nicht mal an Wurst besteht Intresse. Rein pflanzlich essen tut uns wohl.“ Nun staunt der Christ, kaum kann ers glauben. Er selber könnte das wohl nie! Sich nicht mal sonntags Fleisch erlauben, für ihn die reinste Utopie. Nun will er Kind und Vater fragen, wie die denn wohl die Sache sehn. Die schweigen, haben keine Klagen... (Man spürt, sie nervt das lange Stehn!) Die Mutter spricht: Sie müssten weiter. Dem Christen rät sie noch, für ihn wär fleischlos essen auch gescheiter: dem Leib die beste Medizin, und für die Seele wie ein Segen! - Man grüßt und dann entfernt man sich, geht weiter auf getrennten Wegen. Den Christen quält nun innerlich, nachdem die drei davongegangen, des eigenen Versagens Pein, sein schnödes fleischliches Verlangen… Er kann kein Vegetarier sein, unmöglich, nur noch Grün zu essen! Er will ja gern, doch geht es nicht, ganz ohne Rind und Schwein. - Indessen kommt jetzt ein Würstchenstand in Sicht; der Christ beschließt sich was zu gönnen und hält schon auf die Bude zu. Wer sollte widerstehen können, er lehnt es ab, das Fleisch-Tabu und zögert jetzt auch nicht mehr lange und stellt sich tapfer seiner Gier nach Fleisch...und in die Warteschlange gut zwanzig Leute warten hier. Da fällt sein Blick zur linken Seite, zu zwein, die schon am Kauen sind, ein Steak isst einer, Wurst der zweite - es ist der Vater und sein Kind! Manfred Günther * Nach einem echten Erlebnis verdichtet!