Vorbild Ein Christ hat einen Konfirmanden und meldet ihn gerade an. Man fragt ihn, ob er einverstanden, wenn nun sein Sohn auch dann und wann am Sonntagmorgen Kirchgang halte? Das schade wohl dem Knaben nicht und sei dazu noch eine alte, einst viel geübte Christenpflicht. Der Christ bejaht und lächelt heiter. (Er hatte insgeheim gebangt, die Frage ginge etwas weiter: Es würde von ihm selbst verlangt, dass er hinfort zur Kirche käme und überdies die Christlichkeit auch selber künftig ernster nähme, denn er tuts nicht seit langer Zeit!) - Ein halbes Jahr ist schnell verstrichen; der „Konfirmand“ bringt einen Brief. Er wirkt bedrückt und kommt geschlichen, die Nase bleich, die Augen tief. Was muss doch unser Christ jetzt lesen: Es sei der Sohn „das halbe Jahr zur Kirche sonntags nie gewesen“, er „schwänze“ also offenbar... Der Christ, bestürzt, ihm ist nach Toben, senkt voller Zorn des Briefes Blatt und dann die Hand, die schon gehoben... „Von wem der Knabe das nur hat?“ Manfred Günther