Abschied Ein Christ, sein Onkel ist verschieden, (er hat ihn Jahre nicht gesehn!) gönnt zwar dem Alten seinen Frieden, nur mag er nicht zum Friedhof gehn. Doch tut ers schließlich widerstrebend, der Leute wegen, nur als Pflicht. (Wem ist ein Gang zum Grab erhebend? Man hört vom Tod und will es nicht!) Bald geht er hinterm Leichenwagen, den Träger hin zum Grabe ziehn und denkt: Was wird der Pfarrer sagen? Ich wüsste wenig über ihn! Der Weg ist weit, man ächzt und pustet, doch dann am Grab kehrt Ruhe ein. Der Pfarrer schneuzt sich noch und hustet und schaut dann in sein Buch hinein. Schon fängt er an; man kennt die Reden: Woher uns Tod und Sünde stammt, von Christi Opfertod für jeden... Nun ja, das ist des Pfarrers Amt. Doch schließlich, das ist ungewöhnlich, verlässt der Pfarrer Wort und Schrift; er spricht vom Onkel sehr persönlich und so, dass es den Christen trifft! Denn nicht vom Tod, er spricht vom Leben, das dieser alte Mensch geführt: Wie wenig Glanz es da gegeben, wie wenig Glück er je gespürt. Er sagt von seinen Einsamkeiten, von seinem Warten Jahr um Jahr und langen Alters Leidenszeiten und wie allein er immer war... Jetzt wünscht der Christ, der Pfarrer fände zum „Tod“ zurück, wies üblich ist! Jetzt weckt das „Leben“ Widerstände und Fragen, die er gern vergisst! Manfred Günther