Unfall Ein Christ nimmt schnell die Kurve eben; das Auto schleudert, schießt hinaus, verfehlt den Baum, kommt kurz ins Schweben und rollt - knapp vor der Mauer - aus. Der Christ bleibt heil, entsteigt dem Wagen, die Augen weit, die Haut erblasst; er kann nichts denken und nichts sagen: Es hat ein Schock sein Herz gefasst! Doch kehren bald die Geister wieder; es scheint ihm weiter nichts passiert. Jetzt kniet er sich vors Auto nieder, nicht zum Gebet - er inspiziert! Nein, welch ein Glück! Er kann nichts sehen, am ganzen Blech ist nichts zerkratzt. Der Blinker blinkt, die Bremsen gehen, kein bisschen Lack ist abgeplatzt. Inzwischen steht die Menschenmasse am Unfallort schon ziemlich dicht, und mancher müht sich, dass ers fasse: „...und nichts passiert, das gibts doch nicht!“ Die ersten sprechen schon von „Zeichen“: „Er flog ja zwanzig Meter weit!“ – „Jawohl, ein Wunder ohnegleichen, am Baum vorbei nur fingerbreit!“ Gewiss, solch Reden kann betören: Des Christen Brust ist stolzgeschwellt. (Wer mag nicht gern von „Wunder“ hören?) Er fühlt sich fast schon wie ein Held! So steht er da, die Nase oben: Wie hat er das doch gut gemacht! Er darf sich rühmen, darf sich loben: Ein „Zeichen“ wars, er hats vollbracht! Hier schließt der Fall, die Sache endet, bevor der Christ zum Himmel sieht und Dünken sich zum Danken wendet. – (Ein Wunder wärs, wenns noch geschieht!) Manfred Günther