Ausleihe Ein Christ beschließt - es kann nichts schaden, wenn eins durch Höflichkeit gefällt - zum Taufkaffee Herrn S. zu laden, den Pfarrer, der die Taufe hält. Herr Pfarrer S., man sieht ihn lachen, verspricht beim Fest dabei zu sein, doch wäre erst noch Dienst zu machen; er stelle sich dann später ein. Die Feier sitzt beim Tortenessen, es würgt ein jeder nach Gebühr; schon ist die Taufe fast vergessen. da steht der Pfarrer in der Tür! So mancher lässt die Gabel sinken, so manches Auge schreckensweit! Der Täuflingsvater stockt beim Trinken: „Der Pfarrer S., du liebe Zeit!“ Die Gäste stieben von den Stühlen, damit Herr S. sich setzen kann, (die echte Freude ist zu fühlen!) die Hausfrau rückt mit Kuchen an. Der Pfarrer lässt sich endlich nieder, die Augen folgen ihm dabei; dann sitzen auch die andern wieder - nur neben S., da bleibt es frei! Des Kindes Vater schwitzt beim Frieren! (Die Hausfrau taucht im Kuchenmeer.) Wen soll er neben S. platzieren? Wo nimmt er schnell den Rechten her? Der Vetter Franz? Der mag nicht reden! Die Tante Irma? Guckt so bös! Der Otto? Schwätzt gern über jeden! Und alle: gar nicht religiös! Da kommt der rettende Gedanke: Ins Nachbarhaus eilt unser Christ. Er holt die alte „Oma Hanke“, weil die so fromm und kirchlich ist! Bald lauscht der Pfarrer hingerissen; die Oma Hanke spricht und strahlt: Heut wird ihr Spruch- und Bibelwissen mit Kuchen und Kaffee bezahlt! Manfred Günther