Predigt zum 16. So. n. Trin. - Erntedankfest - 5.10.2014

Textlesung: Hebr. 13, 15 - 16

So lasst uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.

Liebe Gemeinde!

Manchmal wundert man sich schon ein bisschen, wenn für die Predigt ein Text bestimmt ist, der so unvermittelt einsetzt wie der heute: "So lasst uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen..." - "Durch ihn?" Wer ist gemeint? Gut, bei einigem Nachdenken werden wir darauf kommen: Durch ihn heißt: durch Jesus Christus. Aber es wäre doch hilfreich gewesen, wenn noch die drei Verse zum Predigttext hinzugenommen worden wären, an die der eben gehörte Text anschließt. Zumal es sich dabei um Verse handelt, die sprachlich sehr schön sind und nach ihrem Inhalt sehr wichtig. Darum will ich diese drei Verse jetzt noch hinzufügen: "Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir." (Hebr. 13,12-14)

Die Verse sind zwar schön und wichtig, aber vielleicht nicht aufs erste Hören verständlich. Ich will sie einmal so für uns übertragen: Jesus Christus hat vor den Toren der Stadt für uns gelitten und uns damit von all unserer Schuld freigemacht. Wir gehören jetzt zu ihm, darum müssen wir zu ihm hinausgehen und wie er unser Leben annehmen, auch wenn es schwer ist. Aber wir leben nicht für immer in dieser Welt, sondern wir gehen auf Gottes neue, ewige Welt zu.

Ich denke, jetzt verstehen wir auch die zwei Verse, die uns für heute zu bedenken verordnet sind: "So lasst uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen..." Christus hat sich selbst für uns geopfert. Es ist für uns jetzt kein anderes Opfer mehr nötig außer dem Lobopfer, das hier "Frucht der Lippen" heißt! Und besonders darum geht es ja heute am Erntedankfest, in diesem Gottesdienst.

Liebe Gemeinde, bis hierhin gehen wir sicher noch alle mit. Die "Frucht der Lippen" wollen wir heute gern vor Gott bringen, denn wir haben trotz aller Wiedrigkeiten dieses vom Wetter her doch recht ungewöhnlichen Jahres wieder gut geerntet auf den Feldern und in den Gärten. Und auch alle, die selbst keine Nahrungsmittel produzieren, dürfen sich über volle Lager und Scheunen freuen. Auch dort, wo wir unsere Lebensmittel kaufen, wird es keine Engpässe geben. Wir werden leben und uns ernähren können und nicht Not haben und Hunger leiden wie viele Menschen auf dieser Welt. Warum sollten wir da nicht gern in der Gemeinde das Lied anstimmen, das Gottes Barmherzigkeit preist - wie wir's ja eben mit dem Wochenlied zum Erntedankfest getan haben? (EG 502)

Aber wie steht es damit, wie es der erste Vers weiter sagt: "So lasst uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen...die seinen Namen bekennen." Es ist ja doch etwas anderes, etwa heute in diesem Gottesdienst bei den Lobliedern mitzusingen und nach den Gebeten, die gesprochen werden, unser Amen zu sagen oder uns in unserem Alltag klar und deutlich zu Gott und zu unserem Herrn Jesus Christus zu bekennen! Das erste ist einfach, das zweite deutlich schwieriger!

Aber wie geht das überhaupt, sich zu Gott bekennen?

Ich musste bei dieser Frage zuerst daran denken, wie wenig wir doch heute an der Art, wie ein Mensch redet und handelt, erkennen können, ob er gläubig ist oder nicht, ob er zu Jesus Christus gehört oder nicht. Und was ein Mensch denkt, bleibt ja ohnedies fast immer im Verborgenen. Meist geben die Menschen, denen wir täglich begegnen - und wir selbst ja auch - keinerlei Hinweise darauf, ob ihnen Gott oder Jesus Christus irgendetwas bedeutet.

Dabei gäbe es doch auch in unserem Alltag immer wieder Gelegenheiten, das zu zeigen: Ich bin Christin. Ich bin Christ. Nein, ich meine nicht, dass wir mit Bibelsprüchen um uns werfen oder durch ständiges Herumnörgeln an der "gottlosen Gesellschaft unserer Tage" unsere eigene innere Einstellung herauskehren sollen. Ich meine z.B. die Wieder- oder Neuaufnahme bestimmter religiöser Übungen, die unseren Großeltern meist noch ganz selbstverständlich waren: Das Dankgebet vor dem Essen - nicht als Zurschaustellung wie fromm wir sind wohlgemerkt, sondern ganz diskret und vor allem aus innerer Überzeugung. Der Gebrauch eines Losungsbuchs am Morgen ist auch eine gute Sache. Und die Bibellese zu bestimmter Zeit über Tag. Sie dürfen mir glauben: Es ist erschreckend, wie wenig etwa junge Leute heute - auch solche, die konfirmiert sind - von unserer Heiligen Schrift und dem wissen, was darin aufgeschrieben steht. Wenn Sie also ihre Kinder oder Enkel an der Lesung der Losung oder von ein paar Bibelversen täglich beteiligen, tun Sie ein wirklich gutes Werk - nicht nur an den Kindern und Enkeln, sondern auch an unserer religiösen Kultur in unserem dem Namen nach immer noch christlichen Abendland.

Aber noch wichtiger als die religiösen Übungen, die wir vielleicht wiederentdecken, sind unser Tun und Lassen, unser Handeln und unser Verhalten unseren Mitmenschen gegenüber. "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!", sagt Jesus in der Bergpredigt. (Mt.7,16) Zu diesen Früchten gehört schon das, was andere an unserem Äußeren ablesen können: Wer immer mit einem grämlichen Gesicht herumläuft, scheint wohl nicht viel Zutrauen zu Gott zu haben. Und wer den Kopf beim kleinsten Unglück wochenlang hängen lässt, hat wohl noch nichts davon gehört, dass unser Herr mit uns auch durch schwere und dunkle Zeiten geht.

Noch mehr aber zeigen wir damit, wie wir mit anderen Menschen umgehen, wie wir zu unserem Gott stehen. Die Nächstenliebe soll uns dabei leiten und das, was von ihr herkommt: Die Freundlichkeit gegenüber allen Menschen, die jedem, der uns begegnet, das Gefühl gibt, wir sind ihm wohlgesonnen und haben keine vorgefertigte Meinung von ihm. Die Hilfsbereitschaft, die nach Kräften jeden unterstützt, der uns braucht, gleich welche Herkunft, Hautfarbe oder welchen gesellschaftlichen Rang er hat. Die Toleranz, die keinen von vornherein abschreibt und als unbelehrbar einschätzt, die vielmehr achtet, wo er geographisch, kulturell und religiös herkommt und ihn von daher zu verstehen versucht, ohne dass man eigene Überzeugungen aufgibt. Schön, wenn bei alledem noch echtes Mitgefühl für andere Menschen zu spüren ist und ehrliche Anteilnahme. Dann wäre das Gebot Jesu, unsere Nächsten zu lieben, wirklich erfüllt.

Der zweite der Verse aus dem Hebräebrief, die wir heute bedenken, spricht nun noch von Dingen, die uns wieder erinnern, dass wir heute Erntedank feiern: "Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott." Es ist sicher nicht verkehrt, wenn wir das jetzt ganz materiell verstehen: In vielen Gemeinden (- auch bei uns - ???) werden ja zum Erntedankfest die Früchte des Feldes und der Gärten gesammelt und an den Altar in der Kirche gelegt oder von den Kindern der Jungen Gemeinde am Anfang des Gottesdienstes zum Altar getragen. Oft werden diese Erntegaben dann an Bedürftige in der Gemeinde oder an eine soziale Einrichtung gegeben.

In manchen Gemeinden ist diese Sammlung von Naruralien in den letzten Jahren durch die Sammlung von Geld abgelöst worden. In jedem Fall aber wird hier "Gutes getan" und mit anderen "geteilt", was zunächst uns gehört. Aber ist das auch wirklich immer ein "Opfer", wie es hier heißt?

Wir dürfen solche "Opfer" nun keinesfalls mit dem Opfer Jesu Christi am Kreuz verwechseln. Das musste nur einmal vor Gott gebracht werden und es geht dabei um unser Heil und Leben - hier und in Ewigkeit. Das Opfer, das jede und jeder von uns an Erntedank vor Gott bringen soll, meint z.B. Sachen, die wir anderen geben, aber auch Zeit, die wir für sie erübrigen und auch Geld, das ihnen bessere Lebensmöglichkeiten eröffnet.

Ich will da jetzt einmal ganz deutlich und ganz offen sprechen, wo wir sonst gern im Unbestimmten bleiben und bei Worten, die um Gottes Willen niemandem zu nah kommen: Es heißt nicht "Spenden" im Hebräerbrief. Es ist auch nicht von "Geschenken" oder gar "Brosamen" die Rede. Es heißt ausdrücklich: "...solche Opfer gefallen Gott!" Wenn wir also an Erntedank oder jederzeit im Jahr mit anderen Menschen teilen und ihnen damit Gutes tun wollen, dann sollen es "Opfer" sein, Gaben, die wir eigentlich nicht übrig haben, sondern gern für uns behalten würden, Zeit, die wir wirklich an anderer Stelle einsparen müssen, eine Summe Geldes, die abzugeben uns wirklich weh tut.

Das mit dem Opfer ist nichts, was irgendwie öffentlich gemacht würde! Es wird keiner beobachten, was Sie nachher auf den Teller am Ausgang legen. Das bleibt eine Sache zwischen Gott und jedem Einzelnen von uns. Aber ich finde es schon wichtig zu wissen, dass Gott an "Opfern" Gefallen hat. Und ich finde auch, dass wir nach der guten Ernte dieses Jahres allen Grund haben, unserem "Lobopfer", der "Frucht der Lippen", neben dem Bekenntnis zu Gott und seinem Sohn Jesus Christus noch ein echtes Opfer materieller Art hinzuzufügen. AMEN