Predigt zum 12. Sonntag nach Trinitatis - 7.9.2014

Textlesung: 1. Kor. 3, 9 - 15

Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird's klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

Liebe Gemeinde!

Auf's erste Hören fällt einem das vielleicht noch nicht auf, wie überraschend und erstaunlich diese sieben Verse aus dem 1. Korintherbrief doch sind! Aber wenn wir ganz genau hinhören, wird uns deutlich, dass sie nicht besonders "evangelisch" klingen, nicht so jedenfalls, wie wir das vom Apostel Paulus gewohnt sind. Und das liegt nicht daran, dass hier einige Male vom Feuer die Rede ist und wir dabei vielleicht an die doch eher katholische Lehre vom Fegefeuer denken. Aber das Fegefeuer ist hier nicht gemeint! Wenn wir den Worten des Apostels einmal entlanggehen, dann wird es klar, was für ein "Feuer" er meint und was überraschend, erstaunlich und weniger evangelisch an diesen Versen ist:

Paulus vergleicht sich hier mit einem "weisen Baumeister". Er hat den Grund für unseren Glauben gelegt - dieser Grund heißt Jesus Christus. Näher beschrieben ist dieser Grund damit, was wir evangelische Christen alle wissen: Dass allein Christus uns mit seinem Leiden und Sterben die Gnade Gottes verdient hat. Er ist das Lösegeld, das uns von Sünde, Tod und Teufel freikauft.

Aber zurück zu dem "Bau des Glaubens": Wir, du und ich, jeder einzelne Christ baut nun weiter an diesem Glaubensgebäude, dessen Grundstein Jesus Christus ist. Da gibt es unterschiedliche Materialien, die der eine oder die andere für den Bau verwenden: "Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh..." Dabei wollen wir das jetzt nicht zu wörtlich nehmen. Wer wird denn nur mit Gold bauen? Oder mit Stroh? Es geht hier um die Eigenschaften der Baustoffe. Sind sie hart, dauerhaft und beständig. Oder weich und ohne Festigkeit und damit eigentlich völlig unbrauchbar für das Gebäude unseres Glaubens. Das Feuer, von dem Paulus spricht, ist so etwas wie die "Materialprüfung", wie sie Baubehörden oder Warentest-Institute heute vornehmen. Anders als im sonstigen Leben, wird unser Baumaterial allerdings erst am Ende, am "Tag des Gerichts" geprüft. Dann wird sich zeigen, ob der Bau unseres Glaubens standhält oder in den Flammen des Feuers vergeht.

Anders als im Fegefeuer, das die katholische Lehre kennt, werden hier also nicht die Seelen der Menschen von Sünde und Schuld geläutert, sondern es wird im Feuer offenbar, wie fest und beständig der Glaube eines Menschen an Jesus Christus gewesen ist.

Und jetzt, liebe Gemeinde, kommt das, was ich an den Worten des Paulus nur überraschend und erstaunlich nennen kann: "Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen." Gibt es auf einmal doch einen Lohn für unsere Werke? War das denn nicht immer ausgeschlossen, weil unser Herr doch für uns genug getan und alles verdient hat, was uns rettet und vor Gott gerecht macht im Leben und im Sterben? Wenn wir noch den nächsten Satz aus diesen Versen lesen, dann müssen wir uns noch mehr fragen, ob wir nicht immer falsch gelegen haben mit unserem Vertrauen allein auf Christus: "Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden..." Wie sollen wir das verstehen? Wie können wir das mit unserem evangelischen (vielleicht auch: evangelisch-lutherischen) Glauben reimen, dass "allein Christus" uns erlösen kann und nicht unsere eigenen Werke und Taten - so gut sie auch sein mögen?

Mir fielen beim Nachdenken über diese Fragen einige Gleichnisse und Geschichten aus der Bibel, besonders aus dem Neuen Testament ein, zum Beispiel "Jesu Geschichte von den anvertrauten Pfunden" (Lk. 19,12-27): Da bekommen drei Männer von ihrem Herrn jeweils ein "Pfund", das sie mehren sollen. Wir können die "Pfunde" auch als Gaben oder auch als eine Summe Geldes verstehen. Nach einer Weile wird abgerechnet. Der erste hat zu seinem Pfund zehn weitere hinzugewonnen, der zweite fünf, der dritte aber hat sein Pfund vergraben und nicht einmal bei der Bank Zinsen dafür bekommen. Der Herr ist über die beiden ersten Männer erfreut, über den dritten aber zornig.

Was sagt uns das für die Frage, ob es genug ist, an Christus zu glauben und keine Werke nötig sind, um vor Gott am Ende zu bestehen? - Mir sagt es: Wir sollen auch, wie es sprichwörtlich heißt, mit dem "Pfund wuchern", also aus unseren Gaben, aus und mit unserem Glauben etwas machen. Und ich denke, auch Sie finden das ganz selbstverständlich, dass ein Mensch, der an Jesus Christus glaubt, diesen Glauben nicht "vergräbt", sondern etwa seine Kinder und Enkel für diesen Glauben gewinnt oder den Mitmenschen damit Trost und Ermutigung weitergibt.

Aber noch deutlicher sagt uns das "Gleichnis vom Sämann", dass der Glaube an Jesus Christus nicht ohne gute Wirkungen im Leben eines Christen bleiben kann. Sie kennen ja alle dieses Gleichnis, darum sein Inhalt nur in aller Kürze: Ein Sämann sät Samen aus. Der Samen steht für das Wort Gottes, das Glauben wecken will. Einiges von diesem Samen fällt auf den Weg, da fressen ihn die Vögel. Einiges auf felsigen Boden, da verdorrt er an der Sonne. Einiges fällt unter die Dornen, da wird er erstickt. Aber einiges von dem Samen fällt auch auf gutes Land, geht auf, wächst und blüht und bringt reiche Frucht. - Alles an diesem Gleichnis zielt darauf, dass aus dem Samen - oder sagen wir: aus dem Wort Gottes, das Glauben weckt - am Ende Frucht entsteht. Noch einmal: Glaube ohne Frucht ist zu wenig. Glaube, der nur wie eine Erinnerung im Herzen verwahrt liegt, ist nicht das, was Gott will, wenn er uns den Glauben schenkt.

Liebe Gemeinde, es gäbe noch viele biblische Beispiele dafür, dass den Glauben zu haben, ohne ihn einzusetzen, nicht genug ist. Und ich denke, darüber sind wir Christen uns auch alle einig. Wir können also die Frage: "Gibt es einmal doch einen Lohn für unsere Werke?" vielleicht so beantworten: Nein, nicht die Werke werden belohnt, die kommen nämlich aus dem Glauben, der ein Geschenk ist und bleibt. Es wäre aber ein unvollkommener Glaube, wenn er nicht Früchte hervorbringt oder mit den Worten der Verse, auf die wir heute hören, gesprochen: Ein Glaube, der nur mit Heu oder Sroh auf dem Glaubensgrund weiterbaut, wird bei Gott am Tag des Gerichts keine Freude auslösen.

Das wir es nicht überhören, will ich aber noch einmal die letzten Verse des Abschnitts aus dem 1. Korintherbrief lesen, die wir heute bedenken. Da - ganz am Ende - scheint nämlich sozusagen der "evangelische Charakter" des Textes wieder durch: "Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch." Der Mensch selbst wird gerettet - um des Glaubens an Jesus Christus willen, allerdings "so wie durchs Feuer hindurch", was nichts anderes heißt als: mit knapper Not!

Es bleibt also dabei, dass der Glaube keine Verdienste sammeln muss, um bei Gott einmal zu bestehen. Andererseits - wenn wir diese Gedanken einmal auf uns ganz persönlich beziehen - werden wir sagen müssen: Vor Gott einmal nur mit unserem Glauben an Jesus Christus stehen zu müssen, würde uns selbst auch nicht gefallen. (Einmal davon abgesehen, dass ein Glaube ohne jede Frucht ja eigentlich gar kein rechter Glaube ist!) Sicher wären wir beschämt wegen unserer leeren Hände. Und ich glaube, das ist auch gemeint, wenn hier von "Schaden leiden" die Rede ist. Vor Gott beschämt dazustehen, der mich von aller Schuld meines Lebens freispricht und mir seine Ewigkeit schenkt, stelle ich mir sehr schlimm vor. Ganz anders wird das doch sein, wenn ich dann sagen kann - aber ich muss es gar nicht sagen, denn Gott weiß es schon! - dass ich meinen Glauben eingesetzt habe, um Menschen für Gott zu gewinnen, um Leidende zu stärken und zu ermutigen, Trauernde mit dem Hinweis auf das Ewige Leben zu trösten und auch sonst noch für manches, was aus der Dankbarkeit darüber geflossen ist, dass Gott mir den Glauben geschenkt hat!

Was könnte nun aber der Lohn dafür sein, dass mein Glaube nicht untätig war, sondern Frucht gebracht hat, wenn es nicht meine Erlösung und Rettung um Christi willen ist? - Wie ich mir das vielleicht kindlich naiv vorgestellt habe, beschämt zu sein über meine leeren Hände, so kann ich mir auch vorstellen, wie Gott sich über alles freut, was aus dem Glauben an Christus bei mir an Früchten entstanden ist. Das wird ein schöner Lohn sein, wenn Gott sich über mich freut! AMEN