Predigt zum Sonntag "Kantate" - 18.5.2014

Textlesung: Offb. 15, 2 - 4

Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.

Liebe Gemeinde!

Menschen, die sich in der Bibel - auch im Alten Testament - auskennen, haben eben den Bezug zur Mosezeit erkannt: Damals standen die Israeliten am Meer, das Mose mit dem Stab geteilt hatte, so dass sein Volk trockenen Fußes hindurchgehen konnte. Am Ende der Zeit werden die vollendeten Gerechten am gläsernen Meer stehen, dem durchsichtigen Himmelsgewölbe und dort - ähnlich wie tausende von Jahren zuvor (Ex.15,11) - Gottes Lob singen: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Aber warum stehen die Gerechten dort? Weil sie den Sieg behalten haben! Und worauf warten sie? Auf das letzte Gericht, denn sie sind es, die dem "Tier" widerstanden, also Gott nicht um eines Götzen Willen verlassen und verleugnet haben.

Sie werden jetzt denken: Das sind halt Worte aus der Offenbarung des Johannes. Vor bald 2000 Jahren hat sie der Seher gesehen und aufgeschrieben. Eine ganz andere Zeit. Eine ganz andere Welt. Was sollen wir mit den Bildern anfangen, die er beschreibt? Sagt er mit diesen Bildern denn auch etwas über unsere Welt und was uns erwartet?

Machen wir einmal zusammen diesen gewaltigen Sprung in unsere Zeit und halten wir dabei von den Worten und Bildern des Johannes das fest, was uns auch für uns und unsere Zukunft etwas sagen kann. Für mich sind das drei Gedanken, die wir bei unserem Sprung nicht loslassen sollten:

- Der Sieg, den die Gerechten am Ende der Zeit davontragen, ist der Sieg über "das Tier", also alle Götzen, die uns nur blenden und uns doch nicht helfen können.

- Es ist der Gott Israels, der auch unser Gott ist, der am Ende zusammen mit dem Lamm, das ist Jesus Christus, Gericht halten wird.

- Allein unser Gott wird sich am Ende als der König der Völker erweisen; alle Völker werden ihn anbeten.

Sprechen wir über den ersten Gedanken: Der Sieg, den die Gerechten am Ende der Zeit davontragen, ist der Sieg über "das Tier", also alle Götzen, die uns nur blenden und uns doch nicht helfen können. - Sie sagen: Wir haben doch keine Götzen, die wir an Gottes Statt anbeten! Ich bin anderer Meinung und nenne nur den wichtigsten Götzen unserer Zeit, der sich in unseren Tagen sogar noch immer unverschämter und mächtiger gebärdet: Das Geld, die Bibel hat ihn Mammon genannt.

Wenn sie jetzt erwarten, ich würde gleich über die Banker an der Wall Street oder den anderen Börsen und Bankhäusern der Welt sprechen, muss ich Sie enttäuschen. Ich will bei uns bleiben, denn auch wir erweisen diesem Götzen viel Ehre.

Denken wir nur daran, wie viele Dinge unserer Zeit oft nur nach ihrem Geldwert gesehen und beurteilt werden. Nicht nur in der Politik wird doch meist danach gefragt, was eine Sache in Euro kostet und nicht, was sie ideell oder moralisch bedeutet und wert ist: Wenn die Entscheidung ansteht, mehr Chancengleichheit für Kinder armer Familien oder ein Autobahnzubringer für ein Industriegebiet, dann werden die Kinder zurückstecken müssen. Aber auch wir persönlich treffen ähnliche Entscheidungen: Sollen unsere Kinder ein Instrument lernen oder in einen Sportverein eintreten dürfen oder wollen wir das neue Auto lieber ein Jahr früher haben?

Und Mammon versucht auch in unseren Beziehungen zu den Nachbarn Anbeter zu finden. War es früher selbstverständlich, dass man sich gegenseitig kostenlos Hilfe geleistet hat - beim Neubau oder wenn es ums Blumengießen im Urlaub ging - so fließt heute dafür oft Geld.

Nicht einmal vor den Toren von Gemeinde und Kirche macht Mammon halt: Vor Jahren noch, so ist mir zu Ohren gekommen, war in einer Gemeinde üblich, dass einige Frauen im Gemeindehaus bei der Organisation des Kaffeetrinkens nach der Beerdigung unentgeltlich geholfen haben. Heute zahlen die Angehörigen der Verstorbenen dafür einen Obolus. Ein Pfund Kaffee gibt es obendrauf.

Die Diakoniestationen in kirchlicher Trägerschaft und die Festsetzung der Mieten für kirchliche Liegenschaften sind leider inzwischen auch Beispiele dafür, dass für die Kirche das Geld und der finanzielle Gewinn im Mittelpunkt steht und Vorrang hat: Es macht keinen Unterschied, ob in der Pflege unserer Angehörigen eine Gemeindeschwester oder ein privater Pflegedienst tätig wird: dieselben Pflegesätze hier wie da, dieselbe viel zu kurze Zeit, die für die Pflege aufgewendet werden kann. Und wenn wir eine Wohnung in einem Haus mieten, das der Kirche gehört, geht es nach dem jeweilig gültigen Mietspiegel in der Gegend, in der die Wohnung liegt und nicht nach sozialen Gesichtspunkten, etwa unserer Bedürftigkeit.

Wir kommen zum zweiten Gedanken: Es ist der Gott Israels, der auch unser Gott ist, der am Ende zusammen mit dem Lamm, das ist Jesus Christus, Gericht halten wird. - Hierzu werden wir sicher sagen: Das wussten wir doch schon. Oder: Das ist nichts Neues! Und das ist ja auch richtig. Aber wird das wirklich noch deutlich an dem, wie wir denken, reden und handeln?

Wie kann es sein, dass wir zum Beispiel - wie eben gezeigt - auf vielfältige Weise dem Gott Mammon huldigen, statt nach anderen Werten zu fragen und nach dem, was wesentlich ist und was den Menschen dient und hilft? Der Gott Israels hat Gnade vor Recht gehen lassen. Er wollte keine Opfer, sondern echte Hinwendung und Gehorsam. Schon in den Zehn Geboten geht es um die Liebe zu ihm und den Mitmenschen. Diese Liebe ist nicht käuflich und kann nicht mit Geld erworben werden - sie wir verschenkt.

Und Jesus hat das in den kurzen Jahren seines Erdenlebens ganz deutlich gemacht: In unserem Verhältnis zu Gott und den Mitmenschen darf es nie um Geld und Güter gehen. Er stößt die Tische der Wechsler im Tempel um, weil sie mit Gottes Sache Geld verdienen. Er lässt sich nicht für das bezahlen, was er für Kranke und Behinderte, für Bittsteller und Sünder tut. Die Erlösung von Sünde und Tod, die er für uns am Kreuz vollbringt, kostet nichts, nur unserem Glauben. Und mit Recht empfinden wir es als verabscheuungswürdig, wenn Judas seinen Herrn für dreißig Silberlinge verrät. Wir wissen es in der Tiefe unseres Herzens, dass bei unserem Gott am Ende im Gericht kein Geld, kein Gut und nichts, was wir uns erwoben haben, zählen wird - nur der Glaube und die Liebe.

Und wir sprechen noch über den dritten Gedanken: Allein unser Gott wird sich am Ende als der König der Völker erweisen; alle Völker werden ihn anbeten.

Vielleicht geht uns jetzt durch den Kopf, dass dieser Gedanke in unserer Zeit ja geradezu gefährlich sein könnte. Denken wir nur an radikale Muslime... Das würde uns sicher nicht bekommen, wenn wir vor ihnen einen solchen Satz vertreten würden, der so beginnt: Allein unser Gott...

Manche von uns meinen hierzu vielleicht auch, dass wir doch gerade als Christen heute toleranter sein müssten. Wir können doch nicht behaupten, dass unser Gott der allein "richtige" Gott ist und der "König der Völker". Ich glaube dagegen: Doch, das können wir! Ein schwaches Argument dafür wäre, wenn wir sagten, dass die anderen Religionen - und besonders die muslimische - doch auch ihren Gott als den alleinigen Gott behauptet und uns Christen von daher sogar als "Ungläubige" bezeichnet. Der einzig wirkliche und überzeugende Grund dafür, dass wir unseren Gott den "König der Völker" nennen, ist, dass uns Jesus Christus diesen Gott als unseren Vater bekannt gemacht hat und dass wir das glauben und uns zu diesem Glauben bekennen! Und wir haben doch auch Erfahrungen mit diesem Gott gemacht! Erfahrungen der Hilfe, des Trostes, manchmal sogar der Wunder. Diese Erfahrungen aber haben wir mit den Göttern der Hindus oder dem Gott der Muslime nicht gemacht. Darum wollen und können wir dennoch achten, dass Andersgläubige einen anderen Gott haben. Und wir können tolerieren, wenn sie sagen, der Gott der Christen bedeutet ihnen nicht dasselbe wie ihr Gott. Nicht tolerieren können wir allerdings, wenn sie unseren Glauben an unseren Gott nicht in gleicher Weise achten, wie wir den ihren.

Liebe Gemeinde, wir wollen es abwarten, wie es sein wird, wenn wir am Ende der Zeit mit allen Gerechten unserem Gott singen werden: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Du allein bist heilig! Bis dahin wollen wir keinen Götzen dienen, sondern uns an Jesus Christus halten und in unserem Denken, Reden und handeln in seiner Spur bleiben. AMEN