Predigt zum Sonntag "Jubilate" - 11.5.2014

Textlesung: Apg. 17, 22 - 28a (28b - 34)

Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.

Liebe Gemeinde!

Das muss man schon sagen: Paulus war ein sehr begabter Missionar und ein geschickter Redner. Wie gekonnt er das macht! Wie er die Athener, also Heiden, die noch nie etwas von dem Gott der Christen gehört haben, mit seinen Worten umgarnt und ihre Aufmerksamkeit gewinnt! Deutlich wird das, wenn wir seine Worte noch einmal nachsprechen und so sagen, wie er es vielleicht heute sagen würde: "Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr fromme Leute seid und eure Götter achtet und verehrt." Das haben die Athener gewiss gern gehört und es hat ihnen geschmeichelt. Jeder Mensch freut sich ja darüber, wenn anerkannt wird, wie er glaubt, wie er lebt und wie er ist. Nach dieser Schmeichelei geht Paulus jetzt so weit, dass er die Wirklichkeit ein wenig korrigiert, wenn er weiter sagt: "Ich bin in eurer Stadt umhergegangen und habe die Stätten besucht, an denen ihr eure Götter anbetet. Dabei habe ich einen Altar gefunden, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott." Diese Aufschrift, hat er auf dem Altar sicher nicht gefunden. Es war vielmehr so, dass die Athener aus Angst vor dem Zorn der Götter, die man nicht verehren konnte, weil man sie gar nicht kannte, auf diesen Altar die Mehrzahl geschrieben hatten, also: "Den unbekannten Göttern!" Aber ich denke, das haben die Athener dem Apostel durchgehen lassen, und auch wir wollen es ihm nicht als Lüge anrechnen. Im Gegenteil: Die Schmeichelei und die kleine Korrektur der Aufschrift des Altars zeigen das Bemühen des Paulus, die Menschen für den wahren Gott zu gewinnen. Und das wollte er, denn das ist sein Auftrag gewesen.

Nach dieser Vorrede war es soweit: Der Verkündigung des Gottes der Christen stand nichts mehr im Weg: Er ist der unbekannte Gott, den die Athener verehrten, ohne ihn zu kennen. Er hat die Welt gemacht hat und alles, was darin ist. Er ist der Herr des Himmels und der Erde und er wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, wie die Athener glaubten. Vor allem kann man ihm nicht mit Opfern und dergleichen dienen, wie einem, der etwas nötig hätte. Er ist ja doch selber der Gott, der jedem Menschen Leben und Atem und alles gibt, was ihn ausmacht.

Schließlich - wir können es uns denken - kommt Paulus auch auf Jesus zu sprechen, durch den der bisher unbekannte Gott den Menschen den Glauben angeboten hat, auch den Glauben an die Auferstehung der Toten. Aber das führt uns schon über die Verse hinaus, die uns heute zu bedenken vorgeschlagen sind. Wir wollen noch einmal den letzten Satz des Apostels innerhalb dieser Verse hören und dann fragen, was diese Worte der Heiligen Schrift wohl uns zu sagen haben: Gott "ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir."

Stellen wir uns einmal vor, der Apostel Paulus ginge heute in unserem Ort umher und schaute sich die Kirche an und den Friedhof und die Häuser und Wohnungen, in denen wir leben. Er suchte dort nach Spuren davon, wie wir unsere Götter verehren und welchen Raum sie in unserem Alltag und Sonntag einnehmen. In der Kirche würde er die Woche über wohl kaum jemanden antreffen und auch am Sonntag wäre die Schar der gottesdienstlichen Gemeinde übersichtlich. Auf dem Friedhof könnte der Eindruck entstehen, es ginge mehr um die Grabpflege und die Erinnerung an unsere Toten als um das Leben wie es unserem Gott gefällt. Und in unseren Wohnungen? Da hinge nur hie und da an den Wänden ein Kreuz oder ein christlicher Kalender mit einem Spruch für den Tag. Und auf dem Tisch läge in ganz wenigen Häusern ein Losungsbuch der Herrenhuther Brüdergemeinde.

Bei den Angehörigen anderer Religionen, etwa bei den Muslimen, sähe das ganz anders aus. Wenn sie eine Moschee oder ein Gemeinschaftshaus haben, dann würde Paulus dort an jedem Tag der Woche auf reges Treiben stoßen. Und in den Häusern könnte er sehen, dass die Verehrung Gottes auch im Alltag eine große Rolle spielt: Da läge zum Beispiel ein Gebetsteppich und vielleicht verneigte sich betend gerade der Hausherr darauf gen Mekka, im Wohnzimmer gäbe es einen aufgeschlagenen Koran, dem man ansehen könnte, dass darin auch gelesen wird...

Im Haus einer jüdischen Familie würde Paulus gewiss ganz anderen Zeichen begegnen. Aber auch sie würden dafür sprechen, dass der Glaube hier gelebt und wichtig genommen wird, ganz besonders am Sabbat, wenn alle Arbeit ruht und sich die Familie am Abend nach dem Sabbatsegen zum Festmahl am Tisch versammelt, auf dem der Teller mit den zwei Broten steht, der Becher mit Wein und die Sabbatlichter...

Kehren wir zurück zu uns und dem, was der Apostel bei uns als Zeichen dafür entdecken könnte, dass der christliche Glaube geübt und lebendig ist... Nein, viel wäre es nicht. Würde es uns da wundern, wenn Paulus bei uns auf den Marktplatz oder vielleicht vor den Eingang des Supermarkts träte und dort mit einer Predigt an uns begänne, vielleicht so: "Ihr Frauen und Männer von ............., ich bin in eurer Stadt umhergegangen und habe festgestellt: Der Gott, nach dessen Sohn sich viele von euch Christen nennen, ist bei euch inzwischen weithin unbekannt. In eurem geistlichen Leben jedenfalls, in eurem Alltag und am Sonntag spielt er keine große Rolle mehr. Darum ist es vielleicht gut, wenn ich euch an einige Dinge erinnere, die ihr in eurem heiligen Buch, der Bibel, lesen könnt und die euch, wenn ihr konfirmiert worden seid, auch geläufig sein müssten:

Gott, der Vater Jesu Christi hat die Welt gemacht und alles, was darin ist und er ist Herr des Himmels und der Erde. Er hat auch euch geschaffen mit allen Gaben und Talenten, die ihr habt. Deshalb braucht er von euch auch keine Opfer und hat keine Dienste von euch nötig, denn er selbst hat euch ja das gegeben, was ihr habt, was ihr seid und was ihr könnt. Aus seinen Händen sind wie ihr auch alle anderen Menschen dieser Welt hervorgegangen. Er bestimmt ihre Lebenszeit. Er weist ihnen den Platz an, wo sie wohnen und er gibt ihnen die Aufträge an den anderen Menschen, die sie erfüllen sollen. Wo immer die Menschen wohnen, wo immer Gott ihnen ihren Platz angewiesen hat, sollen sie ihn suchen, ihn fühlen und an ihn glauben und ihm vertrauen. Verlasst euch darauf: Wenn ihr ihn sucht, dann wird er sich von euch finden lassen, denn er ist keinem Menschen fern, sondern immer ganz nah, so nah wie ein Gebet.

Gottes Geist ist überall zu spüren. In jeder guten Beziehung, die wir zu unseren Mitmenschen haben. Besonders in der Liebe, die wir füreinander aufbringen, denn alle Liebe kommt von ihm her und gibt auch uns die Kraft, einander zu lieben.

Überall ist Gott am Werk: In der Natur, in den wunderbaren Zusammenhängen der Schöpfung, ja, der ganze Kosmos ist von ihm bewegt und wird von ihm gehalten. Und Gott ist auch im Herzen der Menschen, auch wenn wir es nicht wissen, nicht spüren und nicht glauben. Aber es ist so: Er ist in uns und wir leben, weben und sind in ihm."

Liebe Gemeinde, der Apostel Paulus wäre nicht der christliche Missionar, zu dem er von Gott auserwählt worden ist, wenn er jetzt nicht auch noch von Jesus Christus predigen würde. Sicher würde er von seiner Geburt im Stall sprechen und dass wir aus der Feier dieser Geburt an Weihnachten leider ein sehr äußerliches Fest der Geschenke gemacht haben. Er würde davon sprechen, dass Jesus immer besonders für die Armen, Schwachen, Kranken und die Außenseiter der Gesellschaft da sein wollte. Dass er Menschen geheilt, ihnen neuen Lebenssinn geschenkt und ihnen im Auftrag Gottes Schuld vergeben hat, damit die Menschen neu anfangen konnten.

Gewiss würde Paulus auch das ansprechen, was für ihn das Wichtigste an Jesus war und der tiefste Grund, warum er in die Welt gekommen ist: Dass er am Ende der kurzen Zeit, in der er über diese Erde ging, für die Schuld aller Menschen in den Tod gegangen ist, den schrecklichen Tod am Kreuz, damit wir von Schuld und Sünde erlöst frei aufblicken können.

Schließlich - und ich kann mir die leuchtenden Augen des Apostels dabei vorstellen - würde er damit schließen, dass er uns daran erinnert, dass uns durch Jesu Christi Tod am Kreuz der Himmel aufgetan wurde und wir einmal wie unser Herr auferstehen werden zum Ewigen Leben. -

Ich fände es gut, wenn wir uns von Paulus heute neu an all das erinnern lassen würden. AMEN