Predigt zum Sonntag "Sexagesimä" - 23.2.2014

Textlesung: Apg. 16, 9 - 15

Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen. Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen. Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, so dass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.

Liebe Gemeinde!

"Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht..." Ich will für "Erscheinung" einmal "Traumbild" einsetzen und Sie fragen: Haben Sie so etwas auch schon einmal gesehen? Dabei meine ich nicht irgendein Bild aus einem Traum, denn träumen tun wir alle, fast jede Nacht und wir sehen dabei auch immer Bilder. Aber nach dem Aufwachen haben wir meist nicht mehr viel von unseren Träumen behalten. Darum noch einmal genauer: Haben Sie im Traum schon einmal ein Bild gesehen, das beim Erwachen nicht verschwunden ist, ein Bild bei dem Sie wussten, das ist ein Auftrag für Sie? Ja, war es vielleicht sogar so, dass Sie nicht daran gezweifelt haben, dass dieser Auftrag von Gott stammt?

Also ich muss da passen. Wenn ich überhaupt je ein Traumbild der Nacht in den Tag hinüberretten konnte, dann wusste ich genau: Da hast du etwas verarbeitet, was du vorher erlebt hattest. Etwas Schönes oder auch Schweres hat mich so beschäftigt, dass mein Unterbewusstsein es bis in den Schlaf mitnehmen musste. Nachdem ich wach geworden war, ist es dann aber entschwunden.

Trotzdem: Was Paulus hier passiert ist, wird von vielen anderen - nicht nur biblischen - Personen berichtet. Warum sollen wir es also nicht glauben. Vielleicht glauben Sie mir jetzt aber auch, dass es noch ganz andere Möglichkeiten für Gott gibt, uns seine persönlichen Aufträge zu übermitteln. Überdies bin ich sicher, dass wir alle nicht nur einmal einen solchen Auftrag empfangen haben - oder sagen wir besser: hätten empfangen sollen und können. Die Botschaft war ganz klar, laut genug, deutlich genug. Nur wollten wir sie nicht hören.

Es wird Zeit, dass ich jetzt konkret werde und ein paar Beispiele gebe:

Ein Mann lebt seit Jahren im Streit mit seinem Vater. Bestimmt 15 Jahre haben die beiden nicht mehr miteinander geredet. Der Sohn müsste länger überlegen, wenn er sagen sollte, was damals eigentlich der Anlass gewesen ist. Vor Wochen hat er gehört, es ginge seinem Vater nicht so gut. Seitdem muss er immer wieder über Tag an den Vater denken und die Frage bedrängt ihn, ob er sich nicht einmal zu ihm aufmachen sollte. Wie das so ist, er schiebt den Besuch immer wieder auf. Gestern nun hat die Mutter angerufen und er hat die Nachricht bekommen, dass der Vater verstorben ist. Am Ende des Gesprächs sagte die Mutter noch, der Vater hätte so gewartet, dass der Sohn ihn noch einmal besucht.

Eine Frau bekommt an ihrem Arbeitsplatz täglich mit, wie eine der drei anderen Sachbearbeiterinnen, die im selben Büro ihren Schreibtisch haben, vom Abteilungsleiter und den anderen beiden gemobbt wird. Es ist die älteste Mitarbeiterin der Firma. Sie ist unkündbar, aber sie soll anscheinend dazu gebracht werden, die Firma früher als zum Eintritt in den Rentenstand zu verlassen. Als die Frau erfahren hat, dass es um den Arbeitsplatz der älteren Kollegin geht, den eine Verwandte des Abteilungsleiters bekommen soll, kommt sie zunehmend in Gewissensnöte. Sie spürt täglich mehr, dass sie der gemobbten Kollegin beistehen müsste, dass sie den Mund aufmachen und unmissverständlich klar sagen müsste, dass sie das Mobbing unmöglich findet, niederträchtig und gemein. Vor Tagen hat sie es geschafft. Sie hat allen drei am Mobbing Beteiligten gesagt, wie sie das findet, was sie der älteren Kollegin täglich antun. Sie weiß, das kann sie selbst ihren Arbeitsplatz kosten. Trotzdem bereut sie nichts und es ist ihr jetzt wohler.

Das dritte Beispiel, das ich hier geben will, ist eines, das Sie liebe Hörerin, lieber Hörer dieser Predigt selbst erlebt haben: Ich denke dabei an den Wortwechsel neulich, bei dem Sie Ihr Gegenüber sehr hart und verletzend angegangen sind. Hinterher haben Sie gewusst, dass Sie nicht so hätten reden sollen. Sie hatten das Gefühl, Sie sollten sich entschuldigen...

Und ich denke an die freundliche Einladung Ihres Nachbarn zu seinem Gartenfest letzten Sommer. Wie lang haben Sie nachgedacht, ob Sie hingehen sollen. Und Sie haben gedacht: So eng ist unser Verhältnis doch gar nicht - und sind nicht hingegangen. Aber Sie haben hinterher auch empfunden, dass Sie sich wenigstens für die Einladung hätten bedanken müssen...und es wäre auch richtig gewesen, vorher abzusagen.

Und ich denke an die ungezählten Gelegenheiten über Tag, bei denen wir in unserem Inneren gefühlt haben, wir hätten etwas anderes tun sollen, als wir getan haben, etwas anderes antworten sollen, als uns über die Lippen gekommen ist und hätten sogar andere Gedanken haben müssen, als unser ewiges Misstrauen, unsere Missgunst, unseren Neid oder unsere böse Erwartung.

Gewiss gibt es auch andere Beispiele. Gelegenheiten, bei denen wir einen Fehler wieder gut gemacht haben. Wir haben uns entschuldigt, wo wir uns falsch verhalten hatten. Wir haben uns bemüht, auch das Gute an einem Menschen oder einer Sache zu sehen. Wir haben nicht impulsiv, sondern überlegt gehandelt. Wir haben unser Misstrauen besiegt.

In all diesen Fällen aber hat uns eine Botschaft Gottes erreicht, vielleicht sogar ein richtiger Auftrag. Nicht immer aber haben wir hingehört. Nicht immer haben wir verstanden. Und manchmal sogar wollten wir nicht hören und nicht verstehen.

Kehren wir zurück zu Paulus und dem Traumbild, das ihm eine Botschaft Gottes ausrichtet: "Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht, ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!" Wie reagiert er? "Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen."

Liebe Gemeinde, ich glaube so ist es allein angemessen: Hören, was Gott von uns will, was sein Auftrag an uns ist - und gehorchen! Nun werden Sie denken: Aber hier ging es doch um etwas Großes, Wichtiges. Immerhin sollte Paulus in Mazedonien das Evangelium predigen. Ich kann dazu nur sagen: Immer wo wir Gottes Botschaften nicht überhören und ignorieren, immer wenn wir so reden und uns so verhalten wie es der Botschaft Gottes an uns entspricht, da predigen wir auch das Evangelium von Jesus Christus! Wir müssen da gar nicht so gering von uns selbst denken: Auch unser Tun und Lassen, unser Denken und Reden wie es unserem Glauben und uns als Christen angemessen ist, predigt den Menschen, zeigt ihnen, wie Christen leben und macht sie vielleicht neugierig auf den Glauben, der in uns ist.

Dabei sollten wir uns gar nicht entmutigen lassen dadurch, dass wir mit unserer "Predigt" doch so wenig ausrichten. Das ist Paulus oft so ergangen und gerade die Geschichte, die wir heute hören, ist ein Beispiel dafür. Lesen wir noch einmal in diesen Versen aus der Apostelgeschichte: "Wir fuhren von Troas ab und kamen [...] nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. [...] Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen." Wenn wir diesen Bericht recht verstehen, dann war die Reise nach Mazedonien bis hierher jedenfalls ein ziemlicher Fehlschlag. Die Stadt Philippi war anscheinend nicht so erpicht auf das Evangelium, wie Paulus gedacht hatte, nachdem ihm der Mann aus Mazedonien im Traum erschienen war. Eine Synagoge gab es in der Stadt nicht, denn sonst hätte Paulus dort den ersten Kontakt zu den Juden des Ortes geknüpft. Und am Fluss, wo die Juden sonst am Sabbat zu beten pflegten, waren nur Frauen zusammengekommen, was damals auch keine Voraussetzung für einen missionarischen Vortrag oder gar einen Gottesdienst war. Paulus war ganz sicher sehr enttäuscht und hat vielleicht auch an seinem Auftrag gezweifelt. Aber es kommt unerwartet anders: "Eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, so dass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde." Als sich diese Lydia und ihr ganzes Haus, das heißt alle Knechte und Mägde und alle, die sonst noch bei ihr wohnten auch noch hatten taufen lassen, wird Paulus gewiss gewusst haben, warum er nach Mazedonien ziehen sollte - und beschämt wegen seines Kleinglaubens wird er auch gewesen sein.

Liebe Gemeinde, vielleicht sind es keine Erscheinungen im Traum, die uns erreichen, aber wir wollen auf die Botschaften achten, die uns Gott jeden Tag auf andere Weise sendet. Wir wollen es nicht aufschieben, wenn wir einer Botschaft nachkommen wollen - schnell kann es zu spät sein. Und wir wollen nicht klein davon denken, wenn wir erfüllen, was Gottes Auftrag an uns ist. Wir zeigen und bewähren damit vor unseren Mitmenschen, dass wir an Jesus Christus glauben und ihn zum Herrn haben. Schließlich wollen wir uns nicht entmutigen lassen, wenn ein Auftrag nicht so erfüllt werden kann, wie wir uns das gedacht haben. Gott hat einen weiteren Plan und andere Möglichkeiten als wir. Wir sollen Vertrauen zu ihm haben. AMEN