Predigt zum 4. So. nach Epiphanias - 2.2.2014

Textlesung: 1. Mose 8, 1 - 12

Gott gedachte an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war, und ließ Wind auf Erden kommen und die Wasser fielen. Und die Brunnen der Tiefe wurden verstopft samt den Fenstern des Himmels, und dem Regen vom Himmel wurde gewehrt. Da verliefen sich die Wasser von der Erde und nahmen ab nach hundertundfünfzig Tagen.

Am siebzehnten Tag des siebenten Monats ließ sich die Arche nieder auf das Gebirge Ararat. Es nahmen aber die Wasser immer mehr ab bis auf den zehnten Monat. Am ersten Tage des zehnten Monats sahen die Spitzen der Berge hervor. Nach vierzig Tagen tat Noah an der Arche das Fenster auf, das er gemacht hatte, und ließ einen Raben ausfliegen; der flog immer hin und her, bis die Wasser vertrockneten auf Erden. Danach ließ er eine Taube ausfliegen, um zu erfahren, ob die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden. Da aber die Taube nichts fand, wo ihr Fuß ruhen konnte, kam sie wieder zu ihm in die Arche; denn noch war Wasser auf dem ganzen Erdboden. Da tat er die Hand heraus und nahm sie zu sich in die Arche. Da harrte er noch weitere sieben Tage und ließ abermals eine Taube fliegen aus der Arche. Die kam zu ihm um die Abendzeit, und siehe, ein Ölblatt hatte sie abgebrochen und trug's in ihrem Schnabel. Da merkte Noah, dass die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden. Aber er harrte noch weitere sieben Tage und ließ eine Taube ausfliegen; die kam nicht wieder zu ihm.

Liebe Gemeinde!

So ein wenig spürt man an der Wahl dieses Textes für diesen Sonntag, dass die Theologen, die seinerzeit die Ordnung für die sechs Predigtjahresreihen aufgestellt haben, keinen wichtigeren Text für diesen 4. Sonntag nach Epiphanias "opfern" wollten. Was Sie vielleicht nicht gleich verstehen, will ich auch erklären: Sie wissen sicher, dass die Anzahl der Sonntage nach Epiphanias mit dem Ostertermin zusammenhängt. Liegt Ostern früh im Jahr, gibt es wenige, liegt es später, gibt es mehr Sonntage nach Epiphanias. Den 4. oder gar 5. Sonntag nach Epiphanias gibt es extrem selten zu feiern. Im vergangenen Jahr zum Beispiel kam nach dem 1. Sonntag nach Epiphanias nicht der 2., sondern gleich der letzte. Dafür gab es im Jahr davor immerhin drei Nach-Epiphanias-Sonntage.

Wir haben also - weil Ostern dieses Jahr spät liegt - heute einen Sonntag, der selten überhaupt gefeiert wird und an diesem Sonntag eben einen Predigttext, der uns nur erzählt, wie das am Ende der Sintflut war und bei dem wir fragen, was er uns Christen denn sagen soll.

Sicher ahnen Sie, dass ich doch etwas in dieser Geschichte gefunden habe, was wert ist, besprochen zu werden. Sonst hätte ich mir diese lange Vorrede wohl gespart. Und sie haben recht. Einen Satz gibt es in diesen Versen, der ist auch für uns hilfreich, tröstlich und kann uns aufbauen. Ich meine gleich den ersten Satz dieses Textes: "Gott gedachte an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war, und ließ Wind auf Erden kommen und die Wasser fielen."

Sie werden vorhin die Wartezeiten, die genannt werden, nicht zusammengezählt haben: "Es nahmen aber die Wasser immer mehr ab bis auf den zehnten Monat..." - "Nach vierzig Tagen tat Noah an der Arche das Fenster auf..." - "Da harrte er noch weitere sieben Tage und ließ abermals eine Taube fliegen..." - "Aber er harrte noch weitere sieben Tage", dann endlich ist die Arche wieder auf festem Boden angekommen. Auch jetzt war das schwer, alles zusammenzurechnen, darum will ich es Ihnen sagen: Rund ein Jahr hat die ganze Sache gedauert. Rund ein Jahr mit den Tieren in einem Holzkasten. Rund ein Jahr nur mit einem kleinen Fenster, durch das Licht und Luft hereinkam.

Liebe Gemeinde, tun wir einmal die Frage ab, ob das wirklich so war, wie es uns hier erzählt wird. Tun wir alle Zweifel ab, ob es überhaupt möglich sein kann, eine ausreichend große Arche für Pärchen aller Tiere zu bauen. Und denken wir auch nicht darüber nach, wie das wohl mit der Versorgung und Pflege all dieser Tiere funktioniert haben soll. Es geht diesen uralten biblischen Geschichten nämlich um etwas anderes und das wird hier deutlich: "Gott gedachte an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war..." Der Erzähler dieser Geschichte und alle, die sie über Jahrhunderte weitererzählt haben und der Mensch, der sie irgendwann aufgeschrieben hat, wollte allen Menschen und uns auch etwas mit seiner Geschichte sagen, ja, uns etwas versichern und einschärfen: Gott gedenkt an das, was er versprochen hat!

Zuerst sehen wir das bei Noah: Gott hatte ihm den Auftrag gegeben, die Arche zu bauen und darin sich und seine Familie und die Tiere vor der Flut zu bewahren. Es dauert ein ganzes Jahr! Noah hätte sich wohl immer wieder einmal denken können, Gott hätte ihn vergessen, der Schöpfer der Welt hätte seine abtrünnige Schöpfung inzwischen aufgegeben, weil sein Zorn über die gottlosen Menschen stärker war als sein Wille, Noah und die Seinen und die Tiere in der Arche zu retten.

Aber der Tag, an dem sich die Wasser auf der Erde verlaufen haben, kommt! Gott hält Wort. Ein neuer Anfang für Mensch und Tier. Das Leben geht weiter. Noah hat es erfahren: Gott gedenkt an das, was er versprochen hat!

Aber mir kommen auch Menschen unserer Tage in den Sinn:

Die alleinerziehende Frau, die schon so lange eine Wohnung für sich und ihre beiden Kinder gesucht hat. Die überall bisher abgewiesen worden ist oder die Miete einfach nicht hätte bezahlen können. Die Frau, die christlich erzogen, auch immer wieder darum gebetet hat, dass sie die bisherige Wohnung, die viel zu klein, dunkel und feucht gewesen ist, endlich gegen eine größere, für sie noch erschwingliche hätte eintauschen können. Eine Wohnung, in der ihre Kinder nicht ständig krank sind und sich nicht wohlfühlen, vielleicht sogar mit Nachbarn, die hin und wieder einmal für ein Stündchen nach ihren Kindern hätten schauen können, denn es ist schwer, wenn man allein ist, Kindergarten, Schule und die Arbeit zu vereinbaren. - Immer wieder, wenn sie darum gebetet hat, hatte sie das sichere Gefühl, dass ihr Gott bald helfen würde, dass sie finden wird, was sie sucht. Und sie hat sich darauf verlassen, wenn es auch einige Monate gedauert hat. Aber wirklich: Sie hat eine Wohnung gefunden in einem Haus, das einer älteren Dame gehört. Die ältere Dame ist nicht auf die Miete angewiesen und ist ihr entgegengekommen. Die Frau zahlt nicht mehr als sie vorher für die alte Wohnung bezahlt hat. Und irgendwie scheinen auch ihre Kinder der Vermieterin zu gefallen. Wenn die Kleinen nach Hause kommen und ihre Mutter ist noch nicht da, dann dürfen sie bei der älteren Dame auf ihre Mutter warten und sie beschäftigt sich sogar mit ihnen.

Der Frau kommt es so vor, als wäre ein schöner Traum in Erfüllung gegangen. Und sie weiß auch, wem sie das verdankt: Gott hat ihre Gebete gehört. Sie hat ihm vertraut und sie hat erfahren: Gott gedenkt an das, was er versprochen hat!

Und ich denke an den Mann, der vor einem halben Jahr die schlimme Diagnose bekommen hat, die ihn fast zum Verzweifeln gebracht hätte. Der Arzt hatte zwar gesagt, eine Operation könne ihm helfen. Er könnte vielleicht wieder ganz gesund werden. Aber die Miene des Arztes dabei war ernst, sehr ernst. Was hat der Mann zu Gott gefleht, wie viel hat er gebetet, was er - wie er zugeben muss - lange Jahre vernachlässigt hat. Nach der Operation aber kam doch der Tag, an dem er ganz stark gespürt hat, dass er nicht allein war mit seiner Krankheit und dass es aufwärts ging mit der Genesung. Wie ein Versprechen war das für ihn: Gott wollte, dass er lebte. Langsam zwar, doch unaufhaltsam wurde es besser mit ihm, die Schwäche wich und neuer Mut stellte sich ein.

Nach sechs Monaten endlich war er ganz über den Berg und zurück im Leben und er meinte manchmal im Gesicht seines Arztes so etwas wie Erstaunen darüber zu erkennen. Er weiß, wem er das neue Leben verdankt: Gott hat sein Flehen erhört. Gott gedenkt an das, was er versprochen hat.

Liebe Gemeinde, ich habe das selbst gespürt: Das klingt alles ein wenig zu schön. So geht es doch nicht immer. Es gibt doch auch die anderen Erfahrungen. Gott scheint weit weg. Er hört unser Flehen nicht. Er schweigt zu unserem Kummer, unserem Leid. Ja, oft ist das auch so. Ich will und ich kann das nicht leugnen. Aber ich will doch etwas dazu sagen, was wir auch sehen müssen: Es hat sicher immer auch mit unserem Vertrauen zu tun, ob Gott uns beisteht, uns seine Hilfe verspricht und dann auch an das denkt, was er uns versprochen hat. In der Geschichte vom Ende der Sintflut hören wir nichts davon, dass Noah auch nur einen Augenblick gezweifelt hätte, dass Gott sein Versprechen erfüllt und ihn und alle in der Arche rettet. Die Frau, von der ich erzählt habe, konnte die Kraft finden, Gott zu vertrauen, dass er ihr die Wohnung zeigen würde, die gut für sie und ihre Kinder wäre und obendrein noch bezahlbar. Der Mann, der so krank war, hat nie die Hoffnung aufgegeben, dass Gott ihn durch die Zeit der Krankheit führen würde.

Ich glaube fest, es ist unser Vertrauen, das Gott haben will und dem er dann Hilfe verspricht und diese Hilfe auch schenkt. Unser Gottvertrauen lässt uns die Erfahrung machen, die schon Noah gemacht hat: Gott gedenkt an das, was er versprochen hat! AMEN