Liedpredigt zum 2. So. nach Weihnachten - 5.1.2014

Liebe Gemeinde!

Sicher haben Sie Verständnis, wenn heute einmal nicht der vorgeschlagene Predigttext gepredigt wird, denn es ist ein recht schwieriger Text aus dem Römerbrief des Paulus. (Röm.16,25-27) Stattdessen wollen wir auf die Verse eines Liedes hören, sie bedenken und auch singen. Das Lied heißt: "Von guten Mächten wunderbar geborgen". Dietrich Bonhoeffer hat es geschrieben, wir wissen auch wann: Das war kurz vor der Jahreswende 1944/45. Er saß im Gefängnis, war getrennt von seinen Lieben und durfte nur noch den Tod erwarten. Nur wenige Monate später wurde er hingerichtet, weil er dem Unrechtsregime widerstanden hatte.

Wir wollen uns von den wunderbaren Gedanken und Bildern seines Liedes helfen lassen, dass wir die noch zaghaften Schritte ins neue, unbekannte Jahr getrost und voller Hoffnung setzen können. Der dieses Lied geschrieben hat, wusste, was ihn erwartet - und er hat dennoch solche Worte gefunden. Wie viel mehr werden uns seine Verse ruhig und getrost machen, die doch äußerlich unbedroht, sicher und ohne Angst leben können:

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
(Die 1.Strophe wird gesungen)

Wir denken noch einmal an das vergangene Jahr. Wie oft haben wir uns Sorgen gemacht, wie oft wälzten wir uns abends unruhig in unserem Bett hin und her. Die Aufgaben des kommenden Tages standen groß vor uns, wir meinten, nicht alles schaffen zu können. Oder es erwartete uns eine Untersuchung, eine Operation, von der viel abhing, vielleicht gar unser Leben. Oder wir hatten eine Prüfung am nächsten Morgen, ein wichtiges Gespräch, eine Entscheidung musste getroffen werden?

Wie ist es ausgegangen? - Von all den Aufgaben, die uns so belastet haben, konnten wir schon bis zum Mittag die meisten erledigen! Die Untersuchung zerstreute unsere Bedenken. Die Operation hat unser Leben sehr zum Guten verändert: Wir sehen wieder richtig...dürfen vielleicht wieder alles essen. Die Prüfung ist bestanden, das Gespräch konnte klären, die Entscheidung haben wir nicht bereut. Wir haben erfahren, dass es stimmt, was wir jetzt singen wollen:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
(Die 2.Strophe bzw. der Kehrvers wird gesungen)

Aber es gab auch schwere Tage im zu Ende gegangenen Jahr. Wir nahmen die trüben Gedanken mit in die Nacht. Und am nächsten Morgen hatte sich nicht alles aufgelöst und geklärt! Wir mussten für einen lieben Menschen das schlimmste befürchten. Und der Abschied kam auch und traf uns trotz aller Ahnungen ganz unvorbereitet. Die Frage: "Wie soll es jetzt weitergehen?", fand lange keine Antwort. Und dem Sinn unseres eigenen Lebens - nach diesem Abschied - sind wir bis heute nicht auf die Spur gekommen. Es ist wahr, was wir hier hören:

Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.
(Die 3.Strophe wird gesungen)

Und doch war selbst in dieser schweren Zeit die Hilfe nicht ganz fern. In aller Verlassenheit kam uns auf einmal ein Lächeln auf die Lippen. Wir wussten gar nicht woher. Mitten in der Trauer sprach einer wieder vom Leben. Zweifel hatten wir viele, aber der Ver-zweiflung fielen wir nicht anheim. Manchmal schien es, als sänge in uns ein Vogel sein Hoffnungslied - auch wenn es noch ganz dunkel in uns war. Es kam uns vor und es war...ja, als müssten wir nur die Hand ausstrecken...und da ist dann ein Halt, ein Beistand, ein gutes Wort, ein Gedanke, der uns ein paar Schritte begleitet...bis wir wieder selbst feste, tapfere Schritte machen können. Wir können das - schweren Herzens zwar - aber wir können das mitsprechen:

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.
(Die 4.Strophe wird gesungen)

Und über diesen Erfahrungen haben wir gespürt und spüren wir immer wieder, dass dieses Leben kein Spaziergang ist, keine Leichtigkeit, kein bloß frohes Spiel... Böse Tage müssen bestanden, dunkle Täler durchschritten, der schwere Kelch muss getrunken werden. Und - seltsam ist das - über diesen schweren Zeiten verliert unser Leben zuletzt nichts - es gewinnt vielmehr: Tiefe, den Raum, in dem der Glaube seinen Platz hat, das Vertrauen auf Gott, die Zuversicht auf seine Führung und seinen Plan mit uns...in allem Dunkel! Und so kann es geschehen, dass wir gerade in den schwersten Tagen empfinden, was uns die Jahreslosung für dieses Jahr sagen will: Gott nahe zu sein ist mein Glück. Und wir machen die Erfahrung, dass Gott uns nicht nur in den hellen Tagen nahe ist, sondern auch, vielleicht gerade in den dunklen. Denn erst wenn uns selbst die Kraft ausgeht, fühlen wir Gottes Kraft. Und gerade, wenn wir uns nicht mehr helfen können, hilft uns Gott. In solchen Zeiten wird in unserem Herzen der Boden bereitet, auf dem der Glaube wachsen kann. In solchen Zeiten wissen wir, woher wir kommen und wohin wir gehen. In solchen Zeiten möchten wir in der Nähe dessen bleiben, den wir dann so deutlich neben uns spüren - auch wenn uns dann manchmal nach Weglaufen ist. Wir wollen diese schweren Zeiten nicht missen und nicht vergessen. Sie sind wichtig. Wichtiger vielleicht als mancher freundliche Sonnentag, den wir durchlebt haben.

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.
(Die 5.Strophe wird gesungen)

Über diesen Gedanken verstehen wir auf einmal das Geheimnis des Lichts, das - wie wir sagen - Gott mit Jesus Christus in dieser Welt angezündet hat: Es macht nicht unser ganzes Leben hell! Es bleiben Schatten, Dunkelheiten, Winkel in denen kein Glanz liegt, in denen die Angst wohnt und die Sorgen sich breit machen. Aber das Licht brennt. Keiner kann es auslöschen. Unser Leben hat eine Mitte! Dort strahlt sein Licht. Dorthin können wir uns immer fliehen. Dort ist es hell genug, dass wir selbst den Sinn unserer trüben Stunden erkennen oder doch erahnen. Und - das tiefste Geheimnis seines Lichtes! - gerade vor unserem Dunkel hebt es sich ab, wird größer, heller, strahlender! Gerade unser Dunkel schafft auch, dass wir uns aufmachen zum Licht. Gerade unser Tappen und Tasten ohne Weg und Ziel, ohne Führung und Halt lässt unsere Sehnsucht nach ihm nur umso größer werden. Wir fühlen, dass wir ihn brauchen! Ohne sein Licht können wir nicht sein. - Und wir müssen es nicht, denn er ist da, der von sich sagt: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben."

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.
(Die 6.Strophe wird gesungen)

Und sein Licht leuchtet uns allen. Und wir alle brauchen es. Auch das Leben der Menschen neben uns ist ja nicht ohne Finsternis. Auch die anderen machen sich Sorgen, haben Angst und müssen durch ganz schwere Stunden hindurch. Ja, vielleicht beneiden sie uns für die nur kleinen Schatten, die über unseren Tagen liegen, das nur kurze Dunkel, durch das wir schreiten?

Aber das Licht unseres Herrn schließt uns auch alle zusammen. Es ist ja das eine Licht, das uns allen strahlt! Und wo wir uns alle zusammentun und vereinen, da wird es heller, als es nur für einen allein sein kann. Wir sehen es ja jetzt, hier...
Und wir wollen dieses Bild, diesen Augenblick dieser Stunde mitnehmen in die Zeit, die nun kommt, in das ganze neue, noch unentdeckte Jahr: Was auch immer uns begegnet, wir haben sein Licht! Mögen sich auch dunkle Zeiten vor uns auftun, wir sind nicht allein. Wir werden die Kraft haben, unseren Weg zu gehen. Wir werden mutig genug sein, getrost und gelassen, jeden neuen Morgen aus Gottes Hand zu empfangen. Wir werden den Glauben und die Hoffnung nicht verlieren, mag es auch manchmal so düster sein, dass wir die Hand nicht vor Augen sehen - seine Hand wird doch da sein, und sein Licht wird uns nicht verlöschen!

Und neben uns sind die anderen! Sie glauben wie wir. Sie haben eine Hoffnung und einen Herrn - wie wir. Ihnen und uns leuchtet sein Licht. Wenn uns selbst der Schein unseres Lichts von schwerem Geschick verdunkelt wird, dann wollen wir uns zum Licht der anderen flüchten. Dann wird es heller werden für uns und wärmer.

Und wenn andere bei uns den Glanz seines Lichtes suchen und Beistand und Hilfe brauchen, dann wollen wir uns ihrer annehmen und es ihnen mit seinem Licht in unserer Hand ein wenig heller machen.

So müssen wir uns nicht fürchten. Nicht vor dem, was war, denn es lag, auch wo wir das noch nicht begreifen, unter dem Schein des Lichtes Gottes. Nicht vor dem, was ist, denn es strahlt uns sein Glanz und wir wissen, uns wird auch das Dunkle dienen müssen. Und nicht vor dem, was kommt: Gottes Licht leuchtet in dieser Welt, in dieser Zeit und es brennt fort und strahlt drüben in der Ewigkeit, auf die wir und alle, die zu ihm gehören, zugehen:

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.
(Die 7.Strophe wird gesungen und noch einmal der Kehrvers:)

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.


Hier ist das Lied mit der am meisten gesungenen Melodie: