Predigt zum 2. Christtag - 26.12.2013

Textlesung: 2. Kor. 8, 9

Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.

Liebe Gemeinde!

Das war's wirklich schon! Der Predigttext für heute ist nur ein einziger Vers! Ich glaube, einen kürzeren Predigttext gibt es überhaupt nicht! Ist er aber auch so bedeutsam und so wichtig, dass ich eine ganze Predigt dazu halten kann? Oder gibt das heute eine ganz kurze Predigt? - Wir wollen sehen.

Auf jeden Fall können wir uns heute die Zeit nehmen, das Wort aus dem 2. Korintherbrief noch einmal in voller Länge zu hören: Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.

Dass Jesus arm wurde, ist sicher gar keine Frage. Wir haben es in diesen Tagen vor Augen: Als hilfloses Armeleutekind liegt er in einer Futterkrippe. In einem Viehstall hat ihn seine Mutter geboren. In keiner menschenwürdigen Herberge war Raum für die Eltern und ihr Kind. Mit Ochs und Esel müssen sie ihr Quartier teilen. Hirten, die Ärmsten der Armen und damals Außenseiter der Gesellschaft, sind die ersten Gäste an der Krippe. Wirklich: Eine Arme-Leute-Geburt. Darüber kann uns auch der Gesang der Engel oben über dem Dach nicht hinwegtäuschen. Und so ist es Jesu ganzes kurzes Erdenleben über geblieben. Er hatte nicht, wo er sein Haupt hinlegen konnte. Vom Bettel haben sie gelebt, er und die Jünger, die sich ihm angeschlossen haben. Seine Erbmasse am Ende sind ein paar Kleider und ein Gewand, um das die römischen Soldaten das Los werfen. (Jh.19,23f) Und sonst? Sonst nichts, kein "irdisch Gut" jedenfalls.

Und das ist auch in unsere Lieder eingegangen, wie sie im Gesangbuch stehen: "Er ist auf Erden kommen arm...", heißt es im Lied "Gelobet seist du, Jesu Christ". Im Lied EG 57 lesen wir: "Uns wird erzählt von Jesus Christ, dass er ganz arm geworden ist..." Und in einem der bekanntesten Weihnachtslieder schließlich, in "Ihr Kinderlein kommet", wird es auch gedeutet, warum Jesus in die tiefste menschliche Armut eingegangen ist: "Du liebes, du göttliches Kind, was leidest du alles für unsere Sünd! Ach hier in der Krippe schon Armut und Not, am Kreuze dort gar noch den bitteren Tod."

Aber es ist ja nicht irgendwer, der da in einer Futterkrippe in einem Viehstall liegt! Es ist Gottes Kind, ja, es ist Gott selbst, der in Jesus in seine Welt kommt. Und das ist ein noch viel größeres Wunder, als die Armut der göttlichen Geburt! Manch einer wird jetzt denken: Das haben die Götter Athens und Roms doch auch schon getan, dass sie menschliche Gestalt angenommen haben. Ja, das haben sie. Aber nur in der Phantasie der Priester und Dichter, und nur, um als Menschen Schabernack zu treiben, Frauen oder Männer zu verführen, die sie mehr begehrten als ihresgleichen und aus anderen fragwürdigen Gründen. Unser Gott aber liefert sich ohne schlechte Absichten den Menschen aus. Vom Beginn in der Krippe an - bis zum Ende am Kreuz, das dann zum Anfang unserer Hoffnung wird. Und auch hiervon sprechen unsere Weihnachtslieder. In "Gelobet seist du, Jesu Christ" singen wir: "Der Sohn des Vaters, Gott von Art, ein Gast in der Welt hier ward...". In "Fröhlich soll mein Herze springen" heißt es: "Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute, Gottes Kind, das verbind't sich mit unserm Blute." Und was das für uns bedeutet, darin sind sich alle Liedertexter einig. Nur drei Beispiele dafür: In "Vom Himmel hoch..." steht in der 3. Strophe: "Es ist der Herr Christ, unser Gott, der will euch führ'n aus aller Not, er will eu'r Heiland selber sein, von allen Sünden machen rein." Noch deutlicher sagt es das Lied "Es ist ein Ros entsprungen": "Wahr' Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rettet von Sünd und Tod." Am schönsten aber drückt es die 5. Strophe von "Ich steh an deiner Krippen hier" aus, was uns Gottes Kind in der Heiligen Nacht geschenkt hat: "Wann oft mein Herz im Leibe weint und keinen Trost kann finden, rufst du mir zu: Ich bin dein Freund, ein Tilger deiner Sünden. Was trauerst du, o Bruder mein? Du sollst ja guter Dinge sein, ich zahle deine Schulden."

Noch einmal: "Irdisch Gut" hat Jesus nicht in die Welt gebracht oder in ihr hinterlassen. Durch ihn konnte auch schon damals, als er leibhaftig über diese Erde ging, keiner reich an Gütern werden. Im Gegenteil: Besonders gern hatte er es mit den Armen zu tun und auch in seinen Gleichnissen hören wir, dass Gottes Herz eher für die Armen schlägt als für die Betuchten. Dem Reichen Jüngling dagegen hat Jesus geraten: "Verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben". (Lk.18,22) Und von diesem "Schatz im Himmel", den uns Jesus verheißen und gebracht hat, einem Schatz, den wir nie mehr verlieren können, spricht eines unserer schönsten Weihnachtslieder "Wie soll ich dich empfangen". Es beantwortet damit auch die Frage, wie uns Jesus, der uns doch keine irdischen Güter schenkt, doch reich macht: "...du kommst und machst mich groß und hebst mich hoch zu Ehren und schenkst mir großes Gut, das sich nicht lässt verzehren, wie irdisch Reichtum tut."

Ich denke, wir haben nun lang genug darüber nachgedacht und geredet, dass Jesus um unsertwillen arm geworden ist und warum er das getan hat. Jetzt wollen wir fragen, ob auch das andere stimmt: Dass wir durch seine Armut reich geworden sind, wie es das kurze Predigtwort aus dem 2. Korintherbrief behauptet? Dabei ist klar, dass es hier nicht um irdischen Reichtum geht! Aber worum geht es dann? Was könnte das "große Gut" sein, das uns Jesus Christus "geschenkt" hat?

Mir fällt dazu nur eines ein: der Glaube! Und der bezieht sich ja immer auf etwas, das nicht greifbar ist, nicht gegenständlich, nicht materiell, wie zum Beispiel ein Haufen Geld oder Goldstücke, ein Haus oder eine Yacht, ein Wald, eine Wiese oder ein Acker. Dinge, die ich sehen und anfassen kann, muss ich nicht glauben. Und trotzdem glauben wir nicht an irgendetwas, sondern an ganz bestimmte "Dinge", die wir auch benennen können: An die Vergebung der Sünden durch Christi Opfer am Kreuz zum Beispiel. Und an die Auferstehung der Toten. Dass Gott unser Vater ist und Jesus sein Sohn und unser Bruder. Dass Gebete gehört werden und wenn Gott will auch erhört. Und so gibt es noch eine ganze Reihe von Glaubensinhalten, die uns mit dem Glauben selbst geschenkt werden und unseren Reichtum und unseren Schatz im Himmel bilden.

Nun gibt es aber auch Menschen, die würden sagen: Ein solcher Glaube ist nicht sicher. Was wir nur glauben, können wir schließlich nicht wissen. Dazu kann ich nur sagen: Ist denn unser irdischer Reichtum "sicher"? Ich meine jetzt nicht in dem Sinn, ob ich ihn sehen und anfassen kann, sondern ob ich mich verlassen kann, dass er mir gehört? Da können wir nur sagen: Nein! Wenn das Geld seinen Wert verliert - und das soll vorkommen! - dann habe ich nichts mehr. Wenn mein Haus mir weggepfändet wird, ist es nicht mehr mein Haus. Und bei Wiese, Wald und Acker kann es genauso gehen.

Auf der anderen Seite gibt es viele Dinge, die wie Auferstehung oder die Vergebung der Sünden auch nicht gegenständlich sind, von denen aber nicht einmal ganz und gar ungläubige Menschen behaupten würden, dass es sie nicht gibt. Auch hier habe ich einige Beispiele: Etwa die Liebe. Ich kann sie nicht berühren wie einen Gegenstand und sicher ist sie auch keineswegs... Aber ich weiß doch, dass sie da ist, etwa im Blick meiner Mutter oder meines Vaters, im Kuss meiner Frau oder meines Mannes oder den guten Worten einer Freundin oder eines Freundes. Und auch die Treue gibt es: Die kann ich auch nicht anfassen und doch weiß ich, dass der langjährige Mitarbeiter in der Firma sie hat. Auch der Vorsitzende in meinem Verein, der sich seit Jahren unermüdlich für die Sache des Vereins einsetzt und die Nachbarin, die mir schon so lange aufopferungsvoll bei der Pflege meiner Mutter hilft, hat sie. Und der Mut ist so eine Sache, die Güte und die Ehrlichkeit... Nicht greifbar, gewiss auch nicht sicher - aber es gibt sie!

Und so etwas ist eben auch der Glaube und die Dinge, auf die er sich bezieht. Wir können sie nicht sehen, im wahrsten Sinn nicht be-greifen, aber sie sind da - in unserer Sehnsucht und unserer Hoffnung. Und ich gehe soweit zu sagen: Gäbe es sie nicht, unser Leben wäre nicht lebenswert. Es hätte keinen Sinn und kein Ziel.

Aber mir fällt jetzt doch noch etwas Wichtiges ein, das ich bisher zu sagen vergessen habe: Wir können die Dinge des Glaubens, also unseren Schatz im Himmel, zwar nicht mit den Händen fassen und nicht mit den Augen sehen, aber manchmal wird es uns geschenkt, dass wir sie mit unserem Herzen fühlen können. Nicht immer, es sind vielleicht nur Momente hie und da, in denen wir ahnen, wie groß unser Reichtum im Himmel ist...sein wird... Aber ich denke, gerade in der Weihnachtszeit, mit allem was sie an Schönem begleitet - wie die Lieder, die Kerzen, die Düfte und die Vorfreude - sind wir besonders empfänglich für den Glauben an die Dinge unseres himmlischen Schatzes, den uns Jesus geschenkt hat, der arm wurde, damit wir reich würden. AMEN