Predigt am Heiligen Abend - 24.12.2013

Für die Christvesper ohne Krippenspiel

(Bei der Christvesper sind immer sehr viele Kinder anwesend, besonders wenn ansonsten kein Krippenspiel geboten wird. Eine für Kinder verständliche Predigt zum vorgeschlagenen Text (1.Tim 3,16) ist misslungen. Darum habe ich ausnahmsweise den Spruch zum Tag gewählt. M.G.)

Liebe Gemeinde am Heiligen Abend! Liebe Kinder!

Ja, ihr Kinder habt recht gehört: Euch habe ich extra begrüßt. Ich will nämlich heute besonders für euch sprechen, so dass ihr es auch versteht. Wann, wenn nicht heute Abend, sollt ihr denn die beste Botschaft der Welt verstehen? Eure Mamas und Papas, eure älteren Geschwister, eure Omas und Opas, Tanten und Onkel, die jetzt in eurer Nähe sitzen, die will ich natürlich auch ansprechen. Aber wenn ihr heute alles versteht, dann verstehen die es ja wohl auch.

Was ist denn diese "beste Botschaft der Welt"? - Wenn ihr ganz ehrlich seid, dann denkt ihr jetzt sicher: Diese Botschaft muss etwas damit zu tun haben, dass wir heute Geschenke bekommen! Und ihr habt Recht: Es hat damit zu tun! Wenn ihr eure Eltern oder Großeltern fragen würdet, dann könntet ihr aber etwas anderes hören: Die Botschaft dieses Abends ist, dass im Stall von Bethlehem Jesus geboren wurde. Und das ist auch richtig und sicher habt ihr das auch schon gewusst. Aber so ganz haben wir damit immer noch nicht begriffen, was so gut und so großartig an der Botschaft dieses Abends sein soll. Darum hören wir einmal auf das, was in der Bibel dazu steht:

Ein Spruch aus der Heiligen Schrift sagt das so:

Textlesung/Tagesspruch: Jh. 1, 14

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit!

Das ist nun gerade auch kein Wort, das Kinder gleich verstehen. Darum will ich es ein wenig anders - und für euch Kinder - so sagen: Gott ist selbst zu uns auf die Erde gekommen und wohnt jetzt bei uns. In Jesus, dem Kind in der Krippe von Bethlehem, ist das geschehen. Wenn wir ihn anschauen, dann sehen wir Gott selbst.

Zugegeben: Das ist immer noch nicht so ganz deutlich für euch. Vor allem, unsere Zeit macht es uns schwer, dass wir diese Botschaft überhaupt noch hören können. Andere Dinge scheinen doch viel wichtiger am Christfest und vor dem Christfest: Vielleicht dass die Plätzchen und der Stollen rechtzeitig gebacken werden. Oder dass es unsere Familie endlich einmal geschafft hat, den Weihnachtsmarkt in Frankfurt (?) zu besuchen. Der Baum für unsere Wohnstube und die Gans für das Weihnachtsessen müssen besorgt werden. Und natürlich die Geschenke! Die sind besonders wichtig, darum sind sie euch vorhin sicher auch zuerst eingefallen. Das ist auch alles nicht schlimm. Aber das Kind in der Krippe, in dem Gott selbst zu uns kommt, geht darüber oft vergessen. Dieses Kind und diese wunderbare Geburt Gottes in Bethlehem aber war der Grund, warum die Christen überhaupt Weihnachten feiern. Weil sich die Menschen so darüber gefreut haben, dass Gott zu ihnen gekommen ist und nicht weit weg im Himmel geblieben ist, darum haben sie all die anderen Dinge vor dem Fest und für das Fest vorbereitet und veranstaltet: Von den Plätzchen bis zu den Geschenken. Aber bei all dem Trubel in den Wochen vor dem Heiligen Abend ist in den letzten Jahren mehr und mehr verloren gegangen, dass es eigentlich darum geht, dass wir uns darüber freuen, dass Jesus, das Gotteskind zur Welt kommt. Und dass dieses Kind eben nicht in einem Palast, sondern in einem Stall geboren wird. - Wir müssten hinter Plätzchen, Stollen, Weihnachtsgans und Geschenken wieder dieses Kind in der Krippe sehen. Dann wüssten wir auch wieder, warum das die beste Botschaft der Welt ist. Aber wie soll das gehen?

Ich will jetzt einmal einen Jungen reden lassen, er ist vielleicht neun oder zehn Jahre alt. Er erzählt uns von einer kleinen Geschichte, die er am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien in der Schule vorgelesen bekommen hat. Aber bevor ich gleich den Jungen sprechen lasse, muss ich noch euch Kindern etwas sagen: Ihr sollt das bitte nicht nachmachen, was die Geschichte erzählt!

Hören wir jetzt auf den Jungen:

Wir haben endlich Weihnachtsferien gekriegt. Da war in der Schule nicht mehr viel los. 'Ne Geschichte haben wir vorgelesen gekriegt. Und die war bestimmt erfunden und nicht wahr.
Also da hat ein Junge sich in der Kirche die Krippe angeguckt. Dabei hat er gesehen, dass das Gips-Jesuskind nackt war. Er ist nach Hause gesaust und hat aus dem besten Kleid seiner Mutter, ihrem Samtabendkleid, unten am Rock ein Stück rausgeschnitten. Dann ist er in die Kirche zurückgesaust und hat das Stoffstückchen dem Gipskind in der Krippe übergedeckt. Seine Mutter hat einfach ihr Kleid dann kürzer gemacht. - Und sie hat sich darüber gefreut, dass ihr Junge sowas gemacht hat. Also wirklich, wenn ich das an Mamas Abendkleid machen würde! Die würde sich gar nicht freuen. Die würde mir eine knallen und fürchterlich schimpfen.
(Susanne Kilian)

Eine seltsame Geschichte, nicht wahr? Dabei meine ich gar nicht nur die Sache mit dem Stoffstückchen aus dem Samtkleid. Ich finde seltsam, dass der Junge sich kurz vor Weihnachten in der Kirche die Krippe anschaut! Dabei ist er scheinbar ganz allein. Es ist also gerade weder Gottesdienst noch Kindergottesdienst. Sagt mal ehrlich: Würdet ihr in unsere Kirche gehen, nur um in die Krippe zu gucken? Kurz vor Weihnachten habt ihr bestimmt auch andere Gedanken. Vielleicht würdet ihr noch etwas für die Mama basteln. Oder ihr würdet noch einmal das kleine Flötenstück üben, das ihr heute Abend vor der Bescherung vortragen wollt. Vielleicht würdet ihr auch versuchen, durchs Schlüsselloch der Weihnachtsstube schon einmal einen Blick auf eure Geschenke zu erhaschen. Aber zur Kirche laufen und in die Krippe gucken? Das würde euch sicher nicht einfallen.

Der Junge aus der Geschichte aber tut es! Er sieht das nackte Jesuskind aus Gips und das rührt ihn. Bestimmt konnte er das nicht begreifen, dass dieses Gotteskind, wenn es schon in einem Stall geboren wird und dann in einer Futterkrippe liegt, nicht einmal etwas anhat. Wo es doch sogar in der Weihnachtsgeschichte heißt: Maria "gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe". Nein, dieses Gotteskind aus Gips hatte nicht einmal eine Windel an! Das war unmöglich und konnte so nicht bleiben!

Wir verstehen jetzt sicher auch, warum der Junge nicht zu Hause nach irgendeinem alten Tuch oder gar Lumpen gesucht hat. Für das Jesuskind war nur das Beste gut genug. Und das Beste...das war Mamas Samtabendkleid. Darum musste es ein Stück davon sein. Wir begreifen jetzt auch, warum es hier heißt: Der Junge wäre nach Hause "gesaust" und dann mit dem Stoffstückchen zurück-"gesaust". Das musste schnell gehen! Der Junge war ganz erfüllt von dem Gedanken, dass, wenn das Gotteskind in einer Futterkrippe liegt, es wenigstens eine Windel anhaben muss. Und sicher war er sehr froh, als er dem Gips-Jesuskind das Samtstoffstückchen anziehen konnte.

Jetzt aber wird die Geschichte ganz seltsam: Warum macht denn die Mutter des Jungen so ganz ohne Gezeter und Vorwürfe ihr Samtkleid kürzer? Warum schimpft sie nicht mit ihrem Jungen. Ja, warum hat sie sich sogar darüber gefreut, dass ihr Junge so etwas gemacht hat?

Liebe Kinder, liebe Gemeinde, ich weiß es auch nicht so genau. Aber ich denke mir, das hat damit zu tun, dass die Mutter auch schon empfunden hat, dass in unserer Zeit so viel anderes wichtiger geworden ist, als das Kind in der Krippe! Also die Plätzchen, der Baum, die Weihnachtsgans und die Geschenke. Und ganz gewiss hat sie auch schon einmal gespürt, wie schwierig das ist, Kindern, also ihrem Jungen, das deutlich zu machen, dass es an Heiligabend und an Weihnachten eigentlich um diese wunderbare Geburt des Gotteskinds Jesus in unserer Welt geht und dass alles andere - von den Plätzchen bis zu den Geschenken - nur Nebensachen sind. Ich glaube darum, dass der Grund dafür, dass sie nicht mit ihrem Jungen schimpft, sondern sich sogar freut, darin liegt: Dass ihr Junge sich so rührend um das Gipskind in der Krippe gekümmert hat. Er hat sozusagen hinter allem anderen, was uns heute so wichtig an Weihnachten geworden ist, also alles vom Baum über die Gans bis zu den Geschenken, ganz von allein das Wichtigste wieder entdeckt, sozusagen den Kern der Weihnacht und damit die "beste Botschaft der Welt": Dass Gott selbst in diesem Kind Jesus in unsere Welt kommt, auch wo sie dunkel ist, wie in einem Stall, um uns zu zeigen, wie lieb er uns hat und wie viel ihm an jedem von uns liegt - ob wir noch Kinder sind oder schon Erwachsene, ob wir noch jung sind oder schon alt!

Liebe Gemeinde, liebe Kinder, ich wünsche euch und mir selbst auch, dass wir hinter allem äußeren Kram, hinter den Plätzchen, dem Baum und den Geschenken, das Jesuskind in der Krippe wieder entdecken. Und ich wünsche uns allen, die Freude darüber, was da heute in dieser freundlichen Nacht in Bethlehem geschieht: Gott kommt selbst zu uns auf die Erde und wohnt jetzt bei uns. In Jesus, dem Kind in der Krippe von Bethlehem, ist das geschehen. Wenn wir ihn anschauen, dann sehen wir Gott selbst. - (Ich sag's besser noch einmal, liebe Kinder: Hände weg von Muttis Samtabendkleid!) AMEN