Predigt zum 7. Sonntag nach Trinitatis - 14.7.2013

Textlesung: Lk. 9, 10 - 17

Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich, und er zog sich mit ihnen allein in die Stadt zurück, die heißt Betsaida. Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften. Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in der Wüste. Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen. Denn es waren etwa fünftausend Mann.

Er sprach aber zu seinen Jüngern: Lasst sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig. Und sie taten das und ließen alle sich setzen. Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten. Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrigließen, zwölf Körbe voll.

Liebe Gemeinde!

Was waren die großen Dinge, die Jesu Jünger vollbracht hatten? Zum ersten Mal sind sie ohne ihren Meister unterwegs gewesen, hatten gepredigt und geheilt und dabei erlebt, dass ein Stück der Vollmacht Jesu auch in ihnen lebendig war. Jetzt waren sie zurück von ihrer mehrtägigen Wanderung durch die Dörfer in der Nähe des Sees Tiberias. In Betsaida, wohin sich Jesus mit den Aposteln zurückzieht, bahnt sich nun aber ein Zeichen an, das uns deutlich macht, wer die Mitte der wunderbaren Kraft ist und bleibt, an der die Jünger teilhaben, ein Zeichen auch, das weit über sich hinausweist: "Die Speisung der Fünftausend", wie es in unserer Bibel genannt wird.

Wer von uns als Kind in den Kindergottesdienst gegangen ist, hat gewiss damals schon über diese Geschichte gestaunt: Fünftausend Mann hat Jesus mit fünf Broten und zwei Fischen satt gemacht. Vielleicht hat uns die Kindergottesdiensthelferin damals sogar noch gesagt, dass zu den fünftausend Mann auch noch mindestens doppelt so viele Frauen und Kinder kamen, was unser Staunen noch einmal gesteigert hat.

Wie stehen wir heute - als erwachsene Menschen - zu dieser Geschichte? Manche und mancher mag sich das Staunen bewahrt haben und das Denken: "Warum soll der Sohn Gottes nicht ein solches Wunder vollbracht haben?" Ist nicht seine Auferstehung am Ostermorgen ein noch viel größeres Wunder und zeigt es uns nicht, dass dieser Jesus mit der Kraft Gottes im Bund und schon zur Zeit, als er über unsere Erde ging, an diese Kraft als Quelle seiner Vollmacht angeschlossen war?

Für andere führt diese Geschichte den klaren Beweis, dass die Wunder, die von Jesus erzählt werden, nur dem Bedürfnis der Evangelisten entstammen, ihre Evangelien mit Geschichten aufzuwerten, die teils ungenau überliefert, teils bewusst übersteigert unter den Christen kursierten, Christen, die Jesus selbst meist gar nicht mehr persönlich kennengelernt hatten und schon gar nicht bei den von ihnen erzählten wunderbaren Ereignissen dabei waren.

Wer hat nun Recht? Die einen, die davon ausgehen, dass Jesu Wunder - und eben auch die Speisung der Fünftausend - so wie beschrieben geschehen ist. Oder die anderen, die das nicht glauben und über die Gutgläubigkeit und Naivität der ersten Gruppe nur den Kopf schütteln können? Haben vielleicht weder die einen noch die anderen Recht? Gibt es also eine ganz andere - eine dritte - Deutung der Wunder Jesu und dieser Geschichte?

Was sagt sie denn eigentlich, diese Geschichte? Was kommt sozusagen am Ende heraus?

Nur das: "Sie aßen und wurden alle satt", heißt es. "Nur" das??? Sie waren zu Jesus gekommen, er hatte zu ihnen gesprochen und sie wollen, als es Abend geworden war, nicht wieder fortgehen. Er hatte ihnen offenbar etwas gegeben, was sie bleiben lässt, obwohl sie doch sicher müde waren, hungrig auch und nicht erwarten konnten, nun alle von Jesus gespeist zu werden. Außerdem quengelten wahrscheinlich die Kinder und die Familien waren auch nicht mit genügend Matten und Decken versehen, um die Nacht in der Wüste zu verbringen, in der es bitterkalt werden konnte. Darum bedeutet dieses Wort viel mehr: "Sie aßen und wurden alle satt." Nicht nur ihr Hunger war gestillt. Sie waren auch zufrieden, waren angekommen dort, wo man bleiben möchte, bei einem, der Worte hatte, die sie mit Freude erfüllten, begeisterten und vergessen machten, was die Nacht in der Wüste für sie und ihre Familien vielleicht an Kälte und Entbehrung bringen würde.

Und wenn nun diese Geschichte von der Speisung der Fünftausend auch für uns genau diese Botschaft hätte: Bei Jesus Christus werden wir satt!? Bei ihm wird unser Hunger nach dem vollen Leben gestillt. Er macht uns zufrieden. Er erfüllt unser Herz mit Freude. Er begeistert uns so, dass wir unsere Beschwerden, unsere Sorgen und Ängste vergessen. Wäre eine solche Botschaft zu wenig? Würden wir, wenn uns einer diese Botschaft glaubhaft machte, sagen: "Nur" das ist bei Jesus zu haben?

Aber es kommt ja noch etwas hinzu! Der Befund, dass Menschen im Kontakt mit Jesus satt, zufrieden und froh geworden sind, ist ja nicht alles, was uns von Jesus heute erreicht. Schon Petrus, kurze Zeit nach dem Tod, der Auferstehung und der Himmelfahrt Jesu spricht so von dem, was ihm der Herr, der doch nicht mehr leiblich in der Christengemeinde lebendig ist, bedeutet: "In keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden." (Apg.4,12) Spätere Zeugen, etwa Paulus, haben die Kraft und die Vollmacht dieses Herrn genauso erfahren. So schreibt er in seinem Brief an die Römer: "Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus." (Röm.5,1)

Selig sein, Frieden mit Gott haben, sind also Dinge, die Menschen, auch nachdem Jesus von dieser Erde gegangen ist, bei ihm gefunden haben. Und so ist das ja auch weitergegangen durch die Jahrhunderte der Kirchengeschichte und der Geschichte des Christentums. Immer wieder und immer mehr haben Menschen bei Jesus Christus die Erfahrung gemacht, dass sie bei ihm satt werden, oft auch an ihrem Leib, aber ganz gewiss an ihrer Seele: Dass sie auch in schwieriger Lebenslage doch erfüllt sind von seiner Kraft und seiner Liebe. Dass sie ohne Angst durch dunkle Zeit gehen können und doch seine Hand nicht verlieren. Dass sie Geld und Gut ausschlagen, um nicht davon abgelenkt zu werden, seinem Weg und seiner Lebensart zu folgen. Ganz sicher übrigens bin ich, dass auch einige Menschen hier und heute solche Erfahrungen teilen und nur zustimmen können, wenn es in der Geschichte heißt: "Sie aßen und wurden satt."

Liebe Gemeinde, vorhin habe ich gefragt, wer hat denn nun Recht, die einen, die davon ausgehen, dass Jesu Wunder - und eben auch die Speisung der Fünftausend - so wie beschrieben geschehen ist. Oder die anderen, die über so viel Gutgläubigkeit und Naivität nur den Kopf schütteln können. Die dritte Frage war, ob denn vielleicht weder die einen noch die anderen Recht haben?

Es wird Sie jetzt sicher überraschen, wenn ich sage: Die Antworten auf diese Fragen sind eigentlich völlig gleichgültig. Wenn einer die Geschichte als einen Tatsachenbericht lesen will - warum nicht? Es wird seinen Grund haben, warum er Jesus solche Wundertaten zutraut. Und dieser Grund wird damit zu tun haben, was er selbst ganz persönlich in seinem Leben mit Jesus erfahren durfte. Und wenn eine bekennen muss, dass sie für unmöglich hält, was wir in der Speisung der Fünftausend von Jesus hören - warum sollte sie etwas anderes sagen? Auch hierfür liegt der Grund in ihren Erfahrungen mit Jesus Christus oder sagen wir besser, dass sie solche Erfahrungen nicht hat machen können! Und wenn weder der eine noch die andere Recht hat, so ist auch das ohne Bedeutung. Allein wichtig ist, dass Menschen sich aufmachen zu Jesus Christus. Wenn sie dann bei ihm erleben, was sie satt macht und froh, wenn bei ihm ihr Hunger nach erfülltem Leben gestillt wird, er sie begeistert und sie auch in schwierigen Zeiten bei ihm Halt und Trost bekommen, dann haben sie für sich persönlich die Antwort gefunden, wie sie die Geschichte von der Speisung der Fünftausend verstehen können - ja, dann wohl verstehen müssen.

Da gibt es übrigens noch einen Satz in der Wundergeschichte, den wir unbedingt noch besprechen sollten. Einen Satz der besonders denen gilt, die den Weg zu diesem Jesus Christus schon gefunden und bei ihm erfahren haben, dass er sie satt gemacht hat an Leib und Seele. Ich meine diesen Satz: "Gebt ihr ihnen zu essen." Jesus hat so zu seinen Jüngern gesprochen, bevor er noch das Wunder getan hatte. Dann aber haben sie es erlebt, dass die Menschen, die zu Jesus kommen und bei ihm bleiben, satt werden, froh und erfüllt mit seiner Kraft und Liebe. Wir, die wir seine Kraft und Liebe erlebt haben, wollen jetzt auch die Menschen zu ihm führen, die ihn noch nicht kennen. Wir wollen den Menschen in unserer Nähe, unseren Kindern und Enkeln zuerst, aber auch unseren Freunden und allen, die uns lieb, aber auch denen, die uns bis heute fremd geblieben sind, von ihm erzählen, sie auf ihn neugierig machen und ihnen so den Weg zu ihm zeigen und bahnen. So wollen wir Jesu Weisung erfüllen: "Gebt ihr ihnen zu essen." AMEN