Predigt zu "Christi Himmelfahrt" - 9.5.2013

Textlesung: Jh. 17, 20 - 26

Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst. Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war. Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.

Liebe Gemeinde!

An diesem Tag der Himmelfahrt unseres Herrn erwarten wir, dass von bestimmten Themen die Rede ist: Vom Abschied zum Beispiel, davon wo der Himmel ist und wie wir uns das denn vorstellen müssen, wenn Jesus dorthin "hinauf fährt". Vielleicht auch würden wir gern etwas darüber erfahren, wie dieser Himmel, den ja auch wir Christen erwarten, aussieht?

Heute ist das anders. Wenn sie mitgezählt hätten, welche Wörter eben in der Lesung am häufigsten vorkamen, dann wüssten sie, worüber heute zu reden ist: Achtmal spricht Jesus davon, dass wir "eins sein" sollen und er in Gott, Gott in ihm, wir in ihm und er in uns ist und sein will. Damit ist unser Thema heute bezeichnet: Die Einheit der Christen - untereinander und mit ihrem Herrn.

"Ich bitte aber nicht allein für sie (die Jünger damals sind gemeint!), sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien." Hier ist schon gleich alles klar: Jesus denkt auch an die Zukunft seiner Sache. Nicht nur seine Leute damals sollen eins sein. Über alle Zeiten des Christentums und seiner Kirche sollen seine Nachfolger, alle, die nach ihm heißen, einig sein im Glauben und Hoffen - bis heute. Und warum ist diese Einigkeit so wichtig? Hier ist Jesu Antwort: "... damit ... die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst."

Und das ist ja nun wirklich ein großes Problem unserer Zeit, dass in den Kirchen, die sich auf Jesus Christus berufen, noch lange keine Einheit erreicht ist. Dass wir jetzt wenigstens die Taufe gegenseitig anerkennen ist da ja nur ein Anfang! Das darf nicht alles bleiben! Gerade der Abendmahlsfeier steht es besonders schlecht an, wenn sie Unterschiede macht, wer in der einen Kirche und wer in der anderen daran teilnehmen darf. Wenn wir dabei ernst nehmen, dass unser Herr selbst der Gastgeber ist (was sicher alle Kirchen unterschreiben würden!!!), dann darf kein Priester oder Pfarrer am Tisch des Herrn bestimmte Gäste abweisen. Wer sind wir, dass wir das tun dürften!?

Aber schauen wir dorthin, wo wir wirklich etwas tun, etwas verändern können: in unsere eigene Gemeinde, unseren näheren Lebenskreis: Herrscht da Einheit? Und wenn wir dabei im Blick auf die kirchliche Gemeinde und jene, die sich wie heute im Gottesdienst versammelt haben, vielleicht noch ja sagen können - wie sieht es in unserem Dorf (unserem Stadtviertel), unserer Straße, unserer Nachbarschaft, unserer Familie aus? Sind wir eins im Geist, im Wollen und Handeln?

Ein Mann aus einem Dorf in der Nähe hat mir neulich etwas erzählt, das passt gut zu dieser Frage:

Sie haben dort vor einiger Zeit das 100jährige Bestehen eines örtlichen Vereins gefeiert. Zu Beginn stand ein Festgottesdienst in der Kirche. Danach wurde eine ganze Woche lang mit vielen Veranstaltungen das Jubiläum begangen: Festumzug, Tanzvergnügen, Platzkonzert, Laientheater ... Nach der wirklich schönen Festwoche bat der Jubiläumsverein sogar um einen zweiten Gottesdienst, um die Woche mit Gotteslob und Dank in der Kirche zu beschließen. So war die Feier ein echter Höhepunkt in der Vereins- und Dorfgeschichte geworden.

Darum war es gar nicht erstaunlich, dass jemand am Montag nach dem Dankgottesdienst an der Bushaltestelle in der Nähe der Kirche ein Schild angebracht hatte, auf dem hinter dem Namen des Ortes stand: ".... - Dorf der Einigkeit!" Der Mensch, der das Schild mit schönen großen Buchstaben gemalt hatte, wird von der Festwoche wohl so angetan gewesen sein, dass er seiner Freude und Begeisterung auf diese Weise Ausdruck geben musste. (Und wir können das sicher gut verstehen.)

Der Mann, der mir davon erzählt hat, war aber noch nicht fertig mit seiner Geschichte: Es hätte nur wenige Tage gedauert, da wäre im Dorf der Alltag wieder eingezogen: Im Jubiläumsverein und in den Familien der Mitglieder wäre die Festfreude dahin gewesen und die alten Probleme zwischen Vorstand und den anderen Vereinsangehörigen, den Ehegatten zu Hause, zwischen Eltern und Kindern wieder aufgebrochen. Die Nachbarn hätten sich wie ehedem um Nichtigkeiten gezankt. Das ganze Dorf wäre wieder genauso wie vor dem Jubiläum gewesen: Unfreundlich die einen, mürrisch die anderen, manche freilich um ein gutes Miteinander bemüht, aber das waren diese Leute auch vorher schon - eigentlich also war alles wieder beim Alten.

Liebe Gemeinde, was könnten wir aus dieser kleinen Geschichte entnehmen?

Einigkeit zwischen Menschen und eben auch, wenn sie Christen sind, entsteht nicht, wenn sie durch irgendjemand oder irgendein Ereignis verordnet wird. Solch eine "Einigkeit" hält nur kurze Zeit und verpufft dann wieder. Dass wir eins sind, kommt auch nicht von außen. Einheit beginnt innen - in unserem Willen und unserem Herzen. Und noch etwas können wir aus der Geschichte herauslesen: Einigkeit braucht dauerhafte Mühe, andauernde Anstrengung! Schließlich können wir auch das noch sagen: Selbst ein Gottesdienst - und hier waren es sogar zwei! - kann nicht bewirken, dass die Einigkeit unter uns - sozusagen durch höhere Hilfe - erhalten bleibt. Und doch glaube ich, dass es auch ohne die Hilfe Gottes, ohne die Rückbindung im Glauben und Vertrauen auf unseren Herrn nicht geht! - Aber wie geht es?

"Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, sagt Jesus, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast." In IHM sein, liebe Gemeinde, das ist nicht ein Zustand, den wir am Sonn- oder am Feiertag - vielleicht hier im Gottesdienst - erreichen, und danach wieder abtun, weil wir ihn im Alltag der Welt ja eh nicht gebrauchen können. Wie Jesus immer in Gott ist und der Vater immer in ihm, so sollen auch wir jeden Tag, jede Stunde und jede Minute unseres Lebens in unserem Herrn sein. Und das sagt und hört man in der Kirche vielleicht nicht so gern, aber das kostet durchaus auch Mühe! Es ist zum Beispiel nicht so leicht, meine Frau, meinen Mann liebevoll zu behandeln, wenn ich mich an ihm geärgert habe. Und es ist leichter, meinem Nachbarn die kalte Schulter zu zeigen, als freundlich mit ihm zu reden, wenn er wieder einmal den Rasenmäher ausgerechnet dann anwirft, wenn gerade Mittagszeit ist und ich mich für ein Schläfchen auf die Gartenliege gelegt habe. Und auch die Kinder oder Enkel machen es uns manchmal schwer, wenn sie ihre altersgemäßen Trotz- oder Auflehnungsphasen haben und wir möchten ihnen oft lieber zeigen, wer am längeren Hebel sitzt, als dass wir auf sie zugehen und sie zu verstehen versuchen.

Noch einmal: Die Einigkeit ist nicht leicht zu haben. Sie verlangt auch Mühe und Anstrengung!

Aber vergessen wir dabei nicht, dass Jesus selbst uns heute auch seine Hilfe zusagt: "Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien." Wir heute, genau so wie schon die Jünger damals, werden gestützt durch die Fürbitte Jesu beim Vater. Er wird unserem ehrlichen Bemühen seinen Beistand nicht versagen. Er ist uns nah an jedem Tag, in jeder Minute unseres Lebens. Und ganz besonders wo es uns schwer fällt, die Einigkeit, die er uns aufgegeben hat, zu erhalten. Da gibt er uns, wenn wir ihn nur bitten, die Kraft, das Richtige zu reden und zu tun, das unsere Beziehung zu anderen stärkt, fördert und heilt.

Nehmen wir ernst und vertrauen wir auf das, was unser Herr uns heute verspricht: "Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast." Ein Leben in Einigkeit mit allen Menschen, die uns das Schicksal zu Seite gestellt hat oder uns begegnen lässt, ist möglich. Auch wenn wir heute an diesem Himmelfahrtstag feiern, dass unser Herr aufgefahren ist zum Vater, so sind wir hier doch nicht allein. Uns trägt die Verheißung Jesu Christi: Vater, "ich habe - den Menschen - deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen." Es ist zuletzt die Liebe unseres Herrn, die uns die Einigkeit untereinander schenken kann. Und wenn wir die rechten Schritte darauf zu tun, dann kann auch wahr werden, was ein weiterer, noch viel höherer Sinn der Einheit unter uns ist: "... damit ... die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst." AMEN