Predigt zum Sonntag "Quasimodogeniti" - 7.4.2013

Textlesung: Mk. 16, 9 - 14 (15 - 20)

Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten. Und als diese hörten, dass er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht. Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht. Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen.

Liebe Gemeinde!

Machen wir uns nichts vor: Wir verstehen die hier von Jesu Auferstehung hören und es nicht glauben können. Vielleicht geht es uns selber ja nicht anders. Und wenn es hier heißt, Jesus hätte, als er sich ihnen schließlich selbst offenbarte, den Unglauben und die Herzenshärte der Jünger gescholten, dann scheint uns das auch ziemlich hart und ungerecht. Warum? Weil wir nun einmal nicht gleich glauben können, was gegen unseren Verstand und unsere Erfahrung spricht. Es ist vernünftigerweise nicht zu erwarten, dass Tote, deren Tod man selbst miterlebt hat, wieder auferstehen und uns sogar zu Hause besuchen. Das war damals so und das ist heute genauso!

Und wenn wir noch fragen: Von wem haben wir denn die Vernunft bekommen? Und wer hat uns denn den Verstand gegeben, dass wir damit die Welt wahrnehmen und auch die Erfahrungen sammeln, die wir gemacht haben. Wer hat uns schließlich auch eine gewisse Vorsicht empfohlen, dass wir nicht alles glauben, was die Leute reden und im religiösen Bereich nicht den falschen Propheten und Scharlatanen auf den Leim gehen, die doch meist nur unser Geld wollen?

Bei allen drei Fragen ist "Gott" die Antwort. Von ihm kommt unsere Vernunft, unser Verstand und auch unsere Vorsicht. Er hat uns so geschaffen. - Und jetzt wirft uns sein Sohn Unglauben und Herzenshärte vor???

Liebe Gemeinde, wir könnten jetzt unsere Gedanken in dieser Richtung weiterspinnen, könnten uns darüber austauschen und erregen, dass doch in der Bibel einiges schwer verständlich ist und uns ungerecht erscheint. Ja, das könnten wir. Aber wohin würde uns das führen? Und vor allem, würde es uns nützen und zu irgendetwas gut sein? Ich glaube nicht.

Es gibt aber noch eine ganz andere Sicht der Geschichte, die uns heute zu bedenken vorgelegt ist, die ist viel verheißungsvoller und die bringt uns wirklich weiter und wir können am Ende auch etwas Gutes mit nach Hause nehmen. Wir wollen, um diese andere Sicht zu gewinnen, noch einmal den letzten Vers der Geschichte hören: "Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen."

Es sind hier gleich zwei Hinweise in Richtung dieser anderen Sicht enthalten: Einmal glauben die Jünger ja ganz offensichtlich jetzt an Jesus, da sie ihn vor sich sehen. Und offenbar haben auch die, die ihn zuvor gesehen haben, an ihn geglaubt. Was lernen wir daran? Man muss Jesus Christus gesehen haben, um an ihn glauben zu können.

Aha, werden wir jetzt sagen: Dann kann es heute also gar keinen Glauben mehr geben? Aber wenn wir das sagen, müssen wir gleich wieder dagegen reden: Das kann ja gar nicht sein, denn es gibt ihn ja, den Glauben an Jesus Christus - und eben auch bei Menschen, die ihn nicht gesehen haben, zum Beispiel bei uns selbst. Oder haben die anderen ihn vielleicht gesehen - wir aber nicht?

Liebe Gemeinde, sagen wir zunächst einmal statt "sehen" wahrnehmen. Das trifft es besser. Völlig blinde Menschen sagen ja auch manchmal: "Ich sehe das nicht so!" "Ich sehe das ganz anders." Oder ähnliche Dinge. Sie haben aber doch gar keine Augen, die sehen können! Es gibt eben auch noch ganz andere Möglichkeiten Jesus in unserem Leben wahrzunehmen. Etwa mit den Ohren, wenn wir hören, was er uns sagt. Das geht sogar nicht nur, wenn er sozusagen leibhaftig mit uns spricht, sondern auch, wenn wir - wie heute - Gottes Wort in der Heiligen Schrift lesen oder darin über ihn hören. Aber auch in unseren Gedanken kann er uns ganz nah kommen, so nah, dass wir seine Züge erkennen, seinen Willen erfahren oder spüren, wie seine Hand uns führt. Manche Menschen haben Jesu Stimme sogar schon in ihren Träumen gehört und dabei erkannt, was er von ihnen erwartet.

Aber eine ganz andere Weise, Jesus zu begegnen, muss ich unbedingt noch ansprechen: Ich meine das, was uns als seine Leute ja doch auch verheißen ist, sogar wenn nur "zwei oder drei in seinem Namen beisammen" sind(Mt.18,20), dass er nämlich mitten unter uns sein wird. Und das haben wir alle sicher auch schon erlebt. Vielleicht in einer Bibelstunde, vielleicht bei einem Weltgebetsabend oder auch in einem Sonntagsgottesdienst, hier in der Kirche. Es ist sicher nicht immer zu spüren, dass er unter uns ist. Das liegt aber nicht an ihm, glaube ich. Das hat mehr damit zu tun, dass wir nicht immer so sensibel sind oder so empfänglich für seinen Geist.

Es mag sein, dass es noch weitere Möglichkeiten gibt, Jesus Christus heute wahrzunehmen und ihn zu "sehen", wenn auch nicht mit den Augen, die wir in unserem Kopf haben. Den Augen unseres Herzens aber hält er sich nicht verborgen. Da sind auch heute noch wunderbare, beglückende Begegnungen möglich.

Ich kann ja nun nicht Gedanken lesen, aber ich könnte mir vorstellen, dass jetzt einige von uns überlegen, wo sie Jesus zuletzt auf irgendeine Weise wahrgenommen, seine Nähe gespürt oder seine Stimme gehört haben. Und vielleicht müssen Sie dann ja sagen, dass Ihnen gar nichts dazu einfällt. Bevor Sie dann denken, dass Sie damit die große Ausnahme wären, will ich Sie beruhigen: So geht es vielen hier und auch ich müsste einige Zeit nachdenken, bis mir die letzte wirklich deutlich spürbare Begegnung einfiele, die ich mit IHM hatte. Das sind und bleiben besondere Gelegenheiten, besonders wertvolle Stunden oder auch nur Minuten. Aber eins will und muss ich dazu auch noch sagen - und da sind wir zurück bei der Geschichte, die uns heute beschäftigt hat: Allein dadurch, dass uns einer sagt, Jesus ist auferstanden und er hat ihn gesehen, werden wir nicht zum Glauben an ihn finden. Es war und es ist immer die Begegnung mit ihm, dass wir ihn selbst mit unserem Herzen sehen, ihn hören oder auf andere Weise wahrnehmen. So ist es schon am ersten Ostermorgen gewesen und so ist es heute, immer wenn es um den Auferstandenen und den Glauben an die Auferstehung geht.

Aber was bedeutet das jetzt für uns, für unser alltägliches Leben? Anders gefragt: Was ist es, was wir von heute, von diesem Gottesdienst an Gutem mitnehmen können, wie ich das doch vorhin versprochen habe?

Ich denke, wir sollten wieder mehr als bisher die Begegnungen mit unserem Herrn suchen. Wir sollten ihn wieder häufiger wahrnehmen, hören und ihn spüren. Das hängt nämlich auch von uns selbst ab, nicht allein von IHM! Sie werden sicher mit mir übereinstimmen, wenn ich sage: Die Gelegenheiten, Jesus zu begegnen, sind heute rar, jedenfalls wenn wir an das öffentliche, gesellschaftliche Leben denken. Unsere Rücksicht auf Menschen, die an keinen Gott glauben und auf die Anhänger anderer Religionen ist so groß, dass immer weniger erkennbar wird, dass wir im christlichen Abendland leben. Die Praxis unseres christlichen Glaubens ist immer mehr ins Private abgedrängt worden. Also müssen wir Jesus heute mehr im privaten Bereich suchen, in unserer eigenen Lebensgestaltung, in unserer Familie und in unserer Kirchengemeinde. Dort gibt es Gott sei Dank auch viele Möglichkeiten, Jesus Christus, seinem Wort, seinem Geist und damit der Begegnung mit ihm mehr Raum zu geben. In der täglichen Bibellese zum Beispiel, im Gebet - nicht nur am Morgen oder Abend, im Gespräch über Glaubensfragen mit unseren Kindern oder Enkeln, auch indem wir sie zum Gottesdienst- Kindergottesdienstbesuch anhalten und sie dabei begleiten, indem wir die Angebote der Gemeinde annehmen und den Schritt über die Schwelle zum Frauen-, zum Seniorenkreis oder Bibelabend wagen.

Liebe Gemeinde, der Glaube ist dadurch nicht garantiert, wie auch die Begegnung mit dem lebendigen Herrn dadurch noch nicht garantiert ist. Glaube bleibt immer ein Geschenk! Sicher ist aber - und das haben wir an der Geschichte heute gelernt - nur vom Hörensagen wird kein Glaube in uns entstehen, schon gar kein Glaube an die Auferstehung.

So wünsche ich Ihnen heute den Mut, es an dieser oder jener Stelle in ihrem Alltag zu wagen, das Ihre zu tun, um eine Begegnung mit Jesus möglich zu machen. Er allein kann Ihnen zeigen, dass er der auferstandene, lebendige Herr ist. - So kann es Ostern für Sie werden. AMEN