Predigt zum 1. Sonnt. nach Trinitatis - 10.6.2012

Textlesung: Jer. 23,16 - 29

So spricht der HERR Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN. Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen -, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.

Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat ein Wort vernommen und gehört? Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen. Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen. Ich sandte die Propheten nicht, und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen, und doch weissagen sie. Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren. Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe? spricht der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt? spricht der HERR. Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt. Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, wie auch ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal? Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der HERR. Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?

Liebe Gemeinde!

Solche Predigttexte würde man als Prediger eigentlich gern unterschlagen und lieber einen anderen wählen. Sie sind so hart, so direkt, so deutlich und fast kommen sie einem unbarmherzig vor. Wenn man sie aber predigt, ist es nicht möglich über solche Sätze einfach hinwegzugehen: "Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen." Oder solche: Mein Wort ist wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt." Das sind schon bedrohliche Sätze! Wenn wir uns überhaupt auf sie einlassen, dann kommen sie uns auch nah, beunruhigend nah!

Vielleicht versuchen wir es dann damit: Diese Worte Gottes hat der Prophet Jeremia vor über zweieinhalbtausend Jahren dem Volk Israel verkündet - wir sind also gar nicht gemeint! Aber kann uns das wirklich überzeugen? Denn wenn wir davon ausgehen, dass diese Verse nur dem Volk Israel gegolten haben, dann können wir andere alttestamentliche Texte auch nicht mehr auf uns beziehen - auch die nicht, die uns gut gefallen! Überhaupt müssten wir uns für unsere Liturgie und unsere Predigt vom ganzen Alten Testament verabschieden - und damit z.B. auch von den herrlichen Psalmen und den guten Geschichten von den Erzvätern Abraham bis Josef und denen von den Königen Israels. Und das wäre nicht nur ein großer Verlust, das wäre auch nicht sinnvoll, denn das Neue Testament, besonders die Geschichte Jesu, könnten wir nicht verstehen, ohne die Kenntnis der Geschichte Israels mit seinem Gott, der ja auch unser Gott ist.

Was machen wir also jetzt? - Es hilft wohl nichts anderes, als dass wir zuerst einmal schauen, was Jeremia damals sagen wollte und dann fragen, was uns das vielleicht heute sagen will.

So spricht der HERR Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN. Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen -, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.

Diese Worte waren damals eine ganz klare Sache: Während Jeremia das Volk Israel, das seinen Gott weithin verlassen hatte, vor dem Untergang warnen wollte, gab es andere selbst ernannte Propheten, die dem Volk Frieden, Heil und eine gute Zukunft versprachen. Diese falschen Propheten sind gemeint, wenn Jeremia von Gott ausrichten lässt: "Ich sandte die Propheten nicht, und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen, und doch weissagen sie." - "Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt. Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen?"

Die falschen Propheten haben nicht aufgehört, das zu predigen, was ihnen Gott nicht aufgetragen hatte. Sie haben Heil gepredigt, wo sie dem verstockten Volk das Unheil ansagen sollten. Jeremias Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Aber das Unheil ist gekommen. Israel wurde (im Jahr 589) von den Babyloniern vernichtet, der Tempel in Jerusalem wurde zerstört und geschändet, das Volk nach Babylon in die Gefangenschaft verschleppt.

Zwei Lehren müssen wir aus den harten Worten des Jeremia ziehen, einmal diese: Propheten, die Frieden mit Gott versprechen, wenn die Menschen im Ungehorsam gegen ihn leben, können sich nicht auf seinen Auftrag berufen. Und die andere: Ganz gleich, was die Heilspropheten prophezeien, wenn Gott Unheil für die Menschen beschlossen hat, die von ihm abgefallen sind, dann wird dieses Unheil eintreffen und keiner kann es aufhalten! Denn Gottes Wort ist wie Feuer und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt!

Aber hinter diesen beiden Lehre steht noch eine dritte, die ist mir und ich denke. die ist überhaupt am wichtigsten: Dass nämlich Gott den Ungehorsam der Menschen nicht einfach so durchgehen lässt, sondern auch bestraft!
Aber gehen wir den zwei Lehren eine nach der anderen entlang: Wenn ich an Propheten denke, die selbst nicht gehorsam das Wort Gottes verkündigen und ungehorsamen Menschen Frieden und Heil versprechen, dann fallen mir zuerst die Kirchenmänner ein, die sich im 3. Reich in den Dienst des Naziregimes gestellt haben. Und solche hat es zahlreich gegeben. Sie haben den Christen eingeredet, dass es richtig ist, "mit den Wölfen zu heulen", für eine Zeit die christlichen Werte hintanzustellen und z.B. einen Unterschied zu machen, was wertes und was unwertes Leben ist und wer Anspruch auf Nächstenliebe hat und wer nicht... Ich weiß wohl, dass es damals nicht leicht gewesen ist, als Pfarrer oder Bischof gegen die offizielle Politik zu lehren und zu predigen. Und es ist auch für die "einfachen" Christen nicht leicht gewesen, damals in der Spur unseres Herrn zu bleiben. Wenn man ihm gehorsam war, musste man um sein Leben fürchten. Ich will da auch nicht leichthin - von heute aus - ein Urteil sprechen. Mir geht es um etwas anderes: Es gibt - obgleich es in unseren Tagen nicht mehr gefährlich ist, Gottes Wort gehorsam zu predigen - eine ähnliche Tendenz in unserer heutigen Kirche, die wir oft in den Predigten und Ansprachen heutiger Kirchenleute erkennen. Sie muten den Christen die Wahrheit Gottes nicht mehr zu und drücken sich darum, etwa Verse, wie wir sie im heutigen Predigttext lesen, vor die Ohren der Gemeinde zu bringen. Dahinter steht oft das - wie ich finde - falsche Verständnis von Bibelstellen wie dieser: "Gott ist die Liebe", ein Wort, das wir im Johannesevangelium lesen. Dieses Wort bedeutet nämlich nicht, dass Gott immer nur lieb ist, dass er keinerlei Ansprüche stellt, wie wir leben und wie wir sein sollen, dass er alle unsere Fehler, unsere Sünde und Schuld übersieht oder gar gutheißt und dass es am Ende der Zeit für alle Menschen "gut" ausgeht und sie Gottes Heil sehen. Richtig verstanden bedeutet es vielmehr (was paulinisch und damit gut biblisch ist!): Gott hasst die Sünde, aber er liebt den Sünder! Und wegen dieser Liebe zum Sünder hat er die Sünde an seinem Sohn Jesus Christus heimgesucht und gestraft. Jetzt können wir durch ihn in und aus der Liebe Gottes leben - auch wenn wir weiter Sünder sind und bleiben. Und das ist eine Wahrheit, die keiner verbergen muss, sei er Prophet oder Prediger! Das sollen und können wir den Menschen vielmehr getrost und gehorsam verkündigen!

Die zweite Lehre sagt uns, wenn Gott Unheil beschlossen hat, dann trifft es auch ein. Dafür gibt es in unserer älteren und jüngeren Geschichte unzählige Beispiele. Aber jede und jeder von uns wird das anders sehen: Was für den einen eine Strafe Gottes war, wird für die andere bloß ein Naturereignis gewesen sein. Ähnlich ist das auch bei einem persönlichen Geschehen. Eine wird das für sie schlimme Ereignis als bloßen Zufall betrachten. Ein anderer wird davon sprechen, dass Gott ihm damit auf die Schulter getippt hat. Einig aber sind wir uns gewiss alle darin, dass Gottes Hand immer wieder in die Geschichte seiner Welt und in unser persönliches Leben eingreift, dass er damit zurechtweist, Einhalt gebietet und auch einmal straft - sicher meist in der Absicht, dass wir unser Tun und unseren Weg ändern und zu dem zurückkehren, was sein Wille und sein Auftrag für uns ist.

"Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen. Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht."

Liebe Gemeinde, es wäre gut, wenn alle, die in der Verkündigung des Wortes Gottes stehen, das ungeschönt und unverbogen weitersagen, was dieses Wort sagen will - auch wenn es den Hörern vielleicht einmal nicht gefällt. Und es wäre gut, wenn wir als Christen und als Hörer des Wortes Gottes, auch damit rechnen, dass Gott Dinge tut, die uns zurechtbringen sollen und uns Worte zu sagen hat, die von uns verlangen, dass wir unser Denken und Leben ändern. Und vergessen wir dabei nie: Gott hasst die Sünde, aber er liebt den Sünder! AMEN