Predigt zum Sonntag "Okuli" - 11.3.2012

Textlesung: 1. Petr. 1, (13 - 17) 18 - 21

Denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt wurde, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen, die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn auferweckt hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben, damit ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.

Liebe Gemeinde!

In der antiken Welt, in der Jesus und seine Zeitgenossen lebten, war es üblich, dass Sklaven oder Kriegsgefangene mit Geld, Silber oder Gold freigekauft wurden. Darum haben die Empfänger des Petrusbriefs sicher gleich verstanden, was das heißt: "Ihr seid nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi!" Es war Götzendienst, dem die Väter anhingen! Und dass die Kinder davon freikommen, ist mit Leiden, Blut und Tod bezahlt worden.

Es ist schon seltsam, aber in Zeiten wie diesen, in denen Gold, Geld und Aktien wieder wichtiger werden als ideelle Werte wie Vertrauen und Liebe, Treue und Wahrhaftigkeit, Güte und Verlässlichkeit passen diese Worte des Petrus wirklich gut als Predigttext! Mir kommt es so vor, als müssten, ja, als sollten wir diese Worte unbedingt gerade heute hören! Aber warum kommt mir das so vor? Ein paar Beispiele, die Sie wie ich kennen und genau wie ich oder ähnlich schon erlebt haben:

In der gegenwärtigen Politik Europas etwa, wenn es um die Hilfe gegenüber hochverschuldeten Staaten geht, zählt heute nur noch das Geld bzw. die Sicherheiten, die geboten werden können. Das gegenseitige Vertrauen, auf dem Europa am Anfang aufgebaut werden sollte, ist längst nicht mehr vorhanden (sicher auch, weil manche europäische Regierungen bei der Gründung der EU falsche Bilanzen mit geschönten Zahlen vorgelegt haben!). Noch deutlicher wird die Abkehr von "Treu und Glauben", die früher einmal galten, wenn wir nach den so genannten "Märkten" sehen: Aus Geschäftspartnern sind Anleger geworden. Tausende von Computern an den Börsen der Welt und in den Büros der Aktionäre rings um den Globus prüfen in Sekundenbruchteilen jede Aktienkurve und reagieren selbständig in derselben Geschwindigkeit mit Kaufen oder Verkaufen. Um einen Werbeslogan zu bemühen: "Hier spricht der Preis!" Wie Spekulation etwa die Preise für Grundnahrungsmittel in der 3. Welt in die Höhe treibt, interessiert die Anleger nicht. Es geht nur noch ums Geld.

Auch die "Beziehung" zu unserer Bank und wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat, zeigt eines ganz deutlich: Es geht immer weniger um ein persönliches Vertrauensverhältnis zu einem Bankangestellten. Wo gibt es überhaupt noch Filialen, in denen uns Menschen bedienen? Wir tätigen unsere Bankgeschäfte "online" am PC und holen unser Bargeld bei einem Automaten ab.

In einer Familie mit zwei Kindern ist es in letzter Zeit üblich geworden, dass der Junge, er ist drei Jahre jünger als seine Schwester, für jede Klassenarbeit, die mit zwei oder besser bewertet wird, fünf Euro Taschengeldzulage erhält. Neulich hat nun die ältere Schwester protestiert: "Bei mir habt ihr das nicht gemacht, obwohl ich eigentlich meist gute Noten bekommen habe! Das ist nicht richtig! Ich werde einmal schauen, was ich an Nachzahlung kriegen müsste!"

Und wie ist es in der Kirchengemeinde? - Nicht selten wird heute auch bei einer Beerdigung noch Kollekte erhoben. Wo bei einem Kirchenkonzert der Eintritt eigentlich frei war, stehen am Ausgang doch die Kirchenvorsteher mit dem Sammelteller. Kürzlich ist mir zu Ohren gekommen, dass in einer Gemeinde die Hilfe beim Kaffeekochen für den Beerdigungskaffee nicht mehr ein selbstverständlicher Dienst der Nachbarn für die Trauerfamilie ist, sondern mit Geld bezahlt wird.

Eigentlich passt hier auch gut ein Wort zur neu aufgelebten Diskussion um die Sonntagsruhe: Auch die "religiöse Erhebung" von der unsere Verfassung spricht, auch die "Sonntagsheiligung" wie sie von den Kirchen eingeklagt wird, sind ja ideelle Werte. Und wenn sie gegen Ladenöffnung, Konsum und Geschäfte am Sonntag ausgespielt werden, dann werden sie auf dem Altar des Götzen Mammon geopfert, dem bekanntlich nicht dienen kann, wer Gott zum Herrn hat. (Mt. 6,24)

Da hinein spricht jetzt Petrus: "Ihr seid nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi!" Und wir könnten antworten: Na, Gott sei Dank, es gibt ja noch die Sache mit Gott, in der es anders zugeht! Wie gut, dass wir auch davon am Sonntag immer wieder einmal hören!

Liebe Gemeinde, ich glaube, es ist zu wenig, wenn uns das von Zeit zu Zeit in einem Gottesdienst gepredigt wird. Und selbst wenn wir uns das jeden Morgen neu in unserer Stillen Zeit klar machen würden, wäre es zu wenig. Es geht hier um die Mitte, den Kern, das Wesen und die Einzigartigkeit unseres Glaubens! Einmal ganz deutlich: Wir vertrauen Gott nicht, weil er uns mit Geld oder irgendwelchen Sachwerten von Schuld, Sünde und dem Verhängnis des Todes befreit hat, sondern weil dafür einer - ganz persönlich und aus Liebe zu dir und zu mir - am Kreuz gestorben ist! Und dieser eine ist Gottes Sohn und er heißt Jesus Christus!

Und es ist eben nicht so, dass ich dieses Vertrauen als die Mitte meines Glaubens bei bestimmten Gelegenheiten, in bestimmten Situationen, im Alltag oder gegenüber Menschen, die keinen oder nicht denselben Glauben haben beiseite schieben könnte, weil ich meine: Das gilt jetzt aber nicht! Hier geht es nur ums Geschäft und nicht um so persönliche Dinge wie moralische Werte.

Mit diesem Glauben ist es so wie mit der Melodie, die eine Symphonie oder ein Lied durchzieht und diese Symphonie oder dieses Lied ausmacht und prägt. Durch die Melodie wird die Musik unverwechselbar. Unser Glaube wird unverwechselbar dadurch, dass er aus dem Vertrauen darauf lebt, dass Jesus Christus uns durch seinen Tod am Kreuz freigemacht und erlöst hat - und nicht durch Gold oder Silber!

Nun könnten wir sagen, dass wir unser Leben in der Welt doch gar nicht anders erhalten können, als dadurch, dass wir auch Dinge und Lebensmittel mit Geld erwerben, Leistungen erbringen, die wir uns bezahlen lassen und Arbeit anderer in Anspruch nehmen, für die wir ihnen einen Lohn zahlen. Gewiss ist das so! Aber es gibt eine Grenze für dieses rein geschäftliche Denken und Handeln. Es gibt Lebensbereiche, da haben Geld, Gold oder Sachwerte einfach keine Rolle zu spielen. Und dass es so ist, dafür haben wir uns alle ein sicheres Gefühl bewahrt, wenn es um die Liebe geht. Wie heißt es in einem Schlager: "Wenn man für Liebe bezahlen muss, dann sind wir jenseits von Eden." Wir werden dem sicher nicht widersprechen! Seltsam aber, dass wir kaum Probleme damit haben, dass heute für so vieles gezahlt werden muss, was früher kostenlos war und wir oft genug die (vermeintliche) Sicherheit von Geld oder Gold an die Stelle unseres Vertrauens gesetzt haben.

Ich denke, wir müssten gerade als Menschen, die nicht durch Gold oder Silber, sondern durch Christi Blut frei gemacht und erlöst sind, wieder aufmerksamer und sensibler dafür werden, wo sich das geschäftliche Gebaren, wo sich immer mehr die Bezahlung und Entlohnung in Bereichen durchsetzt, in denen früher von selbstverständlicher Freundlichkeit und Hilfe und von unbedingtem Vertrauen die Rede war und ein "Vergelt's Gott" als Dank gereicht hat.

Wir wollen in diesem Sinn noch einmal die Beispiele von vorhin durchgehen:

Wenn es um den Umgang mit hochverschuldeten Staaten geht, haben wir sicher wenig Einfluss darauf, wie die EU es damit hält. Aber wir könnten versuchen, in unserem Denken und in unseren Gesprächen nicht immer wieder zu vergessen, dass hinter der Höhe der Schulden, hinter den Milliardensummen der Kredite Menschen stehen, die zum größten Teil gänzlich ohne eigene Schuld in die Lage gekommen sind, aus der es jetzt für sie kein Entrinnen gibt. Nur weil er zu diesem oder jenen Volk gehört, ist der einzelne Mensch nicht weniger vertrauenswürdig!

Anders sieht es schon im Verhältnis zu meiner Bank aus: Es gibt durchaus Alternativen! Ich kann mir auch eine Bank suchen, in der mich noch richtige Menschen bedienen. Und ich muss nicht jede Zahlung am PC abwickeln und damit den Abbau von Arbeitsplätzen bei den Banken vorantreiben.

Es lohnt sich auch, einmal darüber nachzudenken, was wir damit anrichten, wenn wir unsere Kinder oder Enkel für alles, was sie tun und leisten und was als Schüler, als Kinder oder Enkel oder auch einfach als Angehörige unserer Familiengemeinschaft ihre Aufgabe ist, mit Geld oder Sachen belohnen. Da sollte ein "Gut gemacht!" oder ein "Dankeschön!" allemal genug sein!

Sehen wir noch nach der Unsitte, dass auch in den Kirchengemeinden inzwischen für vieles Geld bezahlt und genommen wird, was früher fraglos und gern angeboten oder füreinander getan wurde. Und die Sache mit der Sonntagsheiligung können wir dabei gleich mit einbeziehen: Wir gehören als Christinnen und Christen zu dem Herrn Jesus Christus. Darum sind wir von allen weltlichen Abhängigkeiten erlöst und frei gemacht! Das bedeutet aber auch immer eine Verantwortung! Die Mitmenschen lesen sehr wohl daran wie wir reden und handeln auch ab, ob dahinter ein echter Glaube steht, der voll Vertrauen zu unserem Gott und unserem Herrn Jesus Christus auch die Liebe, die Treue, die Wahrhaftigkeit, die Güte und Verlässlichkeit weitergibt, die wir zuerst geschenkt bekommen haben. Und alles, was wir aus diesem Glauben heraus tun, das wenden wir frei, ohne Lohn und Bezahlung an unsere Nächsten und die machen es genauso mit den Menschen in ihrer Nähe. Vor dem Altar Mammons haben wir nichts verloren, denn wir sind nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst von unserem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi!" AMEN