Predigt zum Sonntag "Septuagesimä" - 5.2.2012

Textlesung: Jer. 9, 22 - 23

So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

Liebe Gemeinde!

Um diese Verse recht zu begreifen, müssen wir vorher ein paar Dinge wissen:

Der Prophet Jeremia, der hier im Auftrag Gottes spricht, war dazu berufen worden, das Volk Israel zu warnen. Er lebte in der Zeit um 600 vor Christus, in der die Verschleppung nach und die Verbannung in Babylon dicht bevorstand. Mit seiner Unheilsverkündigung versuchte er, das Volk zur Einsicht zu bringen und so zu retten, was aber - wie wir wissen - gründlich misslang. (Im Jahr 587 wird Jerusalem von Nebukadnezar zerstört und die Einwohner nach Babylon verschleppt.) Hören wir ein Beispiel für die Unheilsbotschaft des Propheten; ich lese, was nur ein paar Verse vor den Worten steht, die wir heute bedenken wollen:

"Und der HERR sprach: Weil sie mein Gesetz verlassen, das ich ihnen vorgelegt habe, und meinen Worten nicht gehorchen, auch nicht danach leben, sondern folgen ihrem verstockten Herzen und den Baalen, wie ihre Väter sie gelehrt haben, darum spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Siehe, ich will dies Volk mit Wermut speisen und mit Gift tränken. Ich will sie unter Völker zerstreuen, die weder sie noch ihre Väter gekannt haben, und will das Schwert hinter ihnen her schicken, bis es aus ist mit ihnen." (Jer. 9,12-15)

Liebe Gemeinde, wenn wir noch mehr aus den vorhergehenden Kapiteln des Buches Jeremia lesen würden, dann müssten wir erkennen, wie schlimm es zugegangen sein muss in dieser Zeit im Volk Israel! Dass Gott sein Volk aus Ägypten befreit hatte, schien längst vergessen. Die Gebote, die Gott dem Volk am Sinai gegeben hatte, wurden missachtet. Die Herzen waren gegenüber dem wahren Gott verstockt. Allenthalben wurde den Baalen, also den Götzen, geopfert und - wie es die heutigen Verse sagen - dem Selbstruhm gefrönt und mit der eigenen Stärke und dem eigenen Reichtum geprahlt. Da hinein spricht Jeremia diese Worte: So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.

Jetzt sind wir soweit, dass wir fragen können und müssen: Hat das irgendetwas mit uns zu tun?

Mir fiel dazu ein, wie gering heute doch in der Wirtschaft, der Politik und in der gesamten Gesellschaft die Rolle ist, die wir Gott zuweisen. An seine Stelle haben wir etwa an den Börsen, den Tempeln unserer Zeit, die "Märkte" gesetzt und damit einem der Götzen der Moderne einen Namen gegeben, einen Namen, den gewiss nicht nur ich bald nicht mehr hören kann! Um das einmal auf den Punkt zu bringen: Von unserem persönlichen Gott, dem Vater Jesu Christi, der uns erlöst hat von Sünde und Schuld und uns ein ewiges Leben verheißt, ist heute kaum noch die Rede. Dafür aber wird unablässig von so etwas Unpersönlichem wie "den Märkten" gesprochen, von denen wir gar nicht wissen, wer sich hinter ihnen verbirgt, die weder je zu uns sprechen, noch ein Gesicht oder ein väterliches Wesen haben, die gewiss keine Liebe für uns empfinden, denen wir vielmehr völlig gleichgültig sind und von denen alles andere als Barmherzigkeit ausgeht. Im Gegenteil: Wie den Baalen im Israel der Zeit Jeremias werden ihnen gewaltige Opfer gebracht: Milliarden an Kapital, Millionen von Existenzen verarmter Menschen, hochverschuldete Staaten und ehemals harte Währungen...

Und in der Politik heißen die Götzen unserer Zeit etwa Wachstum oder Fortschritt oder - ganz hochtrabend - Innovation. Gemeint sind damit Dinge, von denen Menschen immer wieder glauben, sie wären gut und unbedenklich und dienten allen... Dabei dienen diese Götzen meist nur oder besonders denen, die sie erfunden haben, die sich am tiefsten vor ihnen bücken und die sie am intensivsten anbeten. Aber es geht viel Schlechtes und Zerstörerisches von ihnen aus! So entsteht durch das Wachstum der Wirtschaft auf der einen Seite großer Gewinn, auf der anderen Seite aber z.B. Umweltprobleme und die Beschleunigung des Klimawandels. Und der Fortschritt mag zwar durch die Entwicklung neuer Maschinen oder den Einsatz von immer mehr und immer schnelleren Computern vorangetrieben werden, aber durch den Fortschritt wächst auch die Arbeitslosigkeit und im Gefolge die soziale Kälte und Ausgrenzung der Menschen auf der Verliererseite. Die Innovation schließlich lässt manchen Arbeitsprozess vielleicht schneller und besser vonstatten gehen, verdrängt aber andere vom Markt, löst Insolvenzen aus und den Verlust von Arbeitsplätzen - bis zu einer weiteren Innovation, die dann die vorige - mit allen Folgen - ablöst.

Aber überall in der Gesellschaft - und auch von manchen von uns - wird auf Götzen gesetzt! Der wichtigste Götze ist sicher das Geld, als der Gott Mammon, den wir aus der Bibel kennen, heute auftritt. Aber er hat noch viele andere Verkleidungen als etwa die Münzen und Scheine, die wir im Portemonnaie tragen: Unser Spar- und Girokonto mit EC- und Kreditkarte zum Beispiel, unser Aktienfond, das Gold in unserem Bankschließfach, der Schmuck im Tresor hinter unserem Ölgemälde im Schlafzimmer aber auch das Eigentum an Gütern, Häusern und Wertgegenständen oder die Lebensversicherung, die wir haben. Alles das verspricht uns eine Sicherheit, die uns von der Geborgenheit in Gott ablenkt und die noch dazu trügerisch ist. Denn letztlich ist nichts in dieser Welt sicher! Und das spüren wir ja in diesen finanziell unsicheren Zeiten besonders deutlich! Allerdings lässt uns das nicht unbedingt unsere Sicherheit und Zuflucht bei Gott suchen!

Aber selbst wo wir hier vielleicht sagen können: Das betrifft mich nicht!, gibt es doch oft andere Götzen, die wir anbeten: Einen davon hat Jeremia ausdrücklich genannt, die eigene Stärke! Wir sprechen vielleicht auch von unserem Können, unserem Geschick, unserer Intelligenz oder unserem großen Wissen... Immer meinen wir dabei etwas an uns und bei uns, auf das wir uns verlassen können, durch das wir anderen überlegen sind und uns ihnen gegenüber behaupten können. Ganz tief drinnen in unserem Herzen aber wissen wir es längst: Auch dieser Götze ist nicht verlässlich, vielmehr unbeständig und flüchtig - und nicht erst im Alter, wenn allgemein die Kräfte nachlassen. So viel kann geschehen und geschieht: Wir verlieren unsere Arbeit - und wir dachten doch, einen oder eine wie uns kann der Chef nicht entbehren! Eine Krankheit mit nachfolgender Behinderung zerstört unsere besonderen Gaben, unser außergewöhnliches Können und unser großes Geschick.

Ich denke, es ist deutlich geworden, was die Götzen unserer Tage wert sind, wenn wir in Wirtschaft und Politik nur einmal genauer hinsehen und wenn sich persönlich unser Schicksal zum Schlechten wendet. Da hinein spricht Jeremia: So spricht der HERR: Wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

Aber es ist nicht nur klug, sich allein Gottes zu rühmen und sich allein auf ihn zu verlassen, es ist die einzige Sicherheit, die uns überhaupt in diesem Leben und dieser Welt verheißen ist. Aber es ist eine Sicherheit ohne Beweis, ohne Beleg, eine Sicherheit die nur durch unseren Glauben zur Geborgenheit wird. Aber es besteht doch ein entscheidender Unterschied zu dem, was uns die Götzen verheißen: Um unseren Glauben an Gott, an seine Macht und Kraft bei uns zu wecken und zu stärken ist einer in die Welt gekommen, der uns ein Leben im Sinne Gottes vorgelebt hat, der für uns in Leid und Tod gegangen ist und den Gott auferweckt hat. Und das ist der Sohn Gottes gewesen, Jesus Christus. Gewiss, auch das, was er für uns getan hat, steht auf unserem Glauben! Auch sein Wort, dass wir einen Vater im Himmel haben, dass er uns liebt, es eine Vergebung gibt und ein Ewiges Leben, bestätigt nicht Schwarz auf Weiß unser Vertrauen - wie vielleicht eine Versicherungspolice in wirtschaftlich verlässlichen Zeiten. Unsere Beziehung zu ihm, unser Verhältnis zu Gott bleibt immer Glaubenssache, Garantien werden keine ausgestellt.

Aber - und dieses Aber ist wirklich entscheidend: Bei den modernen Götzen unserer Zeit wissen wir bestimmt und mit Sicherheit, dass sie uns am Ende eher schwächen und uns schaden werden. Bei Gott aber finden wir, wenn wir glauben können, Vergebung, Hilfe, Lebenssinn, Zuversicht und das Versprechen einer herrlichen, ewigen Zukunft. Es hört sich seltsam an, wenn ich jetzt sage: Warum nicht einmal ausprobieren, was uns der Glaube an Gott schenken will? Aber es geht wirklich! Lassen wir uns ein auf Gott! Vertrauen wir ihm und seiner Kraft! Lassen wir uns von ihm beschenken mit Barmherzigkeit, Liebe, Recht und Gerechtigkeit. - Unseren Glauben auf Gott zu setzen ist allemal nicht schwieriger als den modernen Götzen zu huldigen! AMEN