Predigt zum 3. Sonnt. nach Epiphanias - 22.1.2012

Textlesung: 2. Kön. 5, (1-8).9-15.(16-18).19a

Naaman kam mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas. Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden. Da wurde Naaman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand hin zum Heiligtum erheben und mich so von dem Aussatz befreien. Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, so dass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn.

Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wie viel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein. Und er kehrte zurück zu dem Mann Gottes mit allen seinen Leuten. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht. Elisa aber sprach: Zieh hin mit Frieden!

Liebe Gemeinde!

Das ist schon eine gute Geschichte mit einem glücklichen Ausgang. Nur beginnt sie hier ein wenig unvermittelt, denn ich habe die ersten acht Verse weggelassen, sonst wäre der Predigttext schon so lange geworden, wie eine halbe Predigt! Außerdem - und das liegt nicht an dieser Kürzung - wird auch nicht so recht klar, was die Geschichte uns eigentlich lehren soll.

Darum erst einmal ein paar Worte zur Vorgeschichte: Naaman war ein Feldhauptmann der Aramäer, also eines fremden Volkes. Er war ein hochgeachteter Mann, litt aber am Aussatz. Nun hatte er von seinem israelitischen Hausmädchen erfahren, dass ihn der Prophet Elisa in Samaria gewiss heilen könne. Darum war er beladen mit Gold, Silber und Geschenken nach Israel gezogen, um dort Heilung zu erlangen. Hier setzen nun die Verse ein, die wir vorhin gehört haben.

Und was lehrt die Geschichte? Gleich einiges:

- Dass Elisa, ein Prophet des Gottes Israel, sich nicht durch den großen, vornehmen Mann beeindrucken lässt, auch nicht durch seine Geschenke. - Er begrüßt den Fremden nicht einmal selbst!

- Dass Naaman, obwohl er krank ist und Hilfe sucht, doch seinen Stolz hat - er findet das unhöfliche Verhalten des Propheten unmöglich!

- Dass Naaman die "Prozedur", die zu seiner Heilung führen soll, viel zu einfach vorkommt - er hatte mehr erwartet: Handauflegen vielleicht, ein Gebet oder die Anrufung des Gottes Israels.

Und so gäbe es noch einige Dinge, die wir nach der Lektüre der Geschichte mitnehmen könnten. Aber irgendwie spüren wir, dass wir damit noch nicht zum Kern der Geschichte vorgedrungen sind und auch nicht zu einer Lehre, die wir persönlich aus ihr ziehen könnten, nichts jedenfalls, was für uns wirklich wichtig und beherzigenswert wäre.

Aber es ist ganz einfach: Wir müssen nur die eben genannten drei Dinge, wie sie die Geschichte lehrt, einmal auf uns selbst beziehen und sie dann zu uns sprechen lassen. Vielleicht so:

- Naaman sucht Hilfe bei Elisa, dem Propheten Gottes, der aber lässt sich nicht durch Geschenke und das hohe Ansehen Naamans blenden. - Genauso sind auch wir immer nur kleine, unbedeutende Bittsteller vor Gott. Wir können ihn nicht mit unseren Verdiensten in der Welt, nicht mit unserer Leistung in unserer Arbeit und unserem Beruf und nicht mit dem, was wir an guten Werken für die Mitmenschen getan haben, beeindrucken. Es imponiert Gott nicht, was wir sind, besitzen oder aus uns gemacht haben. Und es ist ganz einfach zu begreifen, warum das so ist: Gott hat uns geschaffen! Er hat uns die Talente und Gaben mitgegeben, die wir dann entfalten. Wenn uns das gut gelingt, dann lag das nicht an unserem Geschick oder Können - denn auch das haben wir von Gott! Und es kam auch nicht daher, dass wir die Umstände und äußeren Bedingungen unseres Lebens so günstig gestaltet haben - denn auch die hat uns Gottes Güte beschert. Um ein alttestamentliches Bild aufzunehmen: Wir sind nur der Ton in der Hand Gottes. Er ist der Töpfer, der aus uns alles macht, was wir sind und wozu wir taugen.

- Naaman, obwohl er krank ist und allen Grund hätte, mit dem zufrieden zu sein, was Elisa ihm anbietet, nämlich Heilung und die noch auf ganz einfache Weise, ist doch in seinem Stolz gefangen. - Genauso sind auch wir oft zu stolz, Gottes Gaben und Geschenke anzunehmen, ihm dafür zu danken und ihn über seinem Tun an uns zu loben. Wir meinen, das alles und eigentlich noch viel mehr stünde uns doch zu! Uns fehlt, was wir mit einem in unserem Wortschatz bezeichnenderweise fast ausgestorbenen Wort bezeichnen, uns fehlt die Demut! Aber ohne Demut auf unserer Seite ist unser Verhältnis zu Gott gestört. Denn nur ein demütiges Verhalten ist uns vor dem großen Gott angemessen. Wir dürfen schon fragen: Warum Gott, warum schickst du mir dies und das, warum muss ich durch so böse Zeiten des Leids oder der Trauer gehen... Und vielleicht bekommen wir Antwort - gleich oder irgendwann. Aber Demut heißt auch, nicht in Frage zu stellen und nicht daran zu zweifeln, dass es richtig ist und das Beste für uns, was Gott uns auferlegt und wo wir hindurchgehen müssen. Immer sollen wir sagen - wie im Vaterunser - dein Wille geschehe. Und vergessen wir nicht, wir sind nicht allein mit dem, was Gottes Wille uns schickt: Er geht mit uns auch auf den unteren Wegen und durch die dunklen Lebenstäler der Trauer, der Angst und des Leids.

- Naaman ist das, was er selbst für seine Genesung tun soll, zu gering, ja, zu läppisch. Er hätte sich ein bisschen mehr Aufwand gewünscht. - Genauso schätzen auch wir oft gering, was wir für unsere "Genesung", für unsere gesunde Beziehung zu Gott, für unseren Glauben und die Stärkung unseres Gottvertrauens tun können. Dazu fallen mir mindestens drei Dinge ein, die hier helfen könnten. Das Gebet zuerst: Wie sieht es mit dem Beten bei uns aus? Beten wir täglich? Sogar morgens und abends? Danken wir für die Gaben des Tisches? Oder kommt das Gebet nicht schon längere Zeit, vielleicht schon Jahre bei uns viel zu kurz? Weil wir meinen, dass Gott uns sowieso nicht hört, geschweige denn er-hört? Weil er uns mit dem Schicksal, dass er uns gesandt hat, so furchtbar wehgetan hat? Weil von dem bisschen Beten doch wohl nicht so sehr viel abhängen kann?

Andererseits ist dem Gebet doch so viel verheißen: "Bittet, so wird euch gegeben..." (Mt.7,7a) "Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr's empfangt, so wird's euch zuteil werden." (Mk.11,24) Und auch die Erfahrung vieler eifriger Beter spricht davon, dass Beten wichtig ist und niemals sinnlos: "Das Gebet ist eine Macht", sagen sie. Und: "Man muss beharrlich sein beim Beten und nicht so schnell aufgeben!"

- Das zweite, das wir für unsere "Heilung" tun können, ist, auf das Wort Gottes zu hören: Haben wir schon das neue Losungsbuch neben unserem Bett oder Esstisch liegen? Halten wir hin und wieder eine Bibellesung? Ist uns die kleine Wochenandacht in der Zeitung eine gewohnte Lektüre? Oder denken wir hier ähnlich wie über das Gebet: Das bringt mir doch nichts! Da lese ich doch sowieso kein Wort, das irgendwie mit mir zu tun hat! Warum sollten denn die Losungen, also zufällig ausgeloste Worte, gerade mit mir sprechen?

Die Erfahrung, die Menschen machen, die täglich das Wort zum Tag, z.B. aus den Herrenhuther Losungen lesen, spricht eine andere Sprache: Sie sagen, wie erstaunlich das doch immer wieder ist, wie genau so ein Losungswort in einen bestimmten Tag mit bestimmten Sorgen und Erfahrungen hineinspricht. Wie oft das Wort schon getroffen hat, was einen gerade bewegt und was man fühlt und wie häufig man "zufällig" die Ermutigung liest, die man jetzt braucht. Und mit den Lesungen in der Bibel oder dem Lesen einer Andacht ist es nicht anders! Es ist wohl ein Rätsel, warum es so ist. Vielleicht ist es sogar ein Geheimnis? Aber Gott hat viele Geheimnisse und wir werden ihnen nicht auf die Spur kommen. Aber müssen wir das denn? Ist nicht die Hauptsache, dass Gottes Geheimnisse wirken?

- Hier ist noch das dritte, das uns zu einer guten Beziehung zu Gott und im Glauben helfen kann. Wir sind gerade dazu versammelt: der Gottesdienst! Dazu meinen wir jetzt sicher: Aber wir sind doch heute hier und wir kommen doch auch regelmäßig in mehr oder weniger großem Abstand in die Kirche. So ist es. Und es ist gut so. Trotzdem frage ich Sie und ich bitte Sie, sich selbst einmal zu fragen: Könnten wir die Abstände unserer Gottesdienstbesuche nicht noch ein wenig verringern? Nicht nur darum, dass der sich freut, der den Gottesdienst hält - auch wegen der Gemeinschaft miteinander! Ich freue mich sehr, wenn ich Sie hier in der Kirche sehe und Sie? Freuen Sie sich nicht auch wenn Sie hier die treffen, die Ihre Nachbarn sind oder andere, die Sie beim Einkaufen, beim Spazierengehen und sonst in der Freizeit sehen. Wenn da erst so eine richtig enge Gemeinschaft geworden ist, die sich regelmäßig sieht, die miteinander betet, singt und Gottes Wort hört... Wie schön ist das! Wie hilfreich ist das auch für unseren Glauben!

Der Aramäer Naaman ist damals trotz all seiner Vorbehalte gesund geworden und er sagt, überwältigt von dieser unerwarteten Erfahrung: "Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel!" Der Gott Israels ist auch unser Gott! AMEN