Predigt zum 3. Adventssonntag - 11.12.2011

Textlesung: Röm. 15, 4 - 13

Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob. Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht (Psalm 18,50): "Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen." Und wiederum heißt es (5. Mose 32,43): "Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!" Und wiederum (Psalm 117,1): "Lobet den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker!" Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10): "Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen." Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes.

Liebe Gemeinde!

Ich muss immer wieder staunen, wie aktuell die Bibel überhaupt und die Predigttexte insbesondere sind! "Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus." Ist das nicht eines der größten Probleme unserer Zeit: Dass keine Eintracht mehr herrscht unter den Menschen oder sagen wir, dass die Menschen nicht mehr an einem Strang ziehen und wenn, dann oft in unterschiedlicher Richtung?

Wir erleben das in der Politik: Die einen hätten gern die Atomkraft noch einige Jahrzehnte genutzt, die anderen wollen den Ausstieg aus der gefährlichen Technologie - und das möglichst rasch. Die eine Partei will die Steuern erhöhen, die andere will sie senken. Und schaut man gar nach Brüssel und hört auf die unterschiedlichen Konzepte der dort vertretenen Staaten zur Eurorettung, dann wundert man sich nicht, dass bisher noch nichts Erfolgversprechendes herausgekommen ist.

Und wenn wir z.B. einem Verein angehören, dann erleben wir da etwas ähnliches: Wenn es ein Sportverein ist, dann hat jeder eine andere Idee, wie der Aufstieg zu machen wäre und wer die 1. Mannschaft trainieren müsste. Bei allen Vereinen geht es darum, wie man die Kinder und die Jugendlichen für die Sache begeistert, wie man die Einkünfte und Mitgliedsbeiträge verwendet und auf welchen Termin man die Veranstaltungen und das Jahresfest legt. Und immer gibt es viele Meinungen unter den Verantwortlichen, manchmal so viele wie es Verantwortliche gibt.

Aber auch in unseren Familien machen wir die Erfahrung, dass die Eltern untereinander nicht einig sind darüber, wohin es im nächsten Urlaub gehen soll und die Kinder haben noch einmal ganz andere und nicht dieselben Vorschläge für ein Reiseziel.

Sicher haben Sie jetzt schon gedacht, dass ich auch noch die Kirchengemeinde anspreche - und das will ich auch tun: Denn unter uns Christinnen und Christen besteht auch keine Einigkeit in den alltäglichen Fragen des Gemeindelebens. Nun geht es ja auch noch an, wenn es mal einen kleinen Disput gibt, wann denn das Gemeindefest stattfinden soll oder ob bei der Adventsfeier Torten und anderes aufwändigeres Backwerk angeboten werden sollen oder ob man nur Lebkuchen reicht, um dem Rechnung zu tragen, dass der Advent eine Bußzeit ist. Aber in den wirklich wesentlichen Fragen sind wir uns oft auch nicht einig: Vielleicht wollen manche gern mindestens einmal im Monat Abendmahl feiern, anderen reicht es, wenn das zu den höheren Festtagen geschieht. Vielleicht möchte eine Anzahl von Kirchenvorstehern, dass mehr Kinder- oder Jugendarbeit getrieben wird, andere wünschen sich, dass die Senioren mehr Angebote bekommen. Oder es gibt völlig unterschiedliche Einschätzungen der Qualität der Arbeit der Pfarrerin oder des Pfarrers oder eines anderen haupt- oder ehrenamtlichen Mitarbeiters der Gemeinde.

Noch viele Bereiche des Lebens und der Gesellschaft gäbe es, in denen wir ganz und gar nicht einträcenhtig und einmütig sind, vielmehr hat jeder andere Ziele, jeder ist anders gesinnt und hat eine stark abweichenden Meinungen über das, was zu tun und was gut und richtig wäre. Und da wollen wir jetzt noch einmal dieses Wort hören: "Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus."

Zwei Dinge können uns hier deutlich werden. Ersteinmal sind "Eintracht" und "Einmütigkeit" Gaben Gottes, die ER geben kann, ja, ich meine, die er geben muss! Das andere ist dies - und es ist noch wichtiger: Es gibt einen Maßstab für das, was in den verschiedenen Lebensbereichen zu tun und zu entscheiden ist, es gibt einen Bezugspunkt für unser Denken, Reden und Handeln und der heißt: Was "Christus Jesus gemäß" ist!

Sicher haben Sie schon einmal gehört, dass es Christen gibt, die bei allem, was sie tun und lassen - sofern es von einiger Bedeutung ist - fragen: Was hätte Jesus jetzt getan oder gesagt? Oder sie fragen so: Was wollte er jetzt, dass ich es tue oder sage. Ich glaube, das ist genau das, womit wir dem auf die Spur kommen, was "Christus Jesus gemäß" wäre.

Liebe Gemeinde, vielleicht wundert es Sie ja jetzt, dass ich vorhin nicht nur über die mangelnde Eintracht in der Kirchengemeinde, sondern auch über die oft fehlende Einigkeit in Politik, Verein und Familie gesprochen habe. Aber ich denke wirklich, dass überall nach dem gefragt werden müsste, was Christus gemäß ist und was er wohl in jeder wichtigen Entscheidung von uns verlangt. Der Maßstab "Jesus Christus" nämlich weist uns überall, in allen Bereichen und in jeder Situation darauf hin, dass wir nicht allein sind in der Welt, in unserer Partei, unserem Verein oder unserer Familie! Immer gibt es in unserer Umgebung auch andere Meinungen, andere Lebensentwürfe, andere Interessen und es gibt auch Stärkere und Schwache, Menschen die besser reden oder sich nicht so gut ausdrücken können, Menschen also, die sich gut oder weniger gut durchsetzen können. Und es kann eben nicht darum gehen, die anderen mit ihrer Meinung niederzumachen und an die Wand zu drücken. Es geht darum, einander gelten und zu Wort kommen zu lassen, zu achten und auch ihre Gedanken und Wünsche zu hören und mit aufzunehmen. Paulus drückt das so aus: "Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob."

Vielleicht denkt jetzt der eine oder die andere von uns: Ist das nicht ein bisschen naiv zu erwarten, dass Politiker zum Beispiel darauf Acht haben, dass sie ihre politischen Gegner zu Wort kommen lassen und anhören, ja, sie sogar "annehmen, wie Christus und alle angenommen hat"? Oder können wir wirklich von Leuten aus einem Verein verlangen, dass sie einander respektieren und sich nicht auszustechen versuchen, weil "Christus" es so haben will?

Was mir dazu einfällt, ist dies: Warum sollten wir nicht von Politikern im "christlichen Abendland" erwarten können, dass sie sich auch christlich verhalten und Maß an den Geboten Gottes nehmen, die doch immerhin in unseren Gesetzen und in unserer Verfassung zahlreiche Spuren hinterlassen haben. Und für die Politik, aber auch für die Vereinsangehörigen und Familien, wie auch für die Kirchengemeinde gilt, dass es einfach mit der Eintracht und Einigkeit nicht funktioniert, ohne eine Beziehung und Bindung, die außerhalb unserer selbst liegt. Wenn jeder nur sich selbst durchsetzen will, wenn einer den anderen mit seiner Meinung bekämpft - nicht weil diese Meinung falsch wäre, sondern weil man selbst Recht behalten möchte, wenn keiner mehr zuhört, was der andere sagt, weil man sich ja selbst behaupten will, dann werden wir niemals einträchtig zusammen leben können, sondern es wird bei dem bleiben, was wir allenthalben sehen und beklagen müssen: Einer ist des anderen Gegner, Konkurrent und oft genug: Feind. Jeder versucht nur noch, seine eigenen Interessen durchzusetzen, gebraucht egoistisch seine Ellenbogen und die Schwächeren bleiben auf der Strecke. Nur: Der Gemeinschaft, der Gesellschaft, dem Miteinander der Menschen dient das nicht - und glücklich macht es auch nicht.

Uns ist dieser Maßstab gegeben, dass wir uns an Christus und Gottes Gesetz und Willen ausrichten! Wir sollen fragen, was hätte Jesus jetzt getan und gesagt? Wir sollen aufeinander hören, auch und gerade auf die Schwachen, wir sollen nicht das durchsetzen, was wir selbst wollen, sondern das, was allen dient und für alle, wenigstens möglichst viele, das Beste ist. So kann das wahr werden: "dass ihr einträchtig gesinnt seid, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt. Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes." AMEN