Predigt zum So. "Quasimodogeniti" - 1.5.2011

Textlesung: Jh. 21, 1 - 14

Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so: Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. Da spricht der Jünger, den Jesus liebhatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht. Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch die Fische. Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Liebe Gemeinde!

Denen unter uns, die sich ein bisschen besser in der Bibel auskennen, ist das bestimmt aufgefallen: Mindestens zwei Stellen in diesen Versen erinnern stark an andere Geschichten aus den Evangelien. Die erste Stelle ist diese: Jesus "aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische." Wir denken dabei an den so genannten Fischzug des Petrus, der aus der ersten Zeit der Wirksamkeit Jesu erzählt wird, als er die Jünger, Petrus, Jakobus und Johannes in seine Nachfolge gerufen hat (Lk. 5,1ff). Damals hatten die Jünger wider Erwarten dort, wo es eigentlich gar nicht möglich war einen unglaublich reichen Fang getan.

Und das ist die zweite Stelle: "Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! [...] Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch die Fische." Gut, es ist nicht Brot und Wein, sondern Brot und "Fische", die der Auferstandene seinen Freunden reicht. Aber wir denken dabei doch an das letzte Abendmahl, das Jesus mit den Jüngern feiert, bevor er den Weg in Leiden und Tod geht (Lk. 22,14ff).

Warum diese Anspielungen auf das frühere Geschehen und damit auf Erfahrungen, die eben diese Männer, die hier am See Tiberias zusammen sind, mit Jesus gemacht haben? Dafür kann es eigentlich nur einen Grund geben: Die Jünger sollen Jesus erkennen, wieder-erkennen und sie sollen begreifen, dass er auferstanden ist von den Toten. Und anscheinend - eine Tatsache, die Johannes, dem Erzähler dieser Offenbarungsgeschichte ganz wichtig ist - haben die Männer ihren Herrn vorher nicht erkannt, vielmehr erst nach dem reichen Fang im See und beim gemeinsamen Mahl am Strand, das ihnen letzte Gewissheit gibt.

Uns Christinnen und Christen heute kann das zweierlei sagen:

Einmal können auch wir unseren Herrn, Jesus Christus besonders daran erkennen, was er an uns tut. Und dabei dürfen wir ganz gewiss auch den reichen Fang und das Abendmahl, von denen wir hier lesen, in unser Leben und unsere Erfahrungen übertragen: Wenn uns etwas gelingt, worin wir als Christen und im Gehorsam gegenüber dem Wort oder Beispiel Jesu unserem Herrn gefolgt sind - auch und gerade wo uns das schwer fiel und wir erst gezögert und gezaudert haben - dann soll uns das besonders sicher machen, dass Jesus Christus selbst seinen Segen zu der Sache gegeben hat. Und bei seinem Mahl, zu dem wir in der heute beginnenden Karwoche ja wieder besonders herzlich eingeladen sind, will der Herr uns - genau wie seine Jünger damals - darin bestärken, dass er lebendig und bei uns ist und dass er seinen Leib und sein Blut auch für uns am Kreuz von Golgatha geopfert hat.

Aber das zweite, das wir aus den Versen, die wir heute bedenken, entnehmen können, ist auch wichtig, ja, mir persönlich ist es heute sogar noch wichtiger: Ich meine diesen fraglosen Gehorsam gegenüber dem Auferstandenen. Dieses Tun nach seinem Geheiß - wohlgemerkt noch ehe sie wirklich wissen, wer er ist.

Mir kommen dabei die vielen Menschen in den Sinn, die es mir gesagt oder von denen ich es durch andere gehört habe, dass sie nunmal nicht glauben können. Wenn wir mit ihnen persönlich sprechen, fügen sie oft noch die Erklärung hinzu: "Ich habe halt noch nie die Erfahrung gemacht, dass dieser Jesus Christus wirklich lebt und mir in meinem Leben hilft."

An der heutigen Geschichte von der Offenbarung Jesu am Strand des Sees von Tiberias können wir allerdings etwas anderes begreifen: Zuerst geht uns auf, dass Menschen durchaus auf Jesu Stimme hören können, auch wenn sie nicht an seine Macht glauben. Die Jünger jedenfalls, die damals beisammen waren, konnten es. Sie wussten nicht, wer da vor ihnen steht. Er aber sagt: "Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden." Und sie tun es - gegen jede Vernunft, denn sie hatten in der ganzen Nacht vorher - also im Dunkel, wenn die Fische besonders leicht ins Netz gehen - nichts gefangen. Und dann heißt es: "Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische." Aber jetzt haben sie Jesus noch immer nicht erkannt, sie ahnen erst, wer der Mann ist, der da mit ihnen spricht. Jetzt sagt er: "Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!" Und sie tun es. Danach "spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl!" - und sie halten das Mahl und wissen es jetzt sicher: Das ist der Herr! Jetzt haben sie den Glauben an ihn (zurück-)gewonnen!

Was sagt uns das? - Es gibt auch einen Glaubensweg, der über den Gehorsam führt. Wer tut, was Jesus von ihm verlangt, der wird ihn erkennen. Und was er will, das ist nicht verborgen. Wir haben ein wunderbares Buch, in dem alles aufgeschrieben ist, was er für uns getan hat und was sein Wille ist, dass wir ihn tun. Dieses Buch ist jedem Menschen zugänglich. Und es ist für jeden Menschen einen Versuch wert, dass er dieses Buch einmal wieder vornimmt und darin liest. Und sollte jemand dieses Buch nicht zu Hause im Bücherschrank stehen haben, dann kann er sich eines leihen oder kaufen. Es gibt jedenfalls keine Ausrede, warum eine oder einer nichts von diesem Jesus Christus erfahren oder wissen könnte - es sei denn er oder sie lebte im tiefsten Amazonas oder in Papua-Neuguinea. (Aber selbst dorthin - und oft in der Sprache der Einheimischen - ist die Bibel schon vorgedrungen!)

Nun ist das gewiss noch keine Garantie, dass ein Mensch zum Glauben findet oder besser: dass Gott ihn einem Menschen schenken will. Garantiert ist aber dies: Ohne dass ein Mensch von Jesus Christus weiß, kann er nicht zum Glauben an ihn gelangen! Glaube kommt - wie Paulus sagt - aus dem Hören. Wir dürfen sicher hinzufügen: ... oder aus dem Lesen!

Aber es gibt noch etwas, was ich in diesem Zusammenhang heute einmal sagen will: Sehr oft habe ich auch schon aus dem Mund von ehemaligen DDR-Bürgern gehört, die heute im Westen wohnen: "Wir haben's nicht so mit dem christlichen Glauben! Uns fehlen halt eure christliche Erziehung und eure kirchlichen und privaten Möglichkeiten, den Glauben zu praktizieren." Ich will das nicht in Zweifel ziehen - für die Zeit vor 1990! Aber seitdem sind über 20 Jahre vergangen. Und darum gilt hier - genau wie bei denen, die immer im Westen gelebt haben und schon dort aufgewachsen sind - die Botschaft von Jesus Christus ist allen zugänglich! Und jede und jeder, auch die Menschen, die noch nie eine Kirche betreten, ein Bibel besessen oder eine religiöse Erziehung genossen haben, sind nicht von dem religiösen Wissen, das uns die Bibel vermitteln kann und darum nicht von der Erfahrung des Herrn Jesus Christus ausgeschlossen und sicher in allen Kirchengemeinden, nicht nur in unserer, herzlich willkommen!

Und hoffentlich kommt dadurch bei diesen Menschen eine weitere Erfahrungsquelle christlichen Lebens hinzu: Ich meine damit das Gespräch mit uns und unser persönliches Zeugnis darüber, was uns dieser Jesus Christus bedeutet und was wir mit ihm erlebt haben. Auch hier wird, so Gott will, Glaube aus dem Hören kommen! AMEN