Predigt zum 2. So. n. Epiphanias - 16.1.2011

Textlesung: 2. Mose 33, 17 - 23

Der HERR sprach zu Mose: Auch das, was du jetzt gesagt hast, will ich tun; denn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des HERRN: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

Liebe Gemeinde!

In einem Andachtsbuch über diese Mosegeschichte habe ich gelesen: "Gott redet mit Mose wie mit einem Freund und gewährt ihm vertrauten Umgang." Das könne man mit diesem Satz belegen: "Ich kenne dich mit Namen."

Ich sehe das anders. Diese Geschichte zeigt im Gegenteil gerade, dass Gott nicht der Freund Moses ist. Und wenn ich das einmal auf unser und aller Menschen Verhältnis zu Gott übertragen soll, würde ich sagen: Gott ist ganz und gar nicht unser Freund! - Aber das will ich jetzt auch erklären. Sehen wir erst einmal nach Mose und wie das anfing mit seiner Beziehung zu Gott:

Als Mose am brennenden Dornbusch die erste Begegnung mit Gott hat, will er hingehen und nachsehen, warum der Busch brennt und nicht verbrennt. Aber Gott hält ihn auf Abstand: "Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!" (2.Mos.3,4b.5) Ist das der "vertraute Umgang" zwischen Freunden?

Oder schauen wir in diese Geschichte und wie Gott hier mit Mose spricht: "Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht." Zeigt sich hier ein freundschaftliches Miteinander?

Aber kommen wir jetzt zu uns und wie wir zu Gott stehen: Tauscht sich Gott mit uns über das aus, was er vorhat? Lässt er uns wenigstens hie und da wissen, warum er uns dieses oder jenes schickt, warum eine Trauer über uns kommt, ein Unglück, eine Krankheit und warum wir dann leiden müssen? Nein, das tut er nicht. Wäre er unser Freund, dann würde er uns in seine Pläne einweihen, würde uns erklären, warum dies oder das für uns gut und vielleicht sogar nötig ist und er würde uns mit freundlichen, liebevollen Worten darauf vorbereiten, so dass wir nicht in zu große Ängste geraten und an ihm zweifeln oder gar verzweifeln.

Wir müssen das jetzt einfach sagen: Gott ist nicht unser Freund! Und Gott war auch nicht der Freund Moses. Ja, ich glaube, es hat nie einen Menschen gegeben, dessen Freund Gott gewesen wäre. - Soweit hört sich das jetzt doch ziemlich hart an, nicht wahr? Dabei ist das im Grunde das Beste an unserer Beziehung zu Gott, dass er nicht unser Freund ist ... Aber was ist er dann?

Sehen wir noch einmal hinein in die Geschichte um Mose, der Gottes Angesicht schauen will: "Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden! [ ... ] Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich." Wer hätte je gehört, dass sein Freund, seine Freundin barmherzig oder gnädig mit ihm sein will? Aber so spricht einer, der weit über uns steht, der Macht über uns hat und dem sich kein Mensch nahen kann. Und wenn wir hier noch an die Geschichte von Mose am Dornbusch denken, dann begreifen wir Gottes Wesen noch besser: "Zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!" Nicht nur das Land, sondern Gott selbst ist heilig! Ja, ich glaube, das ist es: Gott ist heilig. Er steht weltenweit über uns und ist umgeben von einer Herrlichkeit, einer Majestät, die wir nicht ertragen könnten, ja, die uns töten würde, wenn wir ihrer ansichtig würden.

Liebe Gemeinde, wir wollen jetzt aber endlich davon abrücken, als wäre das irgendwie schade oder gar traurig, dass Gott nicht unser Freund ist. Was könnte denn ein Freund für uns tun, wenn es um die tiefsten und schlimmsten Erfahrungen des Lebens geht? Dass Sie mich jetzt nicht falsch verstehen: Gewiss ist es gut und tröstlich, wenn uns in Stunden der Trauer oder der Not eine Freundin, ein Freund zur Seite ist. Aber was nützt uns denn ein Freund, wenn wir fragen, warum ein lieber Mensch schon so früh oder auf eine solche Weise sterben musste? Und was kann ein Freund dann noch für uns bedeuten, wenn es an den eigenen Abschied von dieser Welt geht? Und es gibt noch so viele andere Lebenssituationen, in denen "nur" einen Freund, eine Freundin zu haben, zwar hilfreich ist, aber uns doch nicht aus der seelischen Not, den Zweifeln und den Ängsten herausreißen kann.

Wir wollen jetzt dem nachdenken, was Gott, der Heilige, der Unnahbare, der Mächtige und unermesslich hoch über uns thronende Gott dagegen für uns tun kann und getan hat - eben gerade weil er nicht nur unser Freund ist - sondern viel mehr als das: Da fällt uns in diesen Tagen, in denen ja noch der Glanz der Weihnacht auf unserem Gesicht liegt, sicher zuerst die Geburt im Stall von Bethlehem ein: Der große Gott verlässt seine Herrlichkeit und legt sich als ein Kind in eine Futterkrippe. Dabei wird uns hoffentlich - trotz aller Konsumorientierung und Verweltlichung des Weihnachtsfests in unseren Tagen - auch immer wieder deutlich, was das heißt: Gott wird Mensch, teilt unser Leben, ja, fängt gar als Armeleutekind in einem Viehstall an. Kaum geboren, muss dieses Kind auch noch vor dem Zugriff der Machthaber in Sicherheit gebracht werden, die sich - damals wie heute - gern dem Willen und Einfluss Gottes verschließen.

Und wenn wir der Geschichte dieses Kindes in dieser Welt weiter entlanggehen, dann sehen wir es - erwachsen geworden - rund dreißig Jahre später als armen Wanderprediger durch Galiläa und Judäa ziehen, mittellos, nur begleitet von einer Schar Vertrauter, vom Bettel lebend, angewiesen auf die Barmherzigkeit der Menschen - einer der nicht hatte, wo er sein Haupt hinlegen konnte.

Aber Jesus spricht wunderbare Worte und erzählt gute Geschichten: Worte, die den Schwachen Kraft schenken, den Armen Hoffnung machen, den Verzweifelten neuen Mut geben. Geschichten, die den Menschen Gott nahe bringen, seine Liebe zeigen und sie zu Glauben und Vertrauen führen. Und er macht den Leib der Kranken gesund und ihre Seelen heil.

Schließlich bringen ihn der Neid der religiösen Führer, die den Verlust ihrer Macht fürchten und die Gewalt der weltlichen Herrscher ans Kreuz, wo er den schändlichen Tod stirbt, den man sonst den Verbrechern vorbehalten hat.

Aber am dritten Tag erweckt ihn Gott aus dem Grab, so wie es Jesus vorhergesagt hat. Und seine Auferstehung begründet unsere Hoffnung, dass auch wir einmal auferstehen und mit ihm ewig leben werden. Denn das hat er uns versprochen: "Ich lebe und ihr sollt auch leben!" (Jh.14,19c)

Seitdem bewegt Gott mit der Geschichte seines Sohnes Jesus Christus immer wieder die Herzen der Menschen, führt sie zum Glauben an ihn und gibt ihnen Halt und Sinn, Hoffnung und ein Ziel für ihr Leben. Und mit dieser Geschichte hat Gott auch uns erreicht, dich und mich, ganz persönlich und so, dass wir aus mutlosen zuversichtliche Menschen geworden sind, aus schwachen geborgene und aus furchtsamen hoffnungsvolle, die wissen, wohin sie der Lauf ihres Lebens führen wird.

Das alles aber hat Gott nicht als unser Freund für uns getan, sondern als der heilige, als der allmächtige Gott, der sich selbst in Jesus Christus erniedrigt hat und uns aus reiner Barmherzigkeit und Gnade erlöst hat von allen Sorgen um unsere Zukunft, allen Zweifeln und aller Angst.

So hat Gott zu Mose gesprochen: "Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden! [ ... ] Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich." Liebe Gemeinde, auch wir haben in Jesus Christus Gnade und Barmherzigkeit bei Gott gefunden. Wir wollen uns darauf verlassen, uns darüber freuen und dafür dankbar sein! AMEN