Predigt zum Reformationsfest - 31.10.2010

Textlesung: Röm. 3, 21 - 28

Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden in der Zeit seiner Geduld, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, dass er selbst gerecht ist und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus. Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.

Liebe Gemeinde!

Was sind das doch für ernste, schwierige Worte für eine Sache, die für uns evangelische Christen die schönste, die befreiendste Botschaft der Welt ist! Aber ist es Ihnen wirklich leichter geworden, als sie diese Verse eben gehört haben? Mussten Sie - während ich den Predigttext gelesen habe - auch nur einmal denken: Wie ist das doch so wunderbar, wie liebevoll und freundlich Gott mit uns Menschen umgeht? Und doch sind das die besten, die wichtigsten Worte für uns evangelische Christen. Und mit Bedacht hat man diese Verse unter die Predigttexte zum Reformationsfest eingereiht. Und wenn Martin Luther, unser Reformator, heute zu predigen hätte, dann wären es mit einiger Sicherheit auch diese Verse gewesen, die wir eben als Predigtlesung gehört hätten. Nur: Schwierig bleiben sie doch, diese Worte. Und gerade bei jungen Leuten - etwa bei unseren Konfirmanden - könnte der Eindruck entstehen: Evangelischer Christ zu sein, ist etwas, was man mühevoll lernen und sich erarbeiten muss. Aber so ist es eigentlich gar nicht! Es sind nur diese sperrigen theologischen Gedanken, diese schwierige Ausdrucksweise, die uns nur schwer in den Kopf und schon gar nicht ins Herz gehen wollen. Aber ins Herz gehören sie zuallererst, denn diese Worte sind ja eigentlich der Ausdruck einer großen Zuneigung, ja, eine Liebeserklärungen Gottes an uns Menschen. Und es wäre nicht nur schade, es wäre ganz furchtbar traurig, wenn wir diese Worte nicht in uns aufnehmen könnten - und das eben mit unserem Herzen! Denn das müssen wir ganz deutlich sagen: Mit unserem Verstand allein, können wir sie nicht begreifen! Und selbst wenn wir sie einigermaßen "verstehen" könnten, würden sie in uns noch lange keinen Glauben wecken.

Aber bevor ich nun auch schwierig rede und den Kopf anspreche, will ich mich auf die wichtigste Aufgabe der Predigt und der Verkündigung besinnen und die Worte des Paulus für uns so sagen, dass sie unser Herz erreichen, dass sie dem Glauben den Weg bereiten und ihn festigen, wo er schon in uns ist. - Mir ist dazu der Gedanke gekommen, dass eine Pfarrerin oder ein Pfarrer gerade jetzt in der Zeit, in der wir uns auf die Reformation besinnen, einen Konfirmandenunterricht zu halten hätte. Wir denken uns noch dazu, dass der vorhin gehörte Text die Grundlage dieser Konfirmandenstunde sein sollte und der Unterricht ganz eng an diesen Versen entlanggehen würde - allerdings so, dass sie den Weg ins Herz der jungen Leute finden und nicht nur sozusagen unverdaut und ohne weitere Wirkung im Verstand liegen blieben. Vielleicht würde eine solche Konfirmandenstunde so verlaufen:

Der Pfarrer (die Pfarrerin) würde nach dem üblichen (gemeinsamen?) Beginn so zu den Konfirmanden sprechen: "Ihr wisst, dass wir in diesen Tagen das Reformationsfest feiern. Für uns evangelische Christinnen und Christen ein ganz wichtiges Fest. Wir bedenken dabei und freuen uns darüber, dass Martin Luther vor bald 500 Jahren eine ganz wunderbare Entdeckung in der Heiligen Schrift gemacht hat - besonders im Neuen Testament, also dem Teil der Bibel, in dem es um Jesus Christus geht, den wir Gottes Sohn nennen.

Ich will euch jetzt einmal ein paar Verse aus einem der Briefe des Paulus ... nicht vorlesen, sondern vortragen. Es ist ein Stück des Römerbriefs, in dem besonders schön deutlich wird, was die "wunderbare Entdeckung" Martin Luthers war und warum wir uns heute "evangelische" Christen nennen, was ja nichts anderes heißt, als dass wir Christen sind, die vom "Evangelium", also von der "frohen Botschaft" Gottes an uns Menschen wissen. - Aber hört jetzt einmal die Verse aus dem Römerbrief, wie sie Paulus heute vielleicht für euch sagen würde:

Nicht wenn wir die 10 Gebote oder irgendwelche anderen Gesetze Gottes halten, gefallen wir Gott und sagt er uns, dass wir ihm recht und lieb sind. Dass er uns lieben kann und wir ihm recht sind, kommt allein dadurch, dass wir an seinen Sohn Jesus Christus glauben und uns auf ihn verlassen. Wenn wir an ihn glauben, dann versuchen wir nicht mehr aus eigener Kraft zu leben. Wir hören auf, unsere guten Taten oder Verdienste herauszustreichen. Denn eigentlich ist kein Unterschied zwischen uns Menschen - wenn wir uns mit Jesus Christus vergleichen. Wir handeln immer wieder schlecht, eigennützig und böse. Wir gönnen einander nichts. Wir sind neidisch auf das, was andere uns an Geld oder Sachen voraus haben. Und auf unser eigenes Können bilden wir uns wunder was ein. Der Herr, nach dem wir Christen heißen, hat sich all das Schlechte und Böse, was in uns ist und was wir getan und begangen haben auf die Schulter legen lassen. Das Kreuz, das er getragen hat, war schwer von aller Bosheit und Schuld der Menschen - auch von unserer Schuld! Und nachdem Jesus dieses Kreuz auf den Hügel Golgatha hinauf getragen hat, ist er an diesem Kreuz gestorben. So hat er uns frei gemacht von allem Bösen und aller Schuld. So hat er uns erlöst zu einem Leben im Glauben an ihn.

Durch Jesu Tod am Kreuz hat Gott uns gezeigt, wie wir seine Liebe erlangen und wie er uns vergeben kann: Auf Jesus Christus sollen wir schauen. An ihn allein sollen wir glauben. An ihn glauben heißt, ihm allein vertrauen, nicht mehr uns selbst, nicht mehr unseren eigenen Mühen, unseren guten Taten oder Verdiensten. Das alles bringt uns nichts vor Gott. Nur Jesu Tod am Kreuz kann unser Verhältnis mit Gott ins Reine bringen. Das ist ein für alle Mal so! Durch Jesus Christus allein werden wir vor Gott, wie er uns haben will und so, dass er uns seine Kinder nennen kann."

Vielleicht würde unser Pfarrer oder unsere Pfarrerin in dieser Konfirmandenstunde jetzt das gefragt, was auch Paulus in seinem Römerbrief als Frage der Christen von Rom aufnimmt, an die er schreibt. Dann würde der Unterricht vielleicht mit der Meldung eines Konfirmanden so weitergehen: "Was müssen wir denn dann eigentlich noch selbst tun, dass Gott uns als seine Kinder annimmt?" Und der Pfarrer, die Pfarrerin würde in dieser Konfirmandenstunde ganz im Sinn der Worte des Paulus so weiterreden: "Es gibt nichts, gar nichts, was wir noch tun müssen! Mit Jesus Christus ist eine neue Zeit, ein neues Verhältnis zwischen Gott und uns Menschen angebrochen: gute Taten, Werke und Verdienste gelten nicht mehr. Denn mit unserem besten Willen können wir nicht so leben, uns nicht so verhalten, dass wir Bosheit, Neid, Missgunst und Schuld vermeiden. Der einzige Weg zu Gott ist der Glaube an Jesus Christus und sich darauf zu verlassen, was er am Kreuz vollbracht hat. Um diesen Weg gehen zu können, müssen wir unser Vertrauen auf uns selbst und unsere Werke und Verdienste aufgeben."

Liebe Gemeinde, sicher spüren wir das jetzt alle: Hier müsste nun noch etwas in den Konfirmanden-unterricht kommen, was plastisch ist und mitten aus dem Leben gegriffen die gehörten Worte unterstreicht und festigt. Eine Geschichte vielleicht. Ein Erlebnis. Eine konkrete Erfahrung mit diesem Glauben an Jesus Christus. Ich habe eine passende Geschichte gefunden, von der ich denke, sie würde den Konfirmanden noch etwas mitgeben, was sie sich behalten können und woran ihnen noch einmal der wichtigste Sinn der Worte des Paulus aufgeht:

"Religionsstunde. Es geht um den Glauben der Christen. Patrick hat eine Frage, die ihn anscheinend sehr beschäftigt: "Warum nur haben die Christen ein Stück Holz als Symbol ihres Glaubens?" - "Das Kreuz ist doch auch noch ein Folterwerkzeug«, meint ein anderer. Da setzt sich die Lehrerin zu den Kindern und erzählt ihnen eine Geschichte:

Großvater ging mit Michael spazieren. Es war ein eiskalter Winternachmittag. Michael freute sich an Eis und Schnee, hopste, stapfte. Der Großvater folgte ihm lächelnd, aber mühsam. Sein Herz war krank, schon sehr krank. Michael wollte zum Teich. Der war zugefroren, stocksteif!

"Das muss herrlich zum Eislaufen gehen", rief Michael, "wenigstens rutschen und schlittern möchte ich einmal probieren!" Großvater warnte. Dicht am Ufer stand der alte Mann, als Michael schon beide Beine aufs Eis gesetzt hatte. "Komm, Michi ..."

Der Ruf des alten Mannes kam zu spät. Michael schrie, war eingebrochen ins Eis, klammerte sich an Rand und Brocken. Er konnte selbst gar nichts tun, um aus dem Loch im Eis herauszukommen. Wäre der Opa nicht gewesen, er wäre im Teich untergegangen. Zitternd streckte der Großvater seinen Stock dem Buben entgegen. Der fasste ihn, zog sich daran aus dem Loch im Eis empor. Alle seine Kräfte aber setzte der Alte ein, um auf den Beinen zu bleiben, den Stock in den geballten Fäusten zu behalten. Die Rettung gelang.

In den Armen des Retters geborgen, so schnell sie konnten, kehrten Michael und der Großvater heim. Dem Jungen halfen ein warmes Bad und das Bett über seine Beschwerden, aber für Großvater war dieses Geschehen zu viel, zu anstrengend, zu aufregend gewesen. Ein heftiger Herzanfall nahm ihm noch in der selben Nacht das Leben. Die Trauer seiner Lieben war groß.

Bald wollten die Angehörigen das, was dem Großvater gehört hatte, wegbringen, vergeben und verschenken. Mit starrem Gesicht sah Michael zu. "Nein", rief er auf einmal, "Großvaters Stock tut ihr nicht weg, der gehört mir! Damit hat Großpapa mein Leben gerettet, seines hat er dabei verloren! Solange ich lebe, will ich den Stecken bei mir haben als Zeichen seiner Liebe zu mir!"

Die Lehrerin brauchte nicht weiterzusprechen. Die Jungen und Mädchen ihrer Klasse wussten nun Bescheid. Patrick sagte: "Ich verstehe jetzt, was ein Stückchen Holz einem bedeuten kann. Ich verstehe, was den Christen das Zeichen des Kreuzes ist."

Liebe Gemeinde, und wir alle - auch unsere Konfirmanden - verstehen heute vielleicht auch besser, was der Glaube an Jesus Christus hat und dass unsere Erlösung von seinem Tod am Kreuz herkommt und nicht durch unsere Mühen, Werke und Verdienste. Wir hätten dann auch besser begriffen, was wir am Reformationsfest feiern und worüber wir uns an diesem Tag - und eigentlich immer! - freuen dürfen und wofür wir hoffentlich auch dankbar sind. AMEN