Predigt zum Erntedankfest    -   3.10.2010

Textlesung: 2. Kor. 9, 6 - 15

Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; wie geschrieben steht (Psalm 112,9): „Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit." Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. Denn der Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

Liebe Gemeinde!

Was wir eben als Predigttext gehört haben, hätte - sprachlich leicht verändert - auch gut als Ankündigungstext der Kollekte am Schluss dieses Gottesdienstes gepasst. Heute, am Erntedanktag, wird ja wie in jedem Jahr, für Brot für die Welt gesammelt.

Paulus hat damals mit seinen Worten zu einem Opfer für die christliche Urgemeinde in Jerusalem auffordern wollen. Denn dort gab es tatsächlich - wie heute an ungezählten Orten der Welt - Hunger und Entbehrung, Not und Armut. Auf der anderen Seite aber gab es auch reichere christliche Gemeinden, die alle von Paulus gegründet worden waren, wie Philippi und Thessalonich in Mazedonien. Und wie es ein guter Spendenwerber auch heute noch tun würde, hält Paulus hier der Gemeinde von Korinth deren leuchtendes Beispiel vor Augen, um sie - wie die mazedonischen Gemeinden es vorgemacht haben - zu größerer Opferbereitschaft zu bewegen. - Soviel zu den äußeren Umständen dieser Einladung zum großzügigen Spenden.

Wir wollen jetzt einmal den einzelnen Gedanken und Verheißungen entlanggehen, die Paulus hier äußert, um die Herzen der Hörer seines Spendenaufrufs für ein größeres Opfer aufzuschließen. Und wir wollen uns dabei fragen, ob uns das wohl auch zu größerer Freigebigkeit bringen kann?

„Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen." - Hier kommt uns doch die Frage, ob das denn stimmt: Wie oft haben wir doch „gesät", aber zurückgekommen ist nichts! Wir denken an die Menschen, denen wir mit Geld- oder Sachspenden aus einer Notlage geholfen haben. Vielleicht haben sie ja wenigstens Dankeschön gesagt, aber davon, dass wir hinterher dafür irgendetwas „geerntet" hätten, haben wir nichts gemerkt. Wenn wir ehrlich sind, haben wir uns manchesmal sogar geärgert, so freigebig gewesen zu sein. Unsere Gaben waren verloren, unwiederbringlich ... aber gebracht haben sie uns selbst nichts, gar nichts.

Aber man kann ja nicht nur materielle Dinge geben. Wie oft sind wir schon zurückgetreten, damit andere auch einmal eine Chance haben!? Wir oft haben wir verzichtet ... auf den besseren Posten, auf den größeren Einfluss, darauf, eine bessere Lebensqualität zu haben ... Ja, die anderen, denen wir den Vortritt gelassen haben, waren schon dankbar. Aber was ist am Ende für uns dabei herausgesprungen? Wenig bis nichts. Allenfalls das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Aber das hält auch nicht lange vor. - Lesen wir weiter bei Paulus:

„Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb." So ein bisschen fühlen wir uns jetzt doch ertappt: Bei unseren Gaben ist oft wirklich viel Unwillen und Zwang dabei gewesen! Und „im Herzen" ist unser Geben auch oft genug nicht entstanden, vielmehr im Kopf und begleitet von Gedanken, die irgendwie schon auf das spekuliert haben, was dann doch wohl auch zurückkommt, wenn wir so viel schenken und opfern! Und wirklich „fröhliche Geber" konnten wir uns dabei schon gar nicht nennen. - Weiter schreibt Paulus: „Gott hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit." - Haben wir eigentlich schon einmal so gedacht: Dass eigentlich Gott durch uns gibt? Dass ER ausstreut, was unsere Hände austeilen? Glauben wir nicht, dass alles, was wir sind und haben, von Gott kommt? Haben wir - wenn es so ist - irgendeinen eigenen Anspruch auf das, was wir besitzen und an guten Gaben genießen dürfen? Und wenn wir es an andere Menschen weitergeben, geht es uns dann wirklich verloren oder müssten wir nicht sagen: Wir haben nur Gottes Geschenke mit anderen geteilt? Wir haben ihnen gegeben, was nicht uns, sondern was Gott gehört?

Paulus schreibt weiter: „Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk ..." - Nun ist auch noch unser Wille zu geben und zu teilen Gottes Werk!? Macht er wirklich die „Gnade", aus der heraus wir unser Herz öffnen und anderen Menschen schenken, was er zuvor uns geschenkt hat? Und reicht uns das, was uns dann bleibt, tatsächlich zur „vollen Genüge", so dass wir „reich sind" immer weiter gute Werke zu tun? - Da haben wir nun doch unsere gehörigen Zweifel!
Ob Paulus uns damit überzeugen kann?: „Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit." - Eigentlich ein klares Bild: Der Sämann hat nicht nur selbst Brot zu essen, er hat auch noch Samenkörner, die er streuen kann, damit durch Gottes Segen neues Korn, neues Brot wächst. Genauso geht es auch uns: Wir haben selbst genug zu essen, haben unser Auskommen, unsere Freude und unseren Lebenssinn - und können doch auch noch abgeben und mit den guten Gaben und Taten, die wir wie Samenkörner ausstreuen, die Not anderer Menschen lindern und ihre Lebensfreude fördern.
Wenn wir das tun, dann geschieht, was Paulus so ausdrückt: „So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott." - Um „Einfalt" geht es! Vielleicht sagen wir es so: Dass wir gar nicht mehr darüber nachdenken, dass wir geben, dass wir teilen, dass wir die Samenkörner unserer Gaben und Taten ausstreuen ... Denn es ist ja auch nicht so: Gott gibt, Gott teilt aus, Gott streut den Samen, indem er uns gnädig und gütig denken und handeln lässt. Und das alles zu einem Zweck: dass unser Tun „Danksagung wirkt an Gott", dass alle, die durch uns Gutes, Hilfe und Unterstützung erfahren, Gott die Ehre geben, ihn loben und ihm dankbar sind.

Spätestens hier fühlen wir uns jetzt bei der ganzen Sache doch ein wenig unbeteiligt, ja, sogar ausgenutzt für Gottes eigenes Interesse, das uns Gaben schenkt, dass wir sie durch seinen Einfluss an andere weiterschenken, damit diese dann Gott loben und danken. - Wo sind, wo bleiben wir dabei?

„Denn die Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken." - Einmal können wir uns gewiss daran freuen, wenn anderen, zumal Mitchristen, durch unser Opfer geholfen wird. Wenn wir dabei einmal an den Zweck der heutigen Sammlung für Brot für die Welt denken, können wir sicher einstimmen: Es ist gut, wenn wir, denen das doch nicht so sehr weh tut, für die Ärmsten der Armen rings um die Erde unser Herz und unseren Geldbeutel auftun. Und wir können es uns schon vorstellen, dass die Menschen, die durch unsere Gaben vor dem Verhungern gerettet werden, dankbar sind, nicht nur uns, sondern auch Gott, der unser Herz so bewegt hat, dass wir bereit sind, abzugeben, zu spenden und zu opfern.

Aber etwas anderes kann uns auch erfreuen und davon ist hier die Rede: „Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen." In jeder guten Tat, die selbstvergessen getan wird, in jedem großzügigen Opfer, bei dem wir nicht an das denken, was vielleicht dafür zu uns zurückkommt, erweisen wir uns auch als Christen, die dem Bekenntnis zu ihrem Herrn gerecht werden. Denn er hat uns das hinterlassen: „Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?" (Mt. 6,25) Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. (Mt. 6,33)

Und noch einmal hören wir hier von der Einfalt, diesmal von der „Einfalt unserer Gemeinschaft mit den Bedürftigen", über der diese dann Gott preisen. „Einfalt" ... kein sehr geläufiges Wort mehr heutzutage. Aber ich glaube, dieses Wort hat viel mit dem zu tun, was Paulus uns auch empfohlen hat: Dass „ein jeder" geben soll, „wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang". Liebe Gemeinde, so wünsche ich uns heute, dass wir zu dieser Einfalt gelangen. Dass wir allein auf unser Herz hören und nicht über die Folgen unserer Freigebigkeit nachdenken, ob denn wohl etwas zurückkommt oder ob unser Opfer vielleicht vergeblich war? Auch aus Zwang wollen wir heute nicht geben, nicht weil das doch dran ist ... am Erntedankfest! Wir wollen uns erinnern, dass alle gute Gabe von unserem Herrn herkommt, dass er uns damit beschenkt, ohne dass wir sie verdient haben und dass er uns mit seinen Gaben an die Menschen weist, die Hunger und Not haben und täglich um ihr Überleben kämpfen müssen. Wir werden dabei erfahren, dass es stimmt: „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb." AMEN